Wenig zu tun hatten die Rathaus-Mitarbeiter gestern Abend bei der Auszählung des Bürgerentscheids, hier ein Briefwahl-Team im Rathaus 1. Nur einer von fünf Lahrern war zur Wahl gegangen. Das Ergebnis stand nach einer Stunde fest. Foto: Braun

Bürgerinitiative fehlen bei Abstimmung 2091 Stimmen zum Kippen der Neubaupläne.

Lahr - Die Bebauung des Altenbergs hat die größte Hürde genommen: Beim Bürgerentscheid scheiterten die Gegner der Bebauung an der nötigen Mindestanzahl von Stimmen. 4896 Lahrer sprachen sich gegen die Baupläne aus, 2077 dafür.

Enttäuschte Gesichter bei den Mitgliedern der Bürgerinitiative Altenberg gestern Abend im Ratssaal: Als kurz vor 19 Uhr alle 45 Wahlbezirke ausgezählt waren, war klar, dass ihr Bürgerentscheid gescheitert war. 6987 Bürger hätten mit Ja stimmen müssen, um die Baupläne des Investors Deutsche Bauwert aus Baden-Baden kippen zu können, tatsächlich votierten aber nur 4896 Lahrer mit Ja. 2091 Stimmen zu wenig, damit war das sogenannte Quorum nicht erreicht worden, also die gesetzliche Hürde für derlei Bürgerentscheide.

Insgesamt gingen nur 20 Prozent der rund 35 000 Wahlberechtigten gestern zum Wählen. Von diesen stimmten 14,01 Prozent oder 4896 Wahlberechtigte mit Ja, also gegen die Altenberg-Bebauung. 2077 Bürger sprachen sich mit ihrem Nein für das Vorhaben aus, das entsprach 5,94 Prozent. Damit steht nun fest, dass der Gemeinderat das Thema erneut beraten wird. Da sich dort aber zuvor bereits eine klare Mehrheit für das Projekt ausgesprochen hatte, ist mit einer erneuten Zustimmung fest zu rechnen.

Rund 100 Zuhörer hatten sich zur Auszählung der Stimmen im Rathaussaal eingefunden. Sie verfolgten eine Auswertung, die schon bald einen klaren Trend zeigte: Die Wahlbeteiligung in nahezu allen Wahllokalen war recht gering und ein Erfolg der Bebauungsgegner wenig wahrscheinlich. Mit jedem neuen Teilergebnis verfestigte sich diese Tendenz, bis dann um 18.54 Uhr das vorläufige Ergebnis fest stand.

Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller verkündete kurz und knapp den offiziellen Ausgang der Abstimmung. Der Bürgerentscheid sei wegen des verpassten Quorums für den Gemeinderat nicht bindend. OB Müller erklärte auf Nachfrage unserer Zeitung, dass die Abstimmung nach seiner Einschätzung "nur ein sehr lokales Thema" gewesen sei. Das zeige die Wahlbeteiligung von insgesamt nur 20 Prozent. Die Verwaltung werde weiter Stadtentwicklung betreiben – und zwar "im Interesse der Lahrer insgesamt".

Uwe Birk von der Deutschen Bauwert war "sehr erfreut" über den Ausgang der Abstimmung. Er verfolgte die Auszählung nicht vor Ort, sondern mit seinem Team in Baden-Baden.

Auch Baubürgermeister Tilman Petters zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden. "Ich hoffe, dass jetzt wieder Sachlichkeit in die Diskussion einkehrt", sagte er. Der Baubürgermeister wies darauf hin, dass die Stadtverwaltung schon seit eineinhalb Jahren das Thema Bebauung am Altenberg bearbeite. "Die Themen Verkehr und Baudichte haben schon bisher eine Rolle gespielt. Auch im weiteren Bebauungsplanverfahren wird das so sein", so Petters. Die Firma Bauwert als Investor müsse nunmehr eine detaillierte Planung für die Gebäude auf dem Altenberg vorlegen, sagte er zum neuesten Entwurf der Firma Bauwert, die deren Geschäftsführer Uwe Birk bei der Bürgerinformationsveranstaltung vorgestellt hatte.

