Aus Sicht der Bürgerinitiative ist die geplante Sanierung des Nagolder Krankenhauses "die schlechteste Variante". Foto: Bernklau

Kritiker aus Calw halten GÖK-Gutachter für nicht mehr tragbar. "Richtige Lösung wäre Zentralklinik in der Mitte des Landkreises gewesen".

Kreis Calw - Scharfe Kritik am Kreistagsbeschluss zur Umsetzung des Klinikkonzeptes "3+" kommt von der Bürgerinitiative pro Krankenhäuser. Darüber hinaus bezweifeln die Akteure der Initiative, dass sich eine umfangreiche Sanierung des Nagolder Krankenhauses überhaupt lohnt. Stattdessen bringen sie einen kompletten Neubau in Nagold ins Spiel.

Wer gedacht hat, dass der vor drei Wochen gefasste Umsetzungsbeschluss des Kreistags für das Klinikkonzept "3+" die Kritiker aus dem Calwer Raum verstummen lassen würde, der hat sich gründlich getäuscht.

Neufang: "Risse ist ein echter Märchenonkel"

Vielmehr legen Bernd Neufang, Ewald Prokein und Eberhard Bantel, führende Köpfe der Bürgerinitiative, sogar noch einen drauf und greifen das GÖK-Klinikgutachten und den Gutachter selbst frontal an: "Der Gutachter Jörg Risse ist ein echter Märchenonkel und schlicht nicht mehr tragbar", ätzt Bernd Neufang in Richtung der GÖK. "Alle seine Annahmen haben sich bisher als falsch erwiesen." Auch die Plausibilisierung des Klinikkonzeptes durch die Wirtschaftsprüfer von Price Waterhouse Coopers ziehe die Annahmen von Risse und GÖK in Zweifel, so Neufang weiter.

Eben jene Plausibilisierung sei im Rahmen der Kreistagssitzung auch viel zu wenig in die Entscheidung des Kreistags eingeflossen. Das sei auch rein praktisch gar nicht möglich gewesen, da sie den Räten in ihrer vorläufigen Fassung erst drei Tage vor der Sitzung zugegangen sei. "Es wäre sauberer gewesen, wenn die Räte die Einschätzungen der Leute von Price Waterhouse Coopers gründlich hätten prüfen können", sagt Ewald Prokein, für den eine Vertagung der Entscheidung der logische Schluss gewesen wäre. So hätten die Räte nun einen "übereilten Beschluss" gefasst, der zudem nur auf einer vorläufigen Fassung eines Gutachtens fuße.

Die Kritik der Bürgerinitiative ist freilich nicht nur formaler, sondern auch ganz konkreter Natur – und sie zieht Grundpfeiler des Klinikkonzeptes in Zweifel.

"Einzig richtige Lösung wäre Zentralklinik in der Mitte des Landkreises gewesen"

Ein Grund dafür ist die geplante Flugfeldklinik, die für gut eine halbe Milliarde zwischen Böblingen und Sindelfingen entstehen soll. Es mache erst Sinn über die Zukunft der Krankenhäuser in Calw und Nagold zu entscheiden, wenn sicher sei, dass die Flugfeldklinik auch tatsächlich gebaut werde, so Neufang im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten. Für ihn sei diese Entscheidung nämlich noch nicht endgültig gefallen.

Ein weiterer Grundpfeiler des Klinikkonzepts, den die Bürgerinitiative in Zweifel zieht, ist die geplante umfangreiche Sanierung des Nagolder Krankenhauses. "Das ist die schlechteste Variante", sagt Neufang, der klar benennt, was aus seiner Sicht eine gute Lösung wäre: "Ein kompletter Neubau in Nagold wäre die einzige wirtschaftliche Lösung." Doch diesen Vorschlag würde die Initiative nur unter einer Bedingung befürworten: "Dass Calw in adäquater Weise nachziehen kann", so Ewald Prokein. Bernd Neufang geht sogar noch einen Schritt weiter und benennt die aus seiner Sicht beste Variante zur Lösung der Klinikprobleme im Kreis Calw. "Die einzig richtige Lösung wäre ein neues Zentralkrankenhaus in der Mitte des Landkreises gewesen."

Abgesehen von solch fundamentalen Punkten erhält die Bürgerinitiative auch ihre Kritik an der Verlagerung der Orthopädie von Calw nach Nagold aufrecht. "Ohne eine Spezialabteilung wie die Orthopädie ist das Calwer Krankenhaus auf lange Sicht nicht überlebensfähig", wiederholt Eberhard Bantel ein schon oft gehörtes Argument. "Die Orthopädie ist für das Überleben der Calwer Klinik einfach essenziell", so Bantel weiter.

Die vor allem im Calwer Raum stark vertretene Bürgerinitiative hat freilich nicht nur kritische Worte für Klinikkonzept, Klinikverbund und Landkreis Calw übrig. So zeigt man sich sehr zufrieden damit, dass man im Medizinkonzept für Nagold statt Zwei- und Dreibett-Zimmern jetzt ausschließlich Zweibett-Zimmer vorsieht.

Schreckgespenst ist vertrieben

"Wir waren es, die diesen Vorschlag erstmals in die Diskussion eingebracht haben", erinnert sich Bernd Neufang, der in diesen Tagen auch lobende Worte für Calws Landrat Helmut Riegger und Elke Frank, Geschäftsführerin des Klinikverbunds Südwest, übrig hat. Das hat seinen Grund in den Vorgängen rund um die Geburtshilfe in Calw. Die wird jetzt nicht mehr als Belegabteilung sondern als Hauptabteilung mit eigenem Chefarzt geführt (wir berichteten).

Für ihren erfolgreichen Einsatz für die Calwer Geburtshilfe gebühre Riegger und Frank ausdrücklich Dank. Die gefundene Lösung sei ein wichtiges Zeichen, dass es mit der Calwer Geburtshilfe weitergehe, lobt Neufang. Damit sei das Schreckgespenst Nagold – dort wurde die Geburtshilfe nach ähnlichen Problemen geschlossen – vertrieben. "Der Erhalt dieser Abteilung", so Neufang, "ist für den Versorgungsauftrag der Calwer Klinik enorm wichtig."