Kuratorin Judith Knippschild und Stephan Rößler, Leiter der Städtischen Galerie in Schwenningen, freuen sich auf die Ausstellung "Auf nach Japan!" Foto: Kratt

Einmal etwas anderes zu zeigen als Gegenwartskunst – das ist die Intention für die neue Ausstellung "Auf nach Japan! Künstlerreisen zwischen Sehnsucht und Realität", die ab dem 3. Juni in der Städtischen Galerie zu sehen ist.

VS-Schwenningen - Mit den zahlreichen Grafiken, Ölbildern, Farbholzschnitten und frühen Fotografien von Künstlerreisen in Japan um 1900 ist der Leiter der Städtischen Galerie, Stephan Rößler, bewusst abgewichen von seinem bisherigen Kurs Richtung Digitalität und (Post-)Moderne. Denn das, was die Besucher in den kommenden Wochen erwartet, sei die "Maxime, was aus der Galerie herauszuholen ist", betont er. Und das sei besonders nach zwei mauen coronabedingten Jahren bitternötig. "So eine Ausstellung wird in es in diesen Wänden nicht noch einmal geben", ist sich der Leiter mit Blick auf den Aufwand, der mit der Japan-Ausstellung betrieben wird, sicher. So könne man stolz auf die "hochkarätigen Leihgaben" aus internationalen Sammlungen und Museen sein. Für viele Werke sei spezielles Licht beziehungsweise abgedunkelte Fenster und spezielles Raumklima erforderlich.

Vermittlung von Kunst soll im Vordergrund stehen

Doch wenn Rößler näher auf den Inhalt der Ausstellung eingeht, dann wird schnell deutlich, dass es für den Besucher auch diesmal nicht beim bloßen Betrachten von Kunstwerken von vor rund 120 Jahren bleiben wird. Es gehe viel mehr um die Vermittlung der Werke, bei denen das Thema aktueller nicht sein könne. Im Raume stehe die Frage von interkultureller Kompetenz, um Austausch von Perspektiven und damit verbunden um Vorurteile im Alltäglichen. Am Beispiel Japan um 1900 werde man also animiert, die eigene Perspektive auf die Geschichte zu hinterfragen.

Stereotype Vorstellungsbilder

Mit Japan-Expertin Judith Knippschild konnte die Städtische Galerie eine Kuratorin verpflichten, deren Dissertation "Über Japansehnsucht und Künstlerreisen im 19. und frühen 20. Jahrhundert" als Grundlage für die Ausstellung gilt. Sie macht deutlich, um was es ihr mit der Ausstellung geht: Im 19. Jahrhundert habe in europäischen Großstädten ein regelrechter Japan-Hype geherrscht. "Japan, Land der Lampions, Land der Fremde, Land der Samurai" – daraus seien schnell stereotype Vorstellungsbilder entstanden, die sich auch in der ostasiatischen Kunst widergespiegelt haben. Diese reinen Vorstellungsbilder, zumeist von europäischen Künstlern die zum Teil niemals tatsächlich nach Japan gereist sind, sind im Untergeschoss der Galerie zu sehen.

Frauendarstellung im Fokus

Da ist vor allem die Frauendarstellung in Form der Geisha mit lauter exotischen Accessoires, in die künstlerisch eine Wunschvorstellung – die Sehnsucht nach naturellen Rückzugsorten, nach Erotik und simplem Leben – hineinproduziert wurde. Als Medium wurden vor allem Farbholzschnitte – mitunter vom Künstler Siegfried Berndt –, aber auch Fotografien durch das Aufkommen von Fotostudios als Unikate verwendet. Denn es galt, dass ein Foto die Realität besser abbilde als die Malerei. Dennoch seien alle Fotos gestellt gewesen, um ein romantisiertes Alt-Japan-Bild inmitten der Zeit der Industrialisierung zu zeigen, wie die Kuratorin betont.

Da ist aber auch die Darstellung des Japonismus, der über das Motiv, über leuchtende, kräftige Farben nahezu "comicartig" rezipiert wird. Szenen aus dem sogenannten Kabuki-Theater zählen mitunter dazu. Auch Utagawa Kunisada, der damals populärste Zeichner japanischer Holzschnitte, reiht sich in die Werke ein.

Ein vermeintlicher Perspektivwechsel

Im Obergeschoss der Ausstellung soll dann ein vermeintlicher Perspektivwechsel vorgenommen werden: Hier werden dem Besucher Werke präsentiert, die die europäischen Künstler tatsächlich während ihrer Japan-Reise gemalt, gezeichnet beziehungsweise fotografiert haben. Doch betrachtet man die Werke von Franz Hohenberger, Emil Orlik, Karl Walser und Friedrich Capelari genauer, wird wiederum klar: Sie unterscheiden sich kaum von den Imaginationen. So ist auch hier mit den verschiedenen Geisha-Bilden eine liebliche, schöne japanische Frau dargestellt, die das traditionelle Rollenbild bewahren soll – obwohl sich die Rolle der Frau in der Tat gewandelt hatte. "Es sind keine dokumentarischen Bilder", betont die Kuratorin sofort. In der Rezeption der Künstlerbriefe etwa zeige sich die Enttäuschung über das modernisiert Japan, in den Bildern spiegele sie sich aber bewusst nicht wider. Im Gegenteil: "Der Stereotypen-Kreislauf geht weiter", sagt Judith Knippschild. Zu diesen Stereotypen-Bildern zählen zudem Darstellungen von Rikscha-Fahrern, Genre-Darstellungen nehmen das japanische Alltagsleben mit Festszenen auf – auch mit realistischen Szenen, vor allem aber, um Japan als Sehnsuchtsort weiterleben zu lassen.

Galerie-Leiter Stephan Rößler hofft auf einen Erfolg der Ausstellung und kann optimistisch sein: Er habe schon viele Besucheranfragen erhalten.

Info: Die Japan-Ausstellung

Die Vernissage zur Ausstellung "Auf nach Japan! Künstlerreisen zwischen Sehnsucht und Realität" findet am Donnerstag, 2. Juni, 18 Uhr, im Garten der Städtischen Galerie statt. Die Ausstellung ist vom 3. Juni bis 7. August geöffnet. Alle Werke und Texte sind unter www.japan-vs.de einsehbar.