Durch Schlingenfallen eines Wilderers gingen in einem Revier im Bereich Rottweil-Neukirch/Vaihingerhof vor allem Füchse (Bild) und Rehe jämmerlich zugrunde. Foto: Privat

Nach erstem Prozess gegen 65-Jährigen sehen sich Staatsanwaltschaft und Gericht aufgrund heftiger Kritik in Zugzwang.

Kreis Rottweil - Leben wie in Westsibirien: Ein heute 65-Jähriger Aussiedler aus einer Rottweiler Teilgemeinde trieb mindestens ein Jahr lang im Waldgebiet bei Rottweil-Neukirch als Wilderer sein Unwesen. Grausamst müssen dabei Füchse und Rehwild zugrunde gegangen sein. Auch ein Jagdhund verfing sich in einer Schlinge, durch die Tiere qualvoll zum Sterben gebracht werden können.

Für den jungen Jagdpächter Christopher Hess war der Vorfall mit seinem treuen vierbeinigen Gefährten Anfang November 2012 ein zweites Alarmsignal, nachdem fast genau ein Jahr zuvor ein bei einer Treibjagd geschossener Fuchs mit einer Schlinge um den Bauch gefunden worden war. Nach umfangreichen Ermittlungen mit Videoaufzeichnungen wurde der Mann Ende November 2012 vom Jagdpächter gestellt und der Polizei übergeben. Die anschließende Einstellung des Strafverfahrens gegen eine Geldbuße von 150 Euro sorgte nicht nur bei der Jägerschaft, sondern offenbar auch in hohen Justizkreisen für Kopfschütteln. Von "oberster Stelle" der Justiz im Land, glauben Insider zu wissen, wurde dem Staatsanwalt ob seiner offenbar wenig sachgerechten Verfahrensführung damals der Marsch geblasen, nachdem Empörung über die juristische Behandlung der mit massiver Tierquälerei verbundenen Vorfälle im ganzen Land laut geworden war.

Jagdexperten sprechen angesichts der durch Schlingen verursachten Tierquälereien von sehr mildem Urteil

Wohl auch deshalb war der 65-Jährige jetzt erneut vor Gericht geladen. Wegen im ersten Verfahren nicht einbezogenen Fällen der Jagdwilderei sollte ihm vor dem Amtsgericht Rottweil erneut der Prozess gemacht werden. Etwa 20 Jäger mit Kreisjägermeister Ottmar Riedmüller an der Spitze wollten bei dem Prozess mit ihrer Präsenz wohl auch deutlich machen, dass man dieses Mal ein anderes Urteil als beim ersten Mal vor etlichen Monaten erwarte. Dabei hat manch einer auch die Worte des öffentlich bestellten Sachverständigen für das Jagdwesen, Rolf Roth aus Löchgau, zum Fotobeweis eines von dem 65-Jährigen bei Rottweil-Neukirch gewilderten Fuchses im Ohr: "Es ist nicht zu fassen, dass ein Strafverfahren ›Wilderei mit Schlingen‹ gegen eine Zahlung von 150 Euro von der Staatsanwaltschaft eingestellt wird. In Schlingen gefangene Tiere verenden bestialisch qualvoll. Es ist kein sofortiger Tod. Im Gegenteil: Die Tiere verenden entweder durch Ersticken, Verdursten oder – wie in diesem Fall höchstwahrscheinlich – an einer Blutvergiftung. So ein Todeskampf unter Höchststress kann mehrere Tage dauern, Es gibt wohl keine grausamere Art Tiere zu töten", so der Kommentar dieses Sachverständigen zum Ausgang des ersten Strafverfahrens.

Weil der Angeklagte beim jetzt anberaumten zweiten Verfahren nicht erschien, wurde vom Amtsgericht in Absprache mit der Staatsanwaltschaft kurzer Prozess in Form eines Strafbefehlverfahrens gemacht. 90 Tagessätze zu 25 Euro muss der 65-Jährige nun berappen.

Für Frank-J. Hansen, auch in Jagddingen versierter Fachanwalt für Strafrecht aus Baden-Baden, liegt dieses zweite Urteil am untersten Ende des Strafrahmens. Andernorts sei in keineswegs schlimmeren Fällen schon deutlich härter geurteilt worden, sagt einer, der auf den von der Justiz zunächst überaus schnell zu den Akten gelegten Fall auch mit einem größeren Artikel in der Zeitschrift "Pirsch" aufmerksam machte.

Ob der 65-jährige Wilderer sich das aber nun neu gesprochene Urteil so zu Herzen nimmt, dass es seinem Trieb Einhalt gebietet, sich in der Natur nach Herzenslust zu bedienen, muss abgewartet werden. Nach den ihm bis Ende November 2012 zugeschriebenen Wildereien war er genau heute vor einem Jahr am Schwarzenbach bei Neukirch mit fünf fangfrischen Forellen erwischt worden. Immerhin erklärte er sich bei diesem Aufeinandertreffen mit dem Jagdpächter bereit, die von ihm eingerichteten Schlingenplätze zu zeigen, um eventuell noch vorhandene Fallstricke zu entfernen.

Im März dieses Jahres wurde der Mann bei seinen Streifzügen durch die Natur aber erneut aktenkundig: Dieses Mal wurde er beim "Anbohren von Birken" erwischt, "um Wasser zu zapfen", wie es in einer Aufzeichnung des Jagdpächters heißt. Vermutlich gilt ihm frisch gezapftes Birkenwasser als besonderes Lebenselexier.

Der 30-jährige Christopher Hess, der besagtes Neukircher Revier bereits seit zehn Jahren mit viel Herzblut und großem Aufwand betreut, hofft nach dem am Donnerstag gesprochenen Urteil, dass er nun doch bald wieder ohne alarmierende Nebengeräusche eines Wilderers dem Waidwerk nachgehen kann.