Wachen über die Geschicke der Kinderstadt (von links): Betreuerin Benita, Stadträtin Freya, Brotmeisterin Gwen, Stadträtin Annabel und Stadtrat Finn Foto: Stadt Kehl Foto: Schwarzwälder Bote

Ferienprogramm: 61 junge Bewohner organisieren sich in der Kehler "Brotcity" eine Woche selbst

Die Polizei ist mit einem Kettcar unterwegs und die Post wird im Schuhkarton geliefert: Eine Woche lang leben und arbeiten 61 Kinder in der Kinderstadt in Kehl. Regieren, verhandeln, verkaufen – die Bewohner müssen sich selbst organisieren.

Kehl (red/ma). "Du kannst jetzt wieder rauskommen, deine Zeit ist um", sagt Polizistin Tessa und öffnet die Tür des Gefängnisses in der Polizeistation von "Brotcity". Ein Mädchen tritt heraus, freudestrahlend über ihre wiedererlangte Freiheit. Weil sie die Strafe von zwei Brotletten – das ist die Währung in "Brotcity" – wegen verbotenen Rennens auf dem Stadtgelände nicht zahlen konnte, musste sie für zwei Minuten hinter Gitter.

Die "Brotmeisterin" steht der Stadt vor

Die Stadtregel "Kinder haften für ihre Eltern" sowie der Bußgeldkatalog hängen für alle sichtbar in der Stadt aus; Änderungen werden immer öffentlich bekannt gegeben. So wird Ruhestörung mit einer Strafe von zwei Brotletten geahndet. Für Diebstahl müssen Bürger zehn Brotletten berappen und gegen unerlaubte Müllbeseitigung geht die umweltbewusste Stadt mit einem Bußgeld von zwanzig Brotletten vor.

Wer das festgelegt hat? Die Bürger der Stadt selber. In "Brotcity" hat jedes der 61 zwischen acht und zwölf Jahre alten Kinder eine Aufgabe und arbeitet in einem der insgesamt 14 Betriebe mit, darunter die Pressestelle, die Touristeninfo und der Freizeitpark. "Die Kinder müssen sich eine Woche lang selbst organisieren. Sie lernen dabei zu diskutieren und Kompromisse zu finden", erläutert Melanie Krauß, Betreuerin in der Kinderstadt. Und diskutiert wird dort viel. Jeden Morgen gibt es eine Bürgerversammlung, damit alle über die Zustände in der Stadt informiert sind.

Das Oberhaupt von "Brotcity" ist Gwen. Als eine von vier Bewerbern wurde sie in das Amt der "Brotmeisterin" gewählt. Die zwei Stadträtinnen Annabel und Freya sowie Stadtrat Finn stehen ihr beratend zur Seite. Im Rathaus diskutieren Annabel und Gwen darüber, ob man die Betriebssteuern erhöhen sollte. Annabels Argument: Ob Stifte, Papier oder Reißnägel; "der Supermarkt verdient von allen Einrichtungen in der Stadt mit am meisten, weil jeder Betrieb sich dort ausstatten muss." Also solle der Supermarkt auch mehr Steuern abführen.

Schwarzarbeit gibt es auch in der "Brotcity"

Brotmeisterin Gwen nickt verständnisvoll, möchte am Steuersystem jedoch erst mal nichts ändern. Die Arbeiter erhalten aktuell ein Stundenlohn von zehn Brotletten, davon abgezogen werden zwei Brotletten an Stadtsteuern.

Die Polizei von "Brotcity" auch mit schweren Fällen auseinandersetzen: Der Betreuer Pascal vom Arbeitsamt hat einem Kind keinen Arbeitsschein ausgestellt, auf dem die geleistete Arbeitszeit notiert wird. Weil das Kind aber trotzdem gearbeitet hat, hat es faktisch Schwarzarbeit geleistet. "Diese Situation gab es bisher noch nicht in ›Brotcity‹, daher haben wir dafür noch keine Strafe", erläutert Betreuerin Isa vom Polizeipräsidium. Erneut liegt es daher an den Kindern zu verhandeln.

Der Angeklagte tritt vor: "Ich habe noch zehn Brotletten in meinem Geldbeutel, mehr habe ich nicht." Polizistin Tessa schlägt daher vor, die Strafe auf neun Brotletten festzulegen, "damit der Angeklagte noch genug Geld für eine Limo hat."

Die Kinderstadt wird jedes Jahr gemeinsam von den Mitarbeitenden der Offenen Jugendarbeit Kehl und der Jugendsozialarbeit an Schulen organisiert und betreut. Über den Namen der Stadt würden die Kinder jedes Jahr selbst abstimmen, heißt es aus dem Kehler Rathaus auf Nachfrage. Im vergangenen Jahr hieß die Stadt auf Wunsch der Kinder "Nalaland".