Gerhard Gaiser Foto: Archiv

Kreisrat folgt auf nicht mehr gewählten Reiner Ullrich. Kreisvorsitzende Viviana Weschenmoser über Lage der Partei.

Kreis Freudenstadt - Andrea Nahles weg, Reiner Ullrich weg. Wie geht die SPD im Kreis Freudenstadt mit dem Verlust der Fraktionsvorsitzenden in Bundestag und Kreistag um? Im Interview äußert sich die Kreisvorsitzende Viviana Weschenmoser.

Frau Weschenmoser, wie lustvoll ist es in Tagen wie diesen, Vorsitzende der Kreis-SPD zu sein?

Macht immer noch hammermäßig Spaß. Es ist und bleibt eines der abwechslungsreichsten Ehrenämter, die ich mir vorstellen kann. Die SPD ist vor allem in den Kommunen stark, so auch hier im Kreis. Wir geben die sozialen Töne an. Am Wohnort merken wir als Gesellschaft am ehesten, wo der Schuh drückt, und können zumindest Angebote machen: Kita-Gebühren abschaffen, den ÖPNV ausbauen, sozialen und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Mit den Genossinnen und Genossen vor Ort setze ich mich irre gerne dafür ein.

Was halten Sie vom Rücktritt von Andrea Nahles?

Unglücklich gelaufen, aber konsequent. Sie stellte fest, dass sie nicht mehr den Rückhalt hatte, den sie zum Führen brauchte, und entschloss sich dann zurückzutreten. Sie hat sehr viel Herzblut und Arbeit in die sozialdemokratische Politik gesteckt und für ein solidarisches Deutschland gekämpft. Das verdient Respekt und Dank. Die Probleme der SPD verantwortet sie nicht alleine, diese bahnten sich schon seit zehn Jahren an. Sie konnte die Baustellen nicht beseitigen, ihre Vorgänger jedoch auch nicht. Es haben sich darüber hinaus auch einige Kollegen ihr und der Partei gegenüber ziemlich daneben benommen. Das geht gar nicht. Wer so unsolidarisch und unprofessionell ist, kann nicht damit rechnen, weiter von der Basis gestützt zu werden. Ich hätte mir jedoch gewünscht, der Rücktritt wäre anders organisiert worden.

Wie lange hält die GroKo?

Bis Ende des Jahres. Sie wird schon viel zu lange künstlich am Leben gehalten. Der SPD-Kreisverband sprach sich von vorneherein gegen eine erneute Regierungsbeteiligung mit der Union aus. Ich hätte gerne Unrecht gehabt, aber es kam doch so, wie von uns befürchtet: Eine Erneuerung und Stärkung der Inhalte und Struktur war und ist in der GroKo nicht möglich. Viele ehemalige Verfechter der Koalitionsidee sehen das mittlerweile auch anders. Das ist zwar schön, aber die Einsicht kommt spät. Gute Regierungsarbeit konnte erneut nicht gut kommuniziert werden, und schwache Kompromisse haben immer nur am Image der SPD gekratzt. Ich denke, spätestens zum Parteitag im Herbst werden die Mitglieder der SPD die Halbzeitbilanz der Regierung wie oben beschrieben bewerten, und dann wird eine neue Regierungskonstellation notwendig werden.

Wer soll nach Ihrem Gusto Partei- und Fraktionsvorsitz übernehmen?

Diejenigen, die linke Sozialdemokratie verkörpern und umsetzen können. Den Parteivorsitz: die Person oder die Personen, die wieder zu einer Mitte-links-Politik zurückkehren. Inhalte müssen bestimmt und danach das Personaltableau ausgerichtet werden. Dasselbe gilt für den Fraktionsvorsitz. Ich halte es für gut, dass übergangsweise Rolf Mützenich die Fraktion leitet.

Stichwort Fraktionsvorsitz: Wer tritt im Kreistag die Nachfolge von Reiner Ullrich an, der den Wiedereinzug verpasst hat?

Ich freue mich sehr, berichten zu können, dass mein guter Freund und der überaus erfahrene Kommunalpolitiker Gerhard Gaiser den Fraktionsvorsitz übernehmen wird. Seine Expertise und sein hohes Maß an Einsatzbereitschaft werden der Fraktion und dem Kreistag zu Gute kommen. Ich freue mich mega über die Entscheidung und danke an dieser Stelle Reiner Ullrich, der die letzten fünf Jahre den Posten ebenfalls sehr gewissenhaft ausgefüllt hat.