Eine dichte, aufwühlende Darbietung brachte das Ensemble des Schauspiels „Aus dem Nichts“ auf die Bühne des Freudenstädter Kurtheaters. Foto: Gerhard Keck

Der Politthriller „Aus dem Nichts“ hinterließ im Kurtheater einen nachhaltigen Eindruck.

Filmemacher Fatih Akin erregte vor Jahren schon Aufsehen mit seinem preisgekrönten Streifen „Aus dem Nichts“. Im Kurtheater brachte das Euro-Studio Landgraf aus Titisee-Neustadt eine Theaterfassung auf die Bühne.

Regisseur Miraz Bezar ließ die Vorlage nicht einfach nachspielen, sondern setzte mit dem Schauspiel eigene Akzente. Filmische Elemente wurden aus dramaturgischen Erfordernissen auf die Bühne mit medialen Collagen projiziert. Damit lief vor den Augen des Publikums ein Rückgriff auf gesellschaftlich-politische Entwicklungen in der Bundesrepublik während der vergangenen Jahrzehnte ab. Deutlich wurden die Verbrechen der Neonazis aufgezeigt.

Stück greift NSU-Prozess auf

Das Stück „Aus dem Nichts“ greift in schonungsloser Weise auf den NSU-Prozess zurück. Akin ließ seiner Empörung über die Vorgänge im Zusammenhang mit den Abscheulichkeiten freien Lauf. Auf der Premiere seines Films sagte er: „Der eigentliche Skandal bestand darin, dass die deutsche Polizei, die Gesellschaft und die Medien alle überzeugt waren, dass die Täter Türken oder Kurden sein müssten, dass irgendeine Mafia dahintersteckte.“

Im Fadenkreuz der Ermittler

Der Stoff von Film und Bühnenfassung greift unbarmherzig hinein ins pralle Leben. Die Lektorin Katja bringt am Nachmittag ihren kleinen Sohn Rocco ins Büro ihres deutsch-kurdischen Mannes Nuri, eines Übersetzers. Als sie am Abend zurückkehrt, sind beide tot. Eine Nagelbombe, die von einer jungen Frau vor dem Büro platziert worden ist, hat alles zerfetzt. Zahlreiche Verletzte sind überdies zu beklagen.

Für Katja bricht eine Welt zusammen. Als sei die persönliche Katastrophe nicht genug, geraten sie und ihr Mann selbst ins Fadenkreuz der Ermittler. Statt die Spur der Täterin zu verfolgen, ermittelt die Polizei im Umfeld der Familie, die angeblich Kontakte zum kriminellen Milieu unterhalten hat.

Empörung und Solidarität

Sind die Behörden auf dem rechten Auge blind? Nachdem selbst Katjas Mutter ihre Solidarität mit Tochter und Schwiegersohn in Zweifel gezogen hat, bleiben ihr nichts als Verzweiflung, hilflose Wut und Trauer. Als endlich dem Neonazipärchen Möller als mutmaßlichen Tätern der Prozess gemacht wird, offenbart sich die Fragwürdigkeit des Verfahrens. Der Anwalt der Angeklagten schafft es, einen Freispruch zu erwirken – aus Mangel an Beweisen, obwohl die Beweislage wasserdicht erscheint.

In drei Kapiteln – „Wahrheit“, „Gerechtigkeit“ sowie „Wahrheit und Politik“ – legt Regisseur Miraz Bezar die Mechanismen offen, die im Zusammenspiel von Sicherheitsbehörden, Justiz und Medien wirken. Katjas Kampf gegen die Vorurteile, die gegenüber ihrem Mann gepflegt werden, verpufft wirkungslos.

Gerade die Gerichtsszenen bieten dem Publikum ein ums andere Mal Anlass für Empörung und Solidarität mit der Nebenklägerin Katja. Die Betroffenheit wird noch verstärkt mit der nüchternen Aufzählung der Verletzungen durch eine Gutachterin, die zum Tod von Mann und Kind geführt haben – Tatsachen, die man so genau wegen ihrer Grausamkeit gar nicht wissen möchte.

Viel Beifall von den wenigen Zuschauern

In einem Untersuchungsausschuss zu dem Fall erläutert ein Staatssekretär die Strategie der Ermittlungsbehörden: „Das Staatswohl hat Vorrang vor Aufklärung!“ Das bedeutet, dass „das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“. Unter dieser Prämisse muss nicht nur Katja fortan leben. Der Beifall des recht spärlichen Publikums war ausdauernd, eine verdiente Reaktion auf eine tiefschürfende Darbietung.