Symbolbild. Foto: dpa

Mordvorwurf: Verfahren zur Schlägerei am Tuttlinger Bahnhof zieht sich weiter in die Länge.

Kreis Rottweil/Tuttlingen - Weigert sich der Angeklagte weiterhin, den Gerichtssaal zu betreten? Das war die große Frage am 16. Prozesstag im Verfahren um den versuchten Mord, der sich kurz vor Weihnachten, im Dezember 2015, beim Tuttlinger Busbahnhof ereignet hatte.

Zwei Männer knüppelten damals einen 21-Jährigen halb tot. Der Hauptverdächtige, ein 37-Jähriger, gab entgegen seiner Ankündigung überraschend seinen Widerstand auf und erschien im Gerichtssaal.

Bereits während der vergangenen Tage hatte Verteidiger Bernhard Mussgnug Vorarbeit geleistet, um seinen Mandanten umzustimmen. Zudem besuchte ihn Karlheinz Münzer, der Vorsitzende Richter, am Freitag kurz vor Verhandlungsbeginn in der Vorführzelle und machte ihm klar, dass nur eine Anwesenheit im Gerichtssaal die Chance zur Verteidigung biete.

Der Angeklagte, so berichtete Münzer dann am Anfang der Sitzung, habe Einsicht gezeigt und seinen Widerstand unter anderem damit begründet, dass ihn die Dolmetscherin "teilweise falsch übersetzt" habe. An ihrer Stelle fungierte gestern ein Dolmetscher. Einer der Richter kam während einer Pause extra zur Pressebank zwecks Klarstellung: Das hänge mit terminlichen Zwängen zusammen, man habe nichts angeordnet, beteuerte er.

Verteidigung verlangt ein weiteres Gutachten

Dann deutete sich an, wie der Verteidiger seinen Mandanten zur Rückkehr zu überreden versucht hatte. Mussgnug wartete in einer sechsseitigen Erklärung mit einer Reihe neuer Beweisanträge auf: Wegen unterschiedlicher Einschätzungen des Landeskriminalamtes und des Sachverständigen Friedrich Wilhelm Rösing soll ein weiteres Gutachten eingeholt werden, um zu klären, ob die beiden Angeklagten auf einer Video-Sequenz des Parkhauses Innenstadt zu erkennen sind. Mussgnug: "Aufgrund der schlechten Qualität dieser Aufnahmen ist das nicht möglich." Das Gericht soll den Tatort besichtigen, um zu erkennen, dass in einer Überwachungskamera des Restaurants "Meviana" zu sehen ist, dass eine Person in Richtung Rathaus flüchtete.

Die Untersuchung von DNA-Spuren einer Zigarettenkippe soll nachweisen, dass nicht die beiden Angeklagten die Täter sind, sondern – wie von einem Zeugen berichtet – zwei andere Männer. Deren Identität soll durch eine Überprüfung von Fotos geklärt werden. Dem schloss sich Sophie Bechtold, die Verteidigerin des zweiten Angeklagten, ein 34-Jähriger, an; sie kündigte weitere Anträge an.

Postwendende Ablehnung kam von Staatsanwältin Michelle Mayer. Sie erklärte, Zeugen hätten die Angeklagten zweifelsfrei erkannt, die Video-Sequenz vom Parkhaus reiche aus, der Gutachter Professor Rudolf Staiger (Bochim) habe die Auffassung seines Kollegen Rösing bestätigt, die Version von Mussgnug sei "fernliegend". Das sah auch Nebenkläger Stefan Klett so, der das 21-jährige Opfer vertritt. Der junge Mann leidet bis heute schwer an den Folgen.

Die Suche nach dem Mann, den Anwalt Mussgnug als Täter verdächtigt, war nur zum Teil erfolgreich: Man habe den Gesuchten zwar in Italien ausfindig gemacht, doch er habe am Telefon erklärt, er werde nicht vor Gericht erscheinen, sondern nach Spanien gehen, dann sei das Gespräch abgebrochen, berichtete ein Kriminalbeamter.

Der psychiatrische Gutachter Charalabos Salabasidis blieb auf Nachfrage von Richter Münzer bei seinem Befund des vierstündigen Gutachtens: Beide Angeklagten litten an psychopathischen Persönlichkeitsstörungen. Eine verminderte Schuldfähigkeit sei "nicht auszuschließen". Von beiden werde weiterhin eine Gefahr ausgehen. Nicht festlegen wollte er sich, ob eine Sicherungsverwahrung nötig sei.

Der Prozess, der am 9. September des vergangenen Jahres begonnen hat, verzögert sich weiter. Das Gericht hat den nächsten Verhandlungstag – es ist der 17. – auf den 6. März angesetzt. Das ist die gerade noch zulässige Frist zwischen zwei Terminen. Karlheinz Münzer, der Vorsitzende Richter, nennt als Grund Terminprobleme der Prozessbeteiligten. Die Schwurgerichtskammer hätte gerne zügiger fortgesetzt. Sie sei an einem baldigen Abschluss interessiert.

Erst am 6. März nächster Verhandlungstag

Bei einer weiteren Verzögerungen hätte man an einem Samstag verhandeln müssen. Bisher sind noch der 10. und 17. März als Verhandlungstage vorgesehen. Ob dann das Urteil gefällt werden kann, ist bisher offen.