Dass nunmehr die Bebauung auf dem Areal Reichwaisenhaus vom Grundsatz her beschlossene Sache ist, aber im Detail durchaus noch Änderungen möglich sind, darauf wies SPD-Stadtrat Walter Caroli im Gespräch mit unserer Zeitung hin.

Info: So geht's weiter

Weil bei dem Bürgerentscheid mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen abgegeben wurden, aber das Abstimmungsquorum nicht erreicht wurde, ist jetzt wieder der Lahrer Gemeinderat gefragt: Er muss darüber entscheiden, ob der Aufstellungsbeschluss für die Änderung des Bebauungsplans Altenberg aufgehoben oder das Bebauungsplanverfahren fortgeführt wird. Eine Entscheidung für die Fortsetzung gilt jedoch als Formsache. Bei der Gemeinderatsitzung im Juli gab es 24 Stimmen für die Bebauungsplanänderung, acht Stadträte waren dagegen.

Stimmen zum Ausgang des Bürgerentscheids

OB Wolfgang G. Müller erklärte nach der Wahl, dass die Altenberg-Frage »nur ein sehr lokales Thema« gewesen sei. Die »ganzheitliche Stadtentwicklung kann nun weitergehen«, sagt er. Ganz sicher, dass der Bürgerentscheid das nötige Quorum von knapp 7000 Stimmen nicht erreichen werde, sei er nicht gewesen, räumte der OB ein.

Frank Himmelsbach als Sprecher der Bürgerinitiative Altenberg zeigte sich enttäuscht über den Ausgang des Bürgerentscheids. »Wir konnten nicht deutlich machen, dass es sich hier um ein Projekt geht, das die gesamte Stadt angeht, betont er. »Wir bleiben am Ball«, betonte er. Die BI werde sehr genaudas weitere Verfahren beobachten.

Jörg Uffelmann als Sprecher des Reichswaisenhaus-Vereins freute sich über das gescheiterte Bürgerbegehren. »Jetzt können wir weitermachen und die vielen Details, über die es noch zu entscheiden gilt, bearbeiten.« Das Verfahren laufe ja nun erst an. Man habe für die Denkmäler und die sozialen Nutzungen »gute Argumente gehabt.«

Uwe Birk als Geschäftsführer der Deutschen Bauwert in Baden-Baden war glücklich über das Ja zu seinen Bauvorhaben. »Das ist das richtige Signal für die Stadt«. Seine Firma habe zuletzt »viel Zuspruch zu den Plänen bekommen«, erklärte er. Viele Lahrer hätten gesagt, das Vorhaben sollte verwirklicht werden. Man werde »sensibel dranbeiben«.

Kommentar: Lokales Thema

Von Jörg Braun

Die Abstimmung über die Bebauung des Alterbergs ist entschieden. Und zwar sehr klar: Das Thema hat die allermeisten Lahrer überhaupt nicht interessiert. Nur einer von fünf Wahlberechtigten ging gestern überhaupt zur Abstimmung. Den anderen war es egal, ob in dieser markanten Stadtlage neue Häuser entstehen und wie es mit den dortigen historische Gebäuden weitergeht. Oder sie waren sich sicher, dass der Bürgerentscheid ohnehin am Quorum scheitern würde. Wie viele Lahrer nun tatsächlich für das Projekt sind und wie viele dagegen, bleibt angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung unklar. Deutlich wurde aber, dass dieses strittige Thema ein rein lokales, ein rein örtliches ist. Auch, wenn die vielen hundert Plakate der Bau-Gegner im Stadtbild anderes vermuten ließen. Die betroffene Anwohner machten mächtig mobil und stemmten sich werbemäßig massiv gegen die drohende Bebauung ihrer Nachbarschaft. Das war legitim. Sie nutzten alle rechtlichen Möglichkeiten und scheiterten nun an der gesetzlichen Mindesthürde. Dabei ist interessant, dass es ihnen nicht mal gelang, im direkten räumlichen Umfeld der kommenden Altenberg-Bauten wirklich viele Gegner zu mobilisieren und mit stimmenmäßiger Wucht gegen das Projekt zu rebellieren. So blieb der Protest ein Sturm im Wasserglas. Die Fronten sind nun geklärt und das eigentliche Verfahren kann beginnen.