Foto: Szymanski

Straffe Pizzicati, Doppeltöne, Scratchen, verziehen, stöhnen, fast nicht mehr hörbare hohe Töne, Fröstel-Glissandi, unglaubliche Breaks von zart zu knallhart, schräge Oktavensprünge, klopfen mit dem Bogen: Ist das noch Cello-Musik oder soll man weglaufen?

Alle, die einen Stuhl in der Balinger Zehntscheuer ergattert haben, bleiben sitzen, halten den Atem an und spenden begeistert Applaus für diese Serenade des zeitgenössischen Komponisten Hans Werner Henze. Beschert hat dieses atemberaubende Musikerlebnis die Cello-Musiklehrerin Ellen Winkel-Lim beim Benefiz-Konzert der Jugendmusikschule.

Es stellt nicht den einzigen Höhepunkt dar, den die Musiklehrer zelebrieren. Wie elegant und leichtfüßig eine Bass-Posaune klingen kann, hat Junior Mamani-Ramos ausgearbeitet. Während der aus Peru Stammende an der Suite Nr. 1 von Bach fast scheitert, weil das Instrument dafür zu sperrig klingt und so bestenfalls Bach als Essenz zu hören ist, baden die Zuhörer bei Salut d’amour von Edvard Elgar in feiner melodischer Kultur und der festlichen Kraft der Posaune von hauchzarten hohen bis zu Pedaltönen, jenseits des Contra-B. Der Schlusston blieb minutenlang stehen im Raum – einfach betörend. Am Klavier begleitete Gaia Luce Gervasini den Posaunenlehrer.

Carla Frick kann Klassik und Musical

Zu Gast auch Gesangslehrerin und vielbeschäftigte Sängerin in vielen Sparten, Carla Frick. Sie kann Klassik – ein Werk von Pergolesi – aber auch Musical, nämlich das hübsche Stück Practically Perfect aus Mary Poppins. Mit Dimitris Theologitis am Klavier begleitet, lässt es sich bei ihrer stimmlichen Strahlkraft und dem reichen klanglichen Profil ihres Soprans ganz ohne Mikro schlemmen.

Auf einem Stuhl hielt es Bastian Greschek übrigens nicht. Stehend wiegte der Musikschulleiter sich zu den außergewöhnlichen Darbietungen seiner Kollegen. Er bedankte sich beim Förderverein, zu dessen Gunsten dieses Konzerts stattgefunden hat: „Es ist eine wunderbare Einrichtung, die uns beisteht und fördert.“ Lobesworte findet er auch für seine Kollegen, „die tief drinnen Künstler-Persönlichkeiten sind, und nun ihr Können in dieser tollen Atmosphäre ausleben dürfen.“

Ungewöhnliches Klangspektrum

Schon der Beginn wies auf das Thema dieser Matinee hin: nicht oft bespielte Stücke mit hohem Anspruch wie das Divertimento für Bläserquintett von Willy Hess. Das beschwingte Stück klassischer Moderne bietet ein ungewöhnliches Klangspektrum mit Ute Hargina-Ullrich an der Querflöte, Ludwig Schneider an der Oboe, Aileen Nikol am Horn, Eva Maria Ferber am Fagott und Adrian Ullrich an der Klarinette. Dieser ist noch einmal zu hören als Solist beim Klarinetten-Konzert Nr. 3 B-Dur von Carl Stamitz mit Lucia Binder am Klavier.

Nur mehr Stühle haben gefehlt

Der erste Satz klingt ähnlich lieblich wie das berühmte Klarinetten-Konzert in A-Dur von Mozart, während Ullrich im zweiten Satz (Rondo) die technischen Möglichkeiten dieses Holzblasinstruments ausreizen kann: das wirbelnde Klangspektrum, die ausgezierten Figuren und rastlosen aber auch biegsamen Formideen. Den krönenden Abschluss gestalten Anita Arbesser an der Violine, Ramona Merk am Akkordeon, Elena Fisch am Piano, Adrian Ullrich an der Klarinette und Andreas Bott am Bass mit Werken des unvergleichlichen Astor Piazolla mit den Preziosen S’il Vous Plait und Adios Nonino. Wundervoll diese Tango-Stimmung und das ungewohnte Klangerlebnis aufgrund der mitwirkenden Instrumente, bei dem die Geige frech sein darf oder das Klavier feurig mit Finger-Läufen. Wieder einmal ein außerordentlich gut besuchtes Konzert der Extraklasse in der Scheuer, bei dem nichts fehlte, außer endlich mehr Stühle.