Bei dem Prozess herrschten große Sicherheitsvorkehrungen. Foto: dpa

Mutmaßliche Köpfe der Bande betonen gleich zu Beginn, dass sie mit Anschuldigungen nichts zu tun haben.

Karlsruhe/Villingen-Schwenningen/Rottweil - Mit Sonnenbrille und einem Grinsen auf dem Gesicht betritt Placido A. den von zahlreichen Beamten bewachten Schwurgerichtssaal in Karlsruhe. Dass die 15-monatige Haftdauer bei ihm möglicherweise Spuren hinterlassen hat, davon ist nichts zu merken. Im Gegenteil: Der 53-Jährige animiert trotz Hand- und Fußfesseln die Pressefotografen sogar, noch mehr Bilder von ihm zu schießen - er scheint die Aufmerksamkeit zu genießen. Dabei sollte ihm das Lachen angesichts der Vorwürfe, die ihm die Staatsanwaltschaft nach monatelanger Vorarbeit der Ermittlungsbehörden in Zusammenarbeit mit italienischen Beamten vorwirft, eigentlich vergehen.

Denn der Gastronom, der in Tuningen (Schwarzwald-Baar-Kreis) wohnte und in Rottweil sowie Villingen-Schwenningen Gaststätten betrieb, soll eine der treibenden Kräfte bei einem florierenden  Handel mit Rauschmitteln - insbesondere Marihuana, Haschisch und Kokain - sein.

Ebenfalls mit im Boot und an vorderster Front soll ein Donaueschinger Geschäftsmann gewesen sein, der offenbar auch seinen 26-jährigen Sohn in den Handel mit einband. Der 49-Jährige mit den Initialen N. M. trat jedoch weniger triumphierend auf, laut Auskunft seiner Anwälte würde ihm die Haft körperlich zu schaffen machen, er sei gesundheitlich angeschlagen und fühle sich in den Justizvollzugsanstalten medizinisch nicht gut genug versorgt. Ob dies Auswirkungen auf den weiteren Verlauf des Prozesses haben wird, blieb zunächst unklar.

Anklageschrift vermutet bandenmäßigen Handel mit Rauschgift

Tatsächlich wirkte der Donaueschinger, der im italienischen Leonforte geboren wurde, bei der rund anderthalbstündigen Verlesung der Anklageschrift durch Oberstaatsanwalt Joachim Speiermann überaus blass. Das dürfte vielleicht auch daran liegen, dass diese prall gefüllt und  nur so mit Straftaten gespickt war: bandenmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln, gefährliche Körperverletzung, Anstiftung zu einer Straftat, Verabredung zu einem Verbrechen und Mordversuch. Kiloweise sei das Marihuana von Italien nach Deutschland gebracht worden, um es hier an Unterhändler weiterzuverkaufen.

Vermutlich ab November 2016 habe man sich zum bandenmäßigen Handel mit Rauschgift verabredet. Mit dabei soll auch ein weiterer Gastronom sein, der ein italienisches Restaurant in Donaueschingen betrieben hat. Insbesondere diese drei Angeklagten hätten dafür gesorgt, dass die Drogen über die Grenze geschmuggelt wurden - zwischen 20 und 50 Kilogramm Marihuana sollen es pro Lieferung gewesen sein, insgesamt um die 250 Kilogramm.

Damit jedoch nicht genug. Auch den Bedarf an Kokain hätten sie versucht zu decken, hierbei fungierte laut Staatsanwaltschaft selbst der Stiefsohn von Placido A. als Kurier. Zudem seien Vorbereitungen getroffen worden, das berauschende Mittel über Holland nach Deutschland zu bringen, dort mit Ammoniak zu strecken und anschließend in der Schweiz und in Italien gewinnbringend zu verkaufen. Über Monate hinweg sei der schmutzige Handel aufrechterhalten worden - während die Männer nach außen hin als tüchtige Geschäftsmänner auftraten und sich so wohl eine ideale Fassade aufbauten.

Donaueschinger Gaststätte Ort einer wüsten Schlägerei

Doch die Sprache des Drogenhändlerrings, dem Verbindungen zur Mafia nachgesagt werden, wurde im Laufe der Zeit härter. Dass die Angeklagten - und hierbei insbesondere der 49-jährige N.M. - vor kaum einer Methode zurückschrecken, legen die Tatvorwürfe nahe. So soll es im Februar 2017 zunächst zu einer wüsten Schlägerei in einer Gaststätte in Donaueschingen gekommen sein, nachdem die Wirtin dem Italiener und seinen Begleitern den Zutritt verwehrte. Mit Faustschlägen und einem Messer seien die Kontrahenten angegriffen worden. Weil die Tat anschließend bei der Polizei angezeigt wurde, soll N.M. dafür gesorgt haben, dass man den Mercedes der Wirtin anzündete. Im Gegensatz zum darauf folgenden Angriff schien dies jedoch noch ein harmloser Denkzettel gewesen zu sein.
Denn der Donaueschinger Geschäftsmann soll nach Streitigkeiten mit anderen Drogenhändlern zu drastischeren Methoden gegriffen haben. Gemeinsam mit mehreren Komplizen habe sich der 49-Jährige zu einer Gaststätte in Hüfingen (Schwarzwald-Baar-Kreis) fahren lassen, in der er die Kontrahenten vermutete. Bewaffnet mit einem Revolver habe er anschließend fünf gezielte Schüsse auf die beleuchteten Fenster des Gastraums abgegeben - zum Schock des unbeteiligten Gastwirts und eines Gastes, die unverletzt blieben.

Genau jener Revolver sollte wohl für eine weitere Tat genutzt werden - und zwar in Italien. Dort, genauer gesagt in Verona, wollten die beiden mutmaßlichen Köpfe der Bande laut Anklage einen Juwelier überfallen und hatten dabei wohl auf eine Beute zwischen fünf und sechs Millionen Euro gehofft. Doch der Raubüberfall, der von Placido A. federführend organisiert worden sein soll, konnte durch die Polizei verhindert werden. Denn diese setzte mit der großangelegten Razzia, an der 300 Beamte beteiligt waren, dem kriminellen Treiben ein Ende.

Auf Vorwürfe reagieren die neun Angeklagten nur mit Kopfschütteln

Angesichts der Vorwürfe, die von den insgesamt neun Angeklagten teilweise mit Kopfschütteln still kommentiert wurden, erschien es skurril, dass sich insbesondere die Haupttäter in Unschuld wiegen. Durch die Verteidiger der 53- und 49-Jährigen wurde verkündet, dass sie mit den Straftaten "nichts zu tun hätten", das Verfahren werde "in sich zusammenfallen", und Placido A. sei "nur ein Pizzabäcker": Kritisiert wurde zudem, dass in den Medien  durch die falschen Behauptungen, die Angeklagten würden der Mafia angehören, eine Vorverurteilung stattfinde. Die Mafiazugehörigkeit sei "nicht belegt".

Nicht ganz passte es, dass einer der Verteidiger auf die Frage, ob Placido A. sich zu den Vorwürfen äußern möchte, mit einem abgewandelten sizilianischen Sprichwort antwortete, das die Schweigepflicht der Mafia-Mitglieder umschreibt: "Wer nichts sieht, nichts hört und nichts sagt, wird in Frieden 100 Jahre alt."