Der Landkreis will sich aus wirtschaftlichen Gründen von einigen seiner Flüchtlingsunterkünfte trennen. Foto: Archiv

Kreis denkt über Schließung und Verkauf mehrerer Einrichtungen nach. SPD: Chance nutzen.

Kreis Calw - Nachdem die große Flüchtlingswelle abgeebbt ist, denkt der Kreis darüber nach, sich von mehreren Asylbewerberunterkünften zu trennen. Für die SPD könnte dies der Türöffner sein, um in den von den Genossen seit Langem geforderten sozialen Wohnungsbau einzusteigen.

Landrat Helmut Riegger erinnerte in der jüngsten Sitzung des Bildungs- und Sozialausschusses an die "mehr als dramatische Situation" zum Jahreswechsel 2015/26, als jeden Monat 400 Flüchtlinge im Kreis ankamen, heute seien es noch 25. Und obwohl der Landkreis "jeden Pfennig viermal umgedreht" habe, seien die Flüchtlinge im Kreis Calw besser untergebracht gewesen als in anderen Landkreisen.

Dafür gab’s auch Lob von außen: Sozialdezernent Norbert Weiser berichtete von Vertretern der Robert-Bosch-Stiftung, die nicht nur die Unterbringung im Kreis Calw "bemerkenswert" gefunden hätten, auch eine solche Stimmung in den Unterkünften wie hier hätten sie laut Weiser "noch nicht erlebt".

CDU-Kreisrat Jochen Borg pflichtete mit Blick auf die positiven Erfahrungen in seiner Heimatstadt Bad Wildbad mit der dortigen Kreiserstaufnahmestelle (KEA) bei: "Es war richtig stark, was hier geleistet wurde." Landrat Riegger gab Borgs Lob umgehend zurück: "Das hat nur funktioniert, weil Bad Wildbad so gut mitgespielt hat." Längst hat die KEA indes ausgedient, war nur drei Monate – von Januar bis März 2016 – in Betrieb. Angemietet hat der Kreis die Soccer-Halle aber für drei Jahre. Einen Nachmieter sucht der Kreis bislang vergebens.

Kreis will mehrer Unterkünfte schließen

Es ist nicht die einzige Unterkunft, von der sich der Kreis trennen will, um Überkapazitäten abzubauen. So ist auch die Gemeinschaftsunterkunft Langwiesenweg 11 in Bad Wildbad mit 61 Plätzen zwischenzeitlich geräumt. Die Investitionen des Kreises sollen durch den Abbruch des Gebäudes und den Verkauf des Geländes als Bauplätze refinanziert werden. Ähnlich könnte auch mit dem Heim in Gechingen verfahren werden, falls die Gemeinde selbst kein Interesse hat, die Unterkunft für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen zu nutzen.

Auf der Streich-Liste stehen auch die vier Heime in Calw im Speßhardter Weg 40, in der Hengstetter Steige 14, in der Oberriedter Straße 3 auf dem Wimberg und in der Eduard-Conz-Straße 3/1. Auch die Unterkünfte in Schömberg in der Hugo-Römpler-Straße 21 und in Dobel in der Wildbader Straße 12 zählen zu den Überkapazitäten. Sozialdezernent Norbert Weiser warnte aber vor vorschnellen Entscheidungen: "Vor zweieinhalb Jahren haben wir noch händeringend gesucht. Wir wissen nicht, wie die Lage sich entwickelt. Erdogan ist ein schwieriger Partner, und man weiß nicht, was in Afrika passiert."

Seiner Meinung nach müsse man 700 bis 800 Plätze im Kreis dauerhaft vorhalten. Derzeit seien von den einst 2400 Flüchtlingen, die im Kreis aufgenommen worden seien, noch 700 in der vorläufigen Unterbringung – "mit fallender Tendenz." Von den Heimen, die man im Nagoldtal gebaut oder erworben habe, wolle man sich aber nicht trennen, so Weiser.

SPD-Kreisrat Lothar Kante plädierte dafür, die Liegenschaften, die nicht mehr zur Unterbringung der Flüchtlinge gebraucht würden, nicht einfach höchstbietend zu verkaufen, sondern hier stattdessen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen: "Hier hätten wir etwas, das wir in den Hut werfen könnten."

Für Landrat Helmut Riegger "ein interessanter Aspekt". Bei den Verhandlungen sei das Landratsamt indes "nicht allein der Player", auch das Land sei mit im Boot. Riegger will nun intern prüfen lassen, was es kostet, wenn der Kreis selbst als Investor einsteigt und einen Bestand an billigem Wohnraum aufbaut. "Ich wäre bereit", erklärte der Kreischef, "das auf unsere Kappe zu nehmen."