In Stuttgart landen 112-Notrufe in der gemeinsamen Leitstelle von Feuerwehr und DRK Foto: dpa

Die 112 als einheitliche Notrufnummer ist noch weitgehend unbekannt. Ist dies die Schuld des DRK?

Stuttgart - Die 112 ist inzwischen europaweit die Notrufnummer für Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst. Von Portugal bis Bulgarien bekommt man unter dieser Telefonnummer schnelle Hilfe. Das wissen in Deutschland allerdings nach wie vor nur wenige. Experten sehen eine Mitschuld beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), das sich gerade in Baden-Württemberg weigere, die einheitliche Nummer zu bewerben.

Heute ist Euronotruftag. Bürgerinitiativen und Organisationen weisen damit darauf hin, dass in sämtlichen EU-Ländern und darüber hinaus die 112 für Notfälle gilt. "Leider können wir nicht mit dem zufrieden sein, was die Bürger darüber wissen", sagt Nils Bunjes vom Stuttgarter Europa-Zentrum. Eine Umfrage habe gezeigt, dass nur 16 Prozent der Deutschen diese Tatsache kennen. "Wir liegen da weit hinten, obwohl wir so viel reisen", klagt Bunjes, "dabei ist das mal ein europäisches Produkt, das echten Mehrwert für den Bürger hat." Deshalb habe man an Schulen Broschüren verteilt und alle Landtags- und deutsche Europa-Abgeordnete angeschrieben.

Die Experten sehen allerdings auch die Rettungsorganisationen in der Pflicht. Und da liegt laut Joachim Spohn von der Bürgerinitiative Rettungsdienst in Baden-Württemberg einiges im Argen. Weil europaweit die 112 gilt, sind die Organisationen seit knapp einem Jahr gesetzlich verpflichtet, alle Fahrzeuge mit dieser Nummer zu beschriften und öffentlich dafür zu werben. In Baden-Württemberg gab es kurz danach extra noch einmal eine Anweisung von Sozialministerin Monika Stolz.

"Die Trägerschaft muss in staatliche Hand"

Dennoch prangt auf vielen Fahrzeugen nach wie vor die alte 19.222 als medizinische Notrufnummer, die aber nur noch für Krankentransporte gilt. "Allein in Stuttgart sind 17 DRK-Fahrzeuge mit falscher Beschriftung unterwegs", sagt Spohn. Alle anderen Organisationen hätten korrekt umgestellt. Auch in Karlsruhe, Böblingen oder Tübingen stelle sich das Rote Kreuz quer und torpediere bewusst die gesetzliche Regelung. Spohn vermutet dahinter, dass das DRK mit der 19.222 seinen bisher großen Einfluss festigen und einen staatlichen Zugriff auf Daten verhindern wolle.

Im Sozialministerium des Landes zeigt man sich angesichts der Vorwürfe erstaunt. Dort ist nicht bekannt, dass es noch Vorbehalte gegen die 112 gibt. "Wir standen mit allen zuständigen Landesverbänden und Rettungsdienstorganisationen in engem Kontakt", sagt Sprecherin Marion Deiß. Anhand deren Rückmeldungen könne man davon ausgehen, "dass der Verpflichtung, nur noch die 112 als rettungsdienstliche Notrufnummer zu verwenden und zu bewerben, zwischenzeitlich landesweit Rechnung getragen ist".

Beim Stuttgarter Roten Kreuz allerdings gibt man unumwunden zu, dass dies nicht so ist. Es sei richtig, sagt Kreisgeschäftsführer Frieder Frischling, dass man noch Fahrzeuge habe, die die alte 19.222 bewerben. "Es handelt sich dabei um Leasing-Fahrzeuge, die ohnehin noch in diesem Jahr ausgewechselt werden. Eine Umbeschriftung hätte jeweils zwischen 400 und 500 Euro gekostet." Man sehe nicht ein, dass man Geld für etwas ausgebe, das nur der Form diene, deshalb handele es sich "um eine bewusste Entscheidung". Alle anderen Fahrzeuge jedoch habe man neu beschriftet und auch ansonsten "getan, was wir konnten".

Bis auf weiteres sind also Fahrzeuge mit einer veralteten Notrufnummer unterwegs. Nicht nur deshalb fordert Spohn eine grundsätzliche Reform des Rettungswesens im Land. "In allen europäischen Ländern und in allen Bundesländern sind die Rettungsleitstellen in staatlicher Trägerschaft, nur nicht in Baden-Württemberg", sagt er. Hier sei das Rote Kreuz in allen Leitstellen für die Notfallrettung zuständig. "Die Trägerschaft muss in staatliche Hand", fordert Spohn, zudem müsse die Zahl der Leitstellen von bisher 37 auf etwa zehn sinken. Doch derzeit scheint man im Land schon mit der 112 überfordert zu sein.