Im Stadtmuseum diskutierten unter anderem (von links) Moritz Eggert, Cornelia Lanz, Pascale Simon-Studer, Ulrike Jäger, Rebecca Egeling über Geschlechter-Gerechtigkeit. Foto: Haberer

Kulturstammtisch: AfD-Mann Haller dabei

Lahr - Die dritte Ausgabe des Kulturstammtischs in der Tonofenfabrik hat sich an die Frage der Geschlechtergerechtigkeit angenähert. "Müssen Frauen nackt sein, um ins Museum zu kommen?" lautete der provokante Titel der Veranstalung.

Das Bild der "Guerilla Girls", die das als Titel benutzte Zitat mit Blick auf die New Yorker Kunstwelt in den Raum stellten, greift einen Umstand auf, den Pascale Simon-Studer als Gleichstellungsbeauftragte des Ortenaukreises ganz klar im gesellschaftlichen Alltag verortet. Karriere, kreative und künstlerische Entfaltung kollidieren bei ihnen sehr viel stärker als bei Männern mit den klassischen Rollenmustern. Familie und Hausarbeit bleiben an ihnen hängen. Corona hat die strukturelle Benachteiligung in den letzten Monaten mehr als deutlich gemacht: Homeschooling, Homeoffice, die Frau mit Kind auf dem Schoß am Laptop.

Die aus Lahr stammende Feministin und Künstlerin Ulrike Jäger geht zurück in die 1960er-Jahre, beschreibt die männliche Dominanz an den Kunstakademien, gegen die sich auch sie erst nach und nach aufgelehnt hat. Frauenkunst und Frauennetzwerke, die "lila Latzhose" als sichtbares Symbol einer Befreiung.

Villa-Jamm-Artist Rebecca Egeling will daran durchaus anknüpfen, wenn sie im Lahrer Stadtpark eine temporäre Botschaft der Frauen einrichtet und Frauen dazu einlädt, ihre persönliche Geschichte zu erzählen. Die Dramaturgin und Intendantin aus Lüdenscheid, die mit ihrem vier Monate alten Sohn Maurice nach Lahr gekommen ist und anfangs auch mit ihm auf dem Podium sitzt, erinnert an ihre Zeit als Tänzerin. Der Choreograph als Künstler, 30 Frauen und ein Prinz als Pinsel, als Subjekt der Kunst. Die Gleichstellung existiert auf dem Papier, die Realität hinkt meilenweit hinterher.

Frauen sollen ihre Geschichten erzählen

Moritz Eggert, Pianist und Präsident des deutschen Komponistenverbandes, skizziert den Fall Siegfried Mauser als Beispiel für Sexismus und strukturelle Gewalt im Alltag des Kulturbetriebes. Altmodische hierarchische Strukturen, die Täter aber auch Opfer einer Sozialisation im Geiste des 19. Jahrhunderts.

Schauspielerin und Regisseurin Ismene Schell ist als Leiterin der "Freien Bühne Stuttgart" mit einem Projekt in Kooperation mit der Tanzkompanie "Szene Zwei" als Villa-Jamm-Artistin am Start. Sie setzt ihr eigenes Bild dagegen, den eigenen Weg gehen, sich verwirklichen und die eigene Mitte suchen. Die Mutter von drei Kindern hat sich nicht beirren lassen, will wegkommen von feministischen Begrifflichkeiten. Erzählt von der Arbeit mit Frauen aus dem Iran. Nicht nur die Frau, die Individualität an sich wird politisch unterdrückt. Die Rollenmuster sind fest zementiert, bekommen erst ganz langsam erste Sprünge. Die Menschen werden an ihrer freien Entfaltung gehindert, das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen.

Als Vertreter der Lahrer Kommunalpolitik sitzt Sven Haller von der Lahrer AfD auf dem Podium. Sein Versuch, sich von rechtspopulistischen Tendenzen in seiner Partei abzugrenzen, führt zu einem Schlagabtausch mit Moritz Eggert. Er zeigt aber indirekt auch die strukturellen Probleme unserer Gesellschaft auf. Männer sitzen nicht zuletzt deshalb an den Schlüsselstellen der Macht, weil Frauen nach wie vor fast in allen Bereichen unterrepräsentiert sind. Der Weg zur tatsächlichen Gleichstellung ist noch weit, wie die Schlussrunde der Diskussionsteilnehmer erkennen lässt. Moderiert wurde die Runde von Kulturamtsleiterin Cornelia Lanz.

Fünf weitere Kulturstammtische sind im Museum geplant. Die nächste Folge am 5. August dreht sich ums Thema "Kulturschock", die weitere am 2. September um Wünsche von Lahrer Vereinen.