Die Séguin-Klinik der Diakonie Kehl-Kork ist eingeweiht worden. Foto: Freudenberger

In Kehl-Kork gibt es nun 25 Betten für neurologische Versorgung von Menschen mit schwerer geistiger Behinderung.

Kehl-Kork - Medizinischer Zuwachs in der Diakonie Kehl-Kork: Die Séguin-Klinik bietet eine Spezialambulanz für die neuropsychiatrische Behandlung von erwachsenen Patienten mit schwerer geistiger Behinderung. Die Klinik, so die Verantwortlichen, trage dem mangelhaften medizinischen Versorgungsangebot für die Gruppe der mehrfach behinderten Personen bei neurologischen Erkrankungen Rechnung.

Manfred Zach, Ministerialdirigent des Sozialministeriums Baden-Württemberg, unterstrich bei der Einweihungsfeier die Einmaligkeit dieser Klinik in Deutschland. Es sei die einzige neurologische Klinik, die sich auf die Behandlung von Erwachsenen mit schwerer geistiger oder mehrfacher Behinderung spezialisiert habe. Auf höchsten Niveau würde in der Séguin-Klinik stationär, ambulant und individuell beratend behandelt. Sie sei die einzige Klinik mit einer Spezialambulanz für erwachsene Menschen mit Behinderung. Das Land Baden-Württemberg hat seit 1995 mit rund 33 Millionen Euro aus Mitteln der Krankenhausfinanzierung Um- und Ausbaumaßnahmen der Diakonie Kehl-Kork gefördert.

Chefarzt Peter Martin stellte die Séguin-Klinik in den Kontext der UN-Behindertenrechtskonvention: Sie lege seit 2009 hinsichtlich der gesundheitlichen Fürsorge von Menschen mit Behinderungen rechtlich verbindlich fest, dass eine Gesundheitsversorgung in derselben Bandbreite, Qualität und demselben Standard behinderten Menschen zur Verfügung gestellt werden müsse, wie Menschen ohne Behinderung auch. "Inklusion wird zur kompromisslosen Forderung, die keine laue Haltung mehr zulässt", betonte Martin mit Blick auf die besonderen Anforderungen, die Menschen mit schweren Behinderungen an die Diagnostik und Therapie stellen.

Mit speziellem Wissen und besonderen Fähigkeiten aller beteiligten Berufsgruppen und in Kooperation mit anderen medizinischen Disziplinen könne man für diese Patienten viel erreichen. Einen wichtigen Beitrag leiste dabei die sogenannte "Unterstützte Kommunikation". Eine entsprechende Beratungsstelle ist der Séguin-Klinik angegliedert.

Mit der Eröffnung der Séguin-Klinik sei das Referenzzentrum für Epileptologie komplettiert, so Bernhard Steinhoff, ärztliche Direktor des Epilepsiezentrums Kork. "In dieser fachlichen Qualität werden Sie in Deutschland kein zweites Zentrum finden", ergänzte er. In die Freude über die neue Klinik mische sich jedoch Frustration angesichts von Verhandlungen um eine zwingend notwendige Budgeterhöhung zur Initiierung und Aufrechterhaltung eines angemessenen Standards. Resigniert stellte der ärztliche Direktor fest, dass in einem der reichsten Bundesländer und einer der reichsten Republiken weltweit eine qualitativ angemessene Sozialleistung auf medizinischem Gebiet aus betriebswirtschaftlichen Gründen in Frage gestellt werde. "Wenn es so weiter geht, wie in den vergangenen Jahren werden wir einen sozial-medizinischen Notstand erleben", befürchtete Steinhoff. Für die Mitarbeitenden in Kork versprach er, man werde nicht aufhören das Beste zu geben.

Mit der Klinikeröffnung ist die Gesamtsanierung des Epilepsiezentrums Kork unter dem Titel "Kork 2000" abgeschlossen. Die Séguin-Klinik ist Hauptbestandteil des dritten Bauabschnitts, für den sich die Baukosten auf rund 14 Millionen Euro belaufen. Darin enthalten ist auch die Finanzierung von Zwischenlösungen während der Umbauzeit, neuen Räumen für ein Blutspiegellabor, bedarfsgerechte Funktionsräume sowie Räume für ein "Medizinisches Zentrum für Erwachsene mit Behinderung".

Das Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg bezuschusste diesen dritten Bauabschnitt im Rahmen seiner Krankenhausfinanzierung mit rund neun Millionen Euro.

Mit 121 Betten in allen drei Kliniken des Epilepsiezentrums Kork besteht jährlich für rund 1500 Patienten die Möglichkeit zur stationären Aufnahme. Die neue Séguin-Klinik wird zukünftig mit 25 Betten dazu beitragen.

Info: Das sind die Unterschiede zu anderen medizinischen Häusern

Die neue Klinik in Kehl-Kork ist nach Édouard Séguin (1812-1880), einem französischen Arzt und Taubstummenlehrer benannt, der in der Förderung von Menschen mit geistiger Behinderung, angeborenen oder früh erworbenen Bewegungsstörungen oder Sinnesstörungen, eine überragende Bedeutung einnimmt.

 Die Séguin-Klinik besteht aus den Stationen Itard ( benannt nach Jean Marc Gaspard Itard, einem französischen Arzt, Wissenschaftler und Lehrer von Èdouard Séguin) und de Lange (benannt nach Cornelia de Lange, einer niederländischen Ärztin und Pionierin der Neuropädiatrie) mit 25 Betten sowie dem Medizinisches Zentrum für Erwachsene mit Behinderung (MZEB). u Die Séguin-Klinik verantwortet auch die epileptologische Versorgung der Bewohner des Wohnverbunds. Auch die Beratungsstelle für "Unterstützte Kommunikation" ist mit im Haus.

Die Spezialklinik wurde seit 2001 aufgebaut und greift auf moderne Methoden der Diagnostik wie Kernspintomografie (in Kooperation mit benachbarten Kliniken), digitales Video-EEG mit Polysomnografie und sinnesphysiologische Untersuchungstechniken zurück. u Ein Schwerpunkt ist die Schluckdiagnostik (Video-Fluoroskopie und Video-Endoskopie), die, zugeschnitten auf die besonderen Fragestellungen bei den Patienten, in Kooperation mit der internistischen Abteilung einer benachbarten Klinik, niedergelassenen Logopäden und eigenen Mitarbeitenden der Ergotherapie vorgenommen wird.

Wichtiger Bestandteil der Arbeit ist nach Aussage der Verantwortlichen die Psychodiagnostik und Psychotherapie sowie Heilpädagogik bei Personen mit schweren Entwicklungsstörungen.

 Auf beiden Stationen der Klinik werden Patienten mit gleichartigen Erkrankungen und Störungsbildern behandelt – die Konzepte unterscheiden sich nicht.