Kinderbetreuung ist ein großes Thema – erst recht seit 1. August, seit ein Rechtsanspruch für unter Dreijährige besteht. Foto: Reichel

Betreuungsquote für unter Dreijährige im Landkreis schwankt je nach Gemeinde zwischen über 52 und knapp 18 Prozent.

Kreis Rottweil - Beim Thema Kinderbetreuung braucht sich der Landkreis Rottweil im Landesvergleich nicht zu verstecken.

Seit 1. August besteht der Rechtsanspurch: 35,13 Prozent an Betreuungsplätzen müssten laut Bernd Hamann, Sozialdezernent im Landratsamt Rottweil, bis zum 31. Juli bei Umsetzung der bis dahin geplanten Maßnahmen geschaffen worden sein. Das heißt, dass knapp 36 Prozent aller unter Dreijährigen in einer Kinderkrippe, einem Kindergarten oder bei einer Tagesmutter versorgt werden können.

Allerdings setzt sich die von Hamann für den Landkreis ermittelte Versorgungsstand aus einer großen Bandbreite an Betreuungsplatzquoten in den einzelnen Gemeinde zusammen, die von 52,17 (Bösingen) bis 17,78 Prozent (Eschbronn) reichen. Da wundert sich nicht nur Kreisrat Winfried Hecht über die eklatanten Unterschiede. Die Nachfrage unserer Zeitung in der "Schlusslicht-Gemeinde" Eschbronn zeigt jedoch, dass die nackten Zahlen täuschen können. Im kleinen Eschbronn mit seinen rund 2100 Einwohnern ist laut Bürgermeister Franz Moser "bislang kein nachhaltiger Bedarf erkennbar", der beispielsweise den Bau einer Kinderkrippe rechtfertigen würde.

Für Eltern, die ihre unter dreijährigen Kinder betreuen lassen wollen, steht derzeit eine altersgemischte Gruppe im Kindergarten zur Verfügung. Eltern, die andere Anforderungen an die Öffnungszeiten haben, nutzen laut Moser teilweise auch das Betreuungsangebot in den Nachbar- gemeinden, "und wir beteiligen uns dort anteilig".

Um für die Zukunft gerüstet zu sein, habe die Gemeinde vor einigen Wochen eine umfassende Umfrage bei den Eltern im Ort gestartet. Ein erster Blick auf die Rückmeldungen habe gezeigt, so Moser, dass im ländlichen Bereich anscheinend doch noch mehr Mütter die Betreuung bis zum dritten Lebensjahr selbst übernehmen. Die genaue Auswertung der Ergebnisse liegt aber erst nach den Sommerferien vor. "Ergibt sich dann ein anderes Bild und besteht Bedarf, werden wir entsprechend reagieren."

Im Gegensatz zu Eschbronn rangiert Bösingen oben auf der Skala. Die 52,17 Prozent Betreuuungsquote sind selbst Schultes Alfred Weiss neu. Allerdings weiß er natürlich: "Wir haben keinerlei Warteliste." Sogar auswärtige Kinder werden in seinem Ort betreut. Für die 69 unter Dreijährigen in Bösingen gibt es ingesamt 20 Plätze in zwei Kleinkindgruppen, dazu kommen 16 in altersgemischten Gruppen.

Dass eine eher niedrige Quote noch lange nicht bedeuten muss, dass eine Kommune sich mit einem Betreuungsnotstand herumschlägt, erläutert auch der Lauterbacher Bürgermeister Norbert Swoboda mit Verweis auf die Situation in seiner 3000-Seelen-Gemeinde am Westrand des Landkreises. Zwar konnte man zum 1. August "nur" mit einer Versorgungsquote von knapp 26 Prozent aufwarten. Der Bedarf könne damit aber momentan absolut befriedigt werden, betonte Swoboda jüngst vor Kreisräten.

Sollte die Nachfrage doch irgendwann über die bestehende Plätzezahl hinausgehen, könne man rasch eine Lösung bieten, verweist der Schultes auf ein gutes Strategiepapier, mit dem quasi über Nacht weitere Plätze zur Verfügung gestellt werden könnten. So könnten durch die Vermeidung von Überkapazitäten im Moment erhebliche Kosten gespart werden.

Auch Sozialdezernent Hamann sieht die von der Politik festgelegte Quote von 34 Prozent als eine rein gegriffene Größe ohne Untermauerung genauer Bedarfszahlen. Für ihn ist aber klar, dass die Zahl der Betreuungsplätze weiter steigen wird. Der weiteren Entwicklung sehe man deshalb mit großer Spannung entgegen. Dies auch deshalb, weil Betreuungsansprüche wegen zu wenigen Plätzen gegenüber dem Jugendamt und nicht gegenüber der betroffenen Gemeinde einklagbar seien. Und das, gleich ob die Quote von 34 Prozent in einer Gemeinde, in der zu wenig Plätze reklamiert werden, erfüllt ist oder nicht. Da gebe es im Augenblick große Unsicherheiten. Auch Fragen wie weit ein Betreuungsplatz vom Wohnort entfernt sein dürfe, spielten bei der Befriedigung von Bedarfen eine gewichtige Rolle.

Wenn Hamann auf die niedrige Erfüllungsquote in Eschbronn blickt, dann sagt er auch, dass Problemlösungen in Gemeinden am Rande des Landkreises sich manchmal besonders schwierig gestalteten und Verbesserungen auch durch überörtliche Partnerschaften gelingen könnten. Andererseits wird von dieser Seite darauf verwiesen, dass der jeweilige Bedarf von den Gemeinden selbst ermittelt und wohl auch gewissenhaft der vorhandenen Nachfrage gegenübergestellt werde.

Eine ausreichende Zahl an Betreuungsplätzen bedeutet für Kreisrätin Ruth Hunds noch lange nicht, dass gute Bedingungen vorhanden sind. Die beschränkten Öffnungszeiten seien ein Problem. Bei ihrem Statement schwingt der Wunsch nach Möglichkeiten für eine Tagesmütter-Betreuung rund um die Uhr mit.

Mit oben beschriebenen Anstrengungen für eine "heile neue Welt" kann sich Kreisrat Bernd Richter (ÖDP) überhaupt nicht anfreunden. Mit einem Erziehungsgehalt sollte den Eltern eine echte Wahlfreiheit für die ersten drei Jahre ermöglicht werden. Bei diesem Plädoyer für Vorfahrt für eine Betreuung zu Hause sieht er sich im Landratsamts-Sitzungssaal ziemlich allein auf weiter Flur.