In diesem Haus soll der Angeklagte seinen Nachbarn im Juli 2013 getötet haben. Foto: kamera24.tv

Tödlicher Nachbarschaftsstreit in Wilflingen: Mutmaßlicher Mörder hatte bei extremer Hitze stundenlang nichts gegessen und getrunken.

Kreis Rottweil - Mitten im Ramadan ist ein gläubiger Muslim wohl zum Mörder geworden. Nun streiten Fachleute, ob der 39-Jährige durch die strengen muslimischen Fastenvorschriften so stark in seiner geistigen Zurechnungsfähigkeit geschwächt war, dass er für die Tat nur bedingt zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Ein Gutachter betont vor dem Landgericht Rottweil, wer mitten im Sommer den ganzen Tag nichts esse und trinke, sei am Abend womöglich nur noch bedingt Herr seiner Sinne. Den Angeklagten könnte das vor einer lebenslangen Haftstrafe bewahren. Doch die Angehörigen des Opfers wollen das nicht hinnehmen.

Der Streit zwischen den beiden Nachbarn in Wilflingen schwelte schon lang. Es ging um Grundstücksgrenzen, um die Müllentsorgung, um Umbauten und Durchfahrtsrechte. Doch im Juli 2013 eskalierte die Situation. Nachdem der 39-Jährige und sein 43-jähriger Nachbar wieder einmal aneinandergeraten waren, holte der langjährige Sportschütze laut Anklage eine Pistole aus seinem Waffenschrank, füllte sie mit Munition und schoss dann auf seinen Nachbarn. Acht von neun Kugeln trafen, das Opfer war sofort tot. Der Angeklagte kann sich nach eigener Aussage an die Tat zwar kaum noch erinnern, bestreitet sie aber auch nicht.

Angeklagter in Deutschland nur mäßig integriert

Der Prozess verlief zunächst ohne große Besonderheiten. Doch dann kam ein Gutachter zu Wort. Intensiv beschäftigte sich der Experte mit den kulturellen Hintergründen des Mannes, der praktizierender Muslim ist, nach vielen Jahren in Deutschland kaum Deutsch spricht und nur mäßig integriert ist.

Da sei zum einen der Ramadan. Im vergangenen Jahr lag er im Juli, wenn die Tage besonders lang und besonders heiß sind. Um 4 Uhr am Morgen hatte der 39-Jährige zuletzt gegessen und getrunken. Dann ging er arbeiten und war auch sonst den Tag über aktiv. Als es gegen 18 Uhr zu der Auseinandersetzung mit dem Nachbarn kam, sei der Mann stark unterzuckert und dehydriert gewesen, folgerte der Gutachter. Mindestens fünf Liter Wasser hätten dem Körper gefehlt - eine echte Belastung. In einer solchen Situation seien Menschen kognitiv oft nicht mehr voll dabei, sie seien reizbar und aufbrausend.

Hinzu komme, dass der Nachbar den 39-Jährigen und seine Familie wohl beleidigt habe. Für den Türken mit seinem kulturellen Hintergrund sei diese Beleidigung eine besonders schwerwiegende Kränkung gewesen, so dass er besonders extrem reagiert habe. Zusammen mit anderen psychischen Probleme führe das alles dazu, dass der Mann bei der Tat nur vermindert schuldfähig gewesen sei, so der Gutachter.

Doch dass der Angeklagte mit Verwies auf die Fastenzeit und seinen kulturellen Hintergrund mit einer vergleichsweise milden Strafe davonkommt, wollen die Hinterbliebenen des 43-Jährigen nicht akzeptieren. Ihre Anwälte äußerten am Dienstag massive Zweifel an dem Gutachten und wollen zentrale Punkte von einem weiteren Gutachter überprüfen lassen. Dass ein Mensch durch die Fastenzeit so schnell in seiner Zurechnungsfähigkeit beeinträchtigt werde, widerspreche den Erfahrungen erfahrener Ärzte.

Wie es in dem Prozess nun weitergeht, ist noch unklar. Die Richter wollen erst nächste Woche entscheiden, ob sie einen weiteren Gutachter zurate ziehen.