Veronika Nadj vor einigen Werken ihrer vergangenen Ausstellung in Andalusien. Foto: Rahmann

Bei der Künstlerin Veronika Nadj befruchten sich die Kunstformen wechselseitig. Dass Betrachter dabei oft nicht wissen, ob sie weinen oder lachen sollen, ist gewollt: Auf einem ihrer Bilder reitet eine Aubergine ein geflügeltes blaues Pferd – das Tier betrachtet den Betrachter mit bösem Blick.

„Wenn es um Komik ging, verstand ich keinen Spaß“, sagt die Künstlerin Veronika Nadj über ihre früheren Auftritte, die zwischen Poesie, argentinischem Tango, Zirkus und Komödie changierten. „Allzu gute Laune stört die Spannung bei einem Auftritt“, sagt sie rückblickend über die Arbeit in ihrer 1986 zusammen mit Boris Rodriguez Hauck gegründeten Künstlergruppe Kowskj Komedian: „Wir waren am komischsten, wenn wir schlechte Laune hatten.“ Wege finden, Menschen zu berühren – darum geht es ihr. Ob mit ernst oder spaßig vorgetragenen Themen. „Der Schritt vom Lachen zum Weinen ist nicht groß“, sagt Nadj.

Ein Foto von 1984 der Gruppe Kowskj Komedian. Foto: Privat

Auch wer das „Künstlerhaus Nadj und Rabsch“ betritt, das die Künstlerin zusammen mit Udo Rabsch gegründet hat, taucht in eine Art ernster Komik ein, die an manchen Stellen einen komischen Ernst zu persiflieren scheint. An der Wand der Galerie stehen zwei voll gekritzelte Engelsflügel aus bräunlichem Papier mit schwarzen Brandflecken, auf dem unter anderem ein Anarchie-Symbol und eine Aubergine auf einem Teller zu sehen sind. Am Rand der Flügel steht: „Haben Hasen ein Ziel?“

35 Jahre Stuttgart, 24 Jahre Rosenfeld

Nadj hat 35 Jahre lang in Stuttgart gelebt, bis sie 1999 nach Rosenfeld zog. „Ich finde das Land sinnlicher, analoger, konkreter. Früher war die Stadt atmosphärischer“, sagt sie. Zumindest Stuttgart sei aber „kalt“ geworden. Sie selbst ist in einem Vorort von Belgrad geboren worden, der damals allerdings noch sehr ländlich war. Mit zehn Jahren ist sie nach Deutschland gekommen.

Mangels männlicher Tänzer nahm Veronika Nadj (rechts) bei Tango-Veranstaltungen oft die Rolle des Mannes ein. Foto: Rahmann

Im Künstlerhaus hängt ein Foto. Es zeigt eine Tango-Performance von Kowskj Komedian im Jahr 2014. Nadj steht auf dem Bild in einem grauen Anzug da: geschlossene Lider, konzentrierter Gesichtsausdruck mit markanten Zügen, nach hinten gekämmte Haare, Schnurrbart. Sie stahlt eine würdevolle Festigkeit und ein herrisches Bewusstsein aus. Ihre Hand legt sie um die Taille einer Frau in rotem Kleid, die ihren einen Arm um die Schulter von Nadj schlingt, die andere Hand auf ihrem Kopf ruhen lässt. Lustvoll beißt die Frau sich auf die Unterlippe. Da es oft an männlichen Tänzern gefehlt habe, habe sie bei den Tango-Vorführungen oft die Rolle des Mannes übernommen, erklärt Nadj.

Der Sonnenhund stürzt ins Meer

In der Mitte der Galerie im Künstlerhaus steht der Oberkörper eines Musikers aus Ton. Er hat ein Akkordeon umgeschnallt. Die Haut der Figur scheint auf der ganzen Fläche von feinen Narben überzogen zu sein – bei näherem Hinsehen erscheinen auf der geriffelten Oberfläche, die den Rücken, den Hals, die Brust und den Kopf überziehen, Buchstaben und Worte. Ein derb anzüglicher und lustiger neapolitanischer Text, der auf einer „Tammurriata“, einem maurischen Rhythmus gedichtet ist, sagt Nadj.

Auf einer Tonfigur von Veronika Nadj in der Galerie des Künstlerhauses steht ein neapolitanischer Liedtext. Foto: Rahmann

Auf einer der Malereien für ihre vergangene Ausstellung in Andalusien frisst der Diktator Francisco Franco eine Zeichnung des avantgardistischen spanischen Dramatikers und Lyrikers Federico García Lorca. Für die Ausstellung schrieb sie einen Text, in dem der dort tobende Tag beschrieben ist: „Ach ja, und der Sonnenhund rast durch die Barrancos, wirft Staub und Steine und abgerissene Geranienstücke vor sich her. Am Abend stürzt er ins Meer.“ Die schwebende Balance zwischen Leichtigkeit und Schwere scheint Nadj nicht zu verlassen – ob in Text, Bild oder Performance. Diese Balance mag zum Schweigen des Betrachters führen – der sich zwischen Ernst und Komik nicht entscheiden kann.