Ein Tätowierer bei der Arbeit: Tattoos an auffälligen Stellen wie dem Unterarm (Bild) oder dem Hals werden bei Tattoo-Fans immer beliebter. Foto: dpa

An diesem Wochenende treffen sich in Frankfurt am Main Fans von Tätowierungen zur Internationalen Tattoo-Messe. Im Trend sind Bilder am Hals oder Unterarm.

Der Psychologe Dirk Hofmeister erklärt, warum Tattoos mehr als eine Mode sind und sich Menschen mit Körperschmuck attraktiver fühlen.

Herr Hofmeister, woher kommt der Drang von Menschen, sich ein Tattoo stechen zu lassen?
Ein Tattoo ist ein Schritt über die Mode hinaus. Kleidung, Haarschnitte oder Brillen sind gesellschaftlichem Wandel unterworfen. Menschen mit einem Tattoo wollen ihre Individualität nicht nur über Mode ausdrücken, sondern tiefgreifender ihre Besonderheit hervorheben.

Welche Bedeutung hatten Tätowierungen früher?
Früher hatten Tattoos verschiedene Bedeutungen. Bei den Seefahrern zum Beispiel symbolisierte der Anker den magischen Wunsch, wieder sicher nach Hause zurückzukehren. Die Maori in Neuseeland dagegen drücken mit den verschiedenen Tattoos die Hierarchie innerhalb ihres Stamms aus.

Woher stammen Tattoos?
Es ist schwierig zu sagen, seit wann es diese Art des Körperschmucks gibt und woher er stammt. Über alle Zeiten und in allen Kulturen gab es Tattoos. Auch Ötzi war tätowiert. Wir nehmen an, dass er damit Schmerzen lindern und böse Geister vertreiben wollte.

Ist es noch etwas Besonderes, ein Tattoo zu haben, wenn 25 Prozent der Bevölkerung eines besitzen?
Die Tatsache an sich ist nichts Besonderes mehr. Besonders sind eher die Körperbereiche, die jetzt auch tätowiert werden. Man sieht immer mehr Menschen, die sich die Unterarme oder den Hals tätowieren lassen. Vor zehn Jahren war das noch nicht so. Individualität wird eher über die Motivauswahl geschaffen.

Was sagen denn bestimmte Motivtrends aus?
Ob ich mir einen Spruch von Rilke auf den Arm stechen lasse oder eine Katze am Knöchel, ist eine sehr individuelle Entscheidung und spiegelt die Identität und ein Stück Seele der Person wieder. Jedes Motiv symbolisiert etwas anderes. Über bestimmte Motive kann man außerdem die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ausdrücken. Fußballfans lassen sich nicht umsonst das Vereinssymbol ihres Lieblingsvereins auf die Wade oder den Arm stechen. Tattoos können aber auch einen Code enthalten. Das gibt es sehr häufig bei Rockerbanden.

Demnach schaffen Tattoos auch Identität . . .
Ein Tattoo ist ein Teil der Identität, das kann man ganz klar sagen. Viