Karlsruhes Polizeipräsident Günther Freisleben hält auch mit kritischen Worten nicht hinter dem Berg. Foto: Fritsch

Chef des Karlsruher Polizeipräsidiums sieht auch Positives an der Polizeireform. Oft nicht weit vom Kritiker Blenke entfernt.

Kreis Calw/Karlsruhe - Er kann der Polizeireform manches Gute abgewinnen. Doch der Karlsruher Polizeipräsident Günther Freisleben weiß auch, dass das Projekt seine Schwächen hat. Und wenn es darum geht, diese anzusprechen, hält er nicht hinter dem Berg. Und ist da in manchen Punkten gar nicht so weit von einem großen Kritiker der Reform entfernt: Thomas Blenke.

Gerade einmal ein halbes Jahr ist Freisleben erst im Amt an der Spitze des Karlsruher Polizeipräsidiums. Und er ist richtig motiviert, will immer optimale Leistung bringen. Und wenn er so auf sein Präsidium blickt, ist er auch durchaus zufrieden mit dem, wie sich das im Zuge der Polizeireform entstandene Polizeipräsidium entwickelt hat.

Als erstem Punkt fallen ihm da die Spezialisten – wie etwa die Kriminaltechniker – ein. Die seien deutlich professioneller am Werk als früher. Und obwohl die Spezialisten schwerpunktmäßig in Karlsruhe sitzen, sei man da dezentral aufgestellt. Denn in jedem Revier tun laut Freisleben so genannte Prio-Beamte Dienst, die die Spezialisten-Aufgaben vor Ort erledigen können. Für die langen Anfahrtswege der Spezialisten im großen Präsidium hat Freisleben eine interne Lösung gefunden. Können die Karlsruher Spezialisten nicht in der vorgeschriebenen Interventionszeit am Tat- oder Unfallort sein, dann können sie ihre Kompetenzen kurzfristig an die Kollegen vor Ort delegieren. Ergebnis sei, dass die Interventionszeiten "akzeptabel" seien.

"Das haben wir dem Einsatz der Kollegen zu verdanken"

Zu verdanken habe man das aber nicht nur der Organisation. "Das haben wir dem Einsatz der Kollegen zu verdanken", sagt Freisleben bei einem Redaktions-Gespräch in Nagold. Das Karlsruher Präsidium liege zum Beispiel beim Anteil der Verkehrsunfälle, die durch die neue, spezialisierte Verkehrsunfalleinheit aufgenommen werden, auf Platz zwei, Sprich nirgendwo im Land nehmen die Spezialisten mehr schwere und schwerste Verkehrsunfälle auf als im städtischen Präsidium Stuttgart gefolgt vom städtisch-ländlich strukturierten Präsidium Karlsruhe.

Auch die deutlich höhere Aufklärungsquote spreche für die Beamten – "und auch nicht gegen die Führung des Präsidiums", wie Freisleben mit einem Lächeln anmerkt. "Wir haben also einiges erreicht und es wird auch noch einiges besser werden," resümiert der Polizeichef.

Also alles eitel Sonnenschein? So weit geht Freisleben denn doch nicht. Schon vor der Polizeireform hatte sich der Beamte, der auch lange im Auslandseinsatz auf dem Balkan war, kritisch mit Aspekten der Reform auseinandergesetzt. Dabei ging es ihm nicht um die Notwendigkeit einer Reform an sich. "Eine Organisationsänderung musste ohnehin kommen", so Freisleben. "Die Polizeidirektion Calw war zum Beispiel zu klein, um effektiv arbeiten zu können", erinnert er sich. Das komplette Gegenteil ist da das heutige Polizeipräsidium Karlsruhe. "Manchmal erschlägt mich die Größe des Präsidiums", gibt Freisleben zu, sei Karlsruhe doch für ein Gebiet zuständig, in dem mehr Menschen leben als im Saarland.

Und da liegt für Freisleben auch der Hase im Pfeffer: Soll die Polizei kleinteilig föderalistisch oder zentralistisch in großen Einheiten organisiert sein? "Das Optimum liegt wahrscheinlich in der Mitte", so Freisleben, der dafür plädiert, sich stärker dezentral aufzustellen wie es heute der Fall ist. Und nur das zentral zu erledigen, was zentral auch am besten zu erledigen sei. Um an dieser Schraube drehen zu können, fordert der Karlsruher Präsident im Gespräch mit unserer Zeitung auch vom Ministerium in Stuttgart mehr Gestaltungsfreiheit vor Ort.

Die Größe des Präsidiums ist auch der Punkt, an dem der Präsident nicht weit von Thomas Blenke, CDU-Landtagsabgeordneter und innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, entfernt ist. Der wird nicht müde zu betonen, dass die Polizei jetzt zu großteilig strukturiert und weiter weg vom Bürger gerückt sei.

Von mehr Streifenpolizisten ist auch nur auf dem Papier zu lesen

Die Reform sei "grundlegend falsch angelegt", sagt Blenke. Und sie erreiche ihre Ziele nicht. Innenminister Gall habe als Ziel 1000 Beamte mehr ausgegeben. Doch derzeit seien es nur 146 Stellen mehr, die geschaffen worden seien. Und das sei noch nicht einmal maßgeblich auf die Reform zurückzuführen, sondern auf Maßnahmen, die zum Ausgleich der Pensionierungswelle ab 2016 getroffen worden seien. Auch von einem Mehr an Streifenpolizisten sei nur auf dem Papier zu lesen, so Blenke.

Und wie sehen die Beamten vor Ort die Reform? Konkrete Umfragen gibt es keine, aber eine aufschlussreiche Wahl. Bei der Wahl zur Mitarbeitervertretung im Präsidium erreichte die reformkritische Deutsche Polizeigewerkschaft eine Zweidrittelmehrheit. "Da hat das Polizeivolk ein klares Wort gesprochen", stellt Blenke zufrieden fest, der auf die Frage, was eine CDU-Regierung an der Reform ändern würde, zurückhaltend reagiert. Korrekturen nur da wo krasse Defizite herrschen, eine Evaluation und eine maßvolle Erhöhung bei der Zahl der Präsidien, nennt der Abgeordnete als Maßnahmen.

Auch wenn Blenkes Kritik an der Reform scharf ist, sie richte sich nur auf die politische Umsetzung, nicht gegen die Beamten vor Ort, betont der Mann aus Gechingen. Die Polizisten hätten vor der Reform ihre Arbeit gut und mit Motivation erledigt. Und daran habe sich durch die Reform auch nichts geändert.

Und da ist er wieder ganz nah beim Polizeipräsidenten Günther Freisleben.