Foto: Schwarzwälder-Bote

Niedriger Milchpreis trifft auch Kirnbacher Landwirt. 5,40 Euro für drei Arbeitsstunden.

Kirnbach - Steil schlängelt sich der Weg durch den Wald bergauf. Irgendwann nach zahllosen Kurven und Kehren lichten sich Tannen und Fichten und die Fotovoltaikanlagen auf den Dächern des Kirnbacher Morgethofs glitzern in den ersten Sonnenstrahlen. Dort, wo ihr Licht sich an der dunklen Wolkenwand bricht, entsteht ein Regenbogen und ziert die Aussicht über den Schwarzwald, an der sich die Aberles auch an diesem Morgen beim Blick aus der Stalltür erfreuen.

"Mit der Milch verdienen wir schon lange nichts mehr", meint Hans Aberle, der auch im Ruhestand noch jeden Morgen und Abend mit seiner Frau Hilda den Stall mit den fünf Milchkühe macht. 1,5 Stunden dauert jeweils das Melken. Da eine Kuh am Vortag ein Kälbchen bekommen hat und dieses ihre Milch braucht und eine andere großträchtig ist und damit auch nicht gemolken werden kann, kommen von den drei Kühen an diesem Morgen 20 Liter zusammen. Bei einem Preis von aktuell 27 Cent pro Liter macht das 5,40 Euro für drei Arbeitsstunden. Quasi ein Ein-Euro-Job ist das – nach Abzug der Energiekosten. Alle zwei Tage muss die Milch noch zum Tankfahrtzeug ins Tal gebracht werden.

Doch die Aberles möchten die Milchviehwirtschaft noch machen, so lange sie können. Sie seien Idealisten und würden dies für die Offenhaltung tun. Junior Bernd Aberle sagt dagegen: "Nein." Wenn seine Eltern die Kühe nicht mehr versorgen können, überlegt er sich von Milch- auf Mutterkuhhaltung zu wechseln oder die Rinderhaltung ganz aufzugeben. Wie dann die Landschaft und der freie Blick offen zu halten ist, möchte er sich noch überlegen: mit Mähen, Heu machen oder vielleicht mit Gras heizen?

Im Brotberuf ist der Junior als Ingenieur bei einer Firma im Kinzigtal angestellt und aktuell in Elternzeit. Seine Frau Angelina arbeitet als Eingliederungshelferin für Kinder mit Behinderung. Da die Eltern mittlerweile in Rente sind, läuft die Nebenerwerbslandwirtschaft auf die Hofnachfolger.

"Man sagt immer, die Milchmischbetriebe finanzieren sich quer, aber das sollte eigentlich nur in einer Übergangssituation so sein", rechnet der junge Nebenerwerbslandwirt vor. Denn wären da nicht die Einnahmen aus Ferienwohnungen und Fotovoltaik, die Milchviehhaltung wäre ein reines Draufzahlgeschäft.

Seit zum 1. April 2015 EU-weit die Milchquote abgeschafft wurde, sieht Senior Aberle alles zusammenbrechen. "Die Kleinen werden kaputt gemacht", findet der Kirnbacher. Die Politik wolle billige Lebensmittel und Weltmarktpreise. Dass er seit 2014 kein Bio-Siegel mehr hat, weil er die Kühe im Winter nicht täglich zwei Stunden raus und über die glatte Straße treiben will, halbiert fast seinen einstigen Literpreis von 47 Cent. Dass dagegen ein Bio-Zertifikat aus China hierzulande akzeptiert wird, versteht er nicht.

Zur aktuellen Krise hätte auch die Zuschusspolitik beigetragen: Beispielsweise der Bau von großen Ställen würden mit bis zu 30 Prozent gefördert. Eine Investition müsse sich dann rentieren und so würde leistungsstarke Rassekühe in diesen Riesenbetrieben dank Kraftfutter immer mehr Milch geben.

Während seine mit Gras und Heu gefütterten Vorderwälder eine Jahresleistung von 3500 Liter haben, würden diese Tiere 7000 und mehr Liter Milch pro Jahr geben. Seine Tiere leben teils bis zu einem Alter von 16 Jahren auf dem Morgethof. Die Artgenossen in den großen Ställen seien oft nach vier Jahren "ausgesaugt" und könnten nur noch zu Hackfleisch verarbeitet werden. "Den Milchpreis muss man auch geopolitisch sehen", findet der Junior. Das Kraftfutter werde beispielsweise in Südamerika angebaut, lauge dort die Böden aus und führe hier zu einer Überversorgung mit Nitraten.

Senior- und Juniorbäuerin sehen auch die Zwickmühle der Kollegen mit Großbetrieben: Wegen "des Mordsstalls" müsste ein "Mordsdarlehen" bedient werden. Der niedrige Milchpreis würde sie zu noch mehr Milchproduktion und Kraftfuttereinsatz zwingen. Und auch nicht jeder Verbraucher könne ein Euro und mehr pro Liter Milch zahlen.

Was die Lösung für das Preisproblem ist, da sind sich Vater und Sohn nicht ganz einig. Während der Senior die Quote gerne wieder hätte, lehnt der Junior diese planwirtschaftliche Marktregulierung ab. Er könnte sich vorstellen, dass die Molkereien gegenüber den Großproduzenten klarer Position beziehen und nur eine festgesetzte Menge Milch abnehmen. Die jüngsten 100 Millionen Euro Soforthilfe und die Steuererleichterungen würden für die Schwarzwaldbauern völlig ins Leere laufen. Davon würden wieder einmal nur die Großbetriebe profitieren.

"Die Zuschüsse werden aus dem wenigen Steuergeld gezahlt, das wir dank der anderen Standbeine wie Fotovoltaik oder Ferienwohnungen überhaupt erwirtschaften", so der Senior. Beide sind sich einig: "Die Milchmenge muss runter, egal wie." Oder jeder Bundesbürger müsse fünf Joghurts morgens frühstücken, so der Junior. Gut sei immerhin, dass die heimische Molkerei bundesweit mit den besten Milchpreis pro Liter zahlt.

Doch die Abrechnung vom April lässt etwaige Freude über den überdurchschnittlichen Tarif schnell verrauchen: Für 711 Liter Milch wurden von der Molkerei 254,47 Euro überwiesen – vor Steuern versteht sich. Der Grundpreis pro Liter war mit 30 Cent im April besser als jetzt. Aberles bekommen für das hohe Fettgehalt von 4,2 Prozent in ihrer Milch noch 1,59 Cent pro Liter oben drauf. Genauso wie eine Eiweißkorrektur von 0,53 Cent. Das gab im April einen Literpreis für Morgethofmilch von 32,12 Cent. 45 Cent pro Liter sollten die Milchbauern haben. Trotzdem würden die im Schwarzwald laut Senior Aberle dann noch keinen Gewinn machen. Noch seine Eltern hätten den Hof im Vollerwerb bewirtschaftet und mit ihren Kindern davon leben können. Heute wäre dies nicht mehr möglich. Ganz ausgeschlossen wäre es, als Quereinsteiger mit Milchviehwirtschaft ein Auskommen für sich und eine Familie anzustreben. Oder gar einen Hofkauf. Obwohl sie Lebensmittel für Menschen produzieren, rechnet sich die Arbeit für kleine Milchbauern nicht für den eigenen Lebensunterhalt. Ihre Leistung sei die Offenhaltung und dass Lebensqualität und damit die Immobilienwerte erhalten bleiben. Senior Aberle meint: "Wir sehen uns als Landschaftspfleger." Arwen Möller