Hippotherapie auf dem Staffelbachhof: Bei den Übungen auf dem Pferderücken lösen sich Muskelverspannungen (links). Mancher Teilnehmer muss mit einem speziellen Lift nach oben befördert werden. Therapeutin und Hofbetreiberin Krystyna Laskowski steht helfend zur Seite (rechts). Foto: Otto

MS-Erkrankte reiten regelmäßig auf dem Staffelbachhof. "Es tut richtig gut." Kontaktgruppe bietet Hilfen.

Kreis Rottweil - Die Reiterin streckt die Arme aus und atmet tief durch: "Es tut richtig gut", sagt sie und strahlt. Wie immer dienstags wird auf dem Staffelbachhof in Winzeln nicht einfach so geritten. Das Reiten ist Therapie für an Multipler Sklerose (MS) erkrankte Menschen aus dem Landkreis.

Nach der langen Winterpause freuen sich die Mitglieder der Selbsthilfegruppe "Amsel", dass das Treffen in der Araber-Reitschule auf dem Winzler Staffelbachhof nun wieder fester Bestandteil im Wochenprogramm ist. Unter freiem Himmel zieht Therapiepferd Neddor an diesem Tag geduldig und brav seine Runden, Reiterin Sylvia Bushart kann ohne Probleme ihre Bewegungsübungen machen. Neddor ist ungesattelt, so übertragen sich seine Wärme und die Schwingimpulse seiner Bewegungen auf die Muskulatur des jeweiligen Reiters. Verkrampfungen lösen sich, Schmerzen und Spastiken werden gelindert, die Atemtätigkeit und Durchblutung angeregt. Eine Helferin führt das Pferd, Therapeutin Krystyna Laskowski, die die Araber-Reitschule betreibt, gibt Hilfestellung und leitet die Übungen an.

Vom Reiterstüble aus schauen die anderen Mitglieder der Amsel-Kontaktgruppe zu und warten, bis sie an der Reihe sind. Die Stimmung ist gut, man plaudert, lacht, trinkt Kaffee und tauscht sich aus. "Diese Gemeinschaft ist uns ganz wichtig", sagt Anneliese Schrade, die die Geschicke der Kontaktgruppe seit 2007 leitet. Durch die MS-Krankheit ihres Mannes ist sie zur Gruppe gekommen und dabei geblieben. Etwa 90 MS-Kranke gibt es nach ihrer Kenntnis ungefähr im Landkreis, 20 von ihnen sind im Durchschnitt bei den Treffen der Kontaktgruppe dabei. Es gibt Seminare, Schulungen und neuste Informationen aus den Dachverbänden, zudem die Hippotherapie auf dem Staffelbachhof und einmal im Monat Atemtherapie im evangelischen Gemeindehaus in Trichtingen.

Anneliese Schrade ist es wichtig, auf die Arbeit der Kontaktgruppe aufmerksam zu machen. "Viele Betroffene warten zu lang, bis sie zu der Krankheit stehen und damit an die Öffentlichkeit gehen", weiß sie. Verunsicherungen im Umfeld sind die Folge, wenn nicht klar ist, wo der Grund für beispielsweise schwankende Schritte oder Sehstörungen liegt.

Die Multiple Sklerose ist eine Entzündung des zentralen Nervensystems, dabei entstehen im Gehirn und Rückenmark zahlreiche entzündliche Krankheitsherde, die eine Störung der Nervenbahnen herbeiführen. "Es ist ein gewaltiger Einschnitt in das bisherige Leben, wenn die Diagnose Multiple Sklerose lautet", erklärt Anneliese Schrade. Seit 1984 gibt es die Kontaktgruppe Rottweil, hier können sich Betroffene austauschen und ihre Erfahrungen teilen. Man spricht über Erfolge und Misserfolge, spricht sich Mut zu und stützt sich gegenseitig.

Zuspruch braucht an diesem Dienstag auch die nächste Reiterin. Sie kann sich nicht mehr aus eigener Kraft auf das Therapiepferd bewegen und muss mit einem Tragegurt nach oben befördert werden. "Du schaffst das", machen ihr andere Amsel-Mitglieder Mut. Als es geschafft ist, kann die Therapiestunde beginnen – und die Anspannung löst sich. "Leider wird die Hippotherapie von den Kassen in aller Regel nicht bezahlt", bedauert Anneliese Schrade, weshalb die Kontaktgruppe auf Spenden angewiesen sei. Die glücklichen Gesichter der Teilnehmer zeigen an diesem Tag jedoch, dass sich alle Anstrengung lohnt.

Weitere Informationen:

Amsel-Kontaktgruppe, Anneliese Schrade, Telefon 07428/82 26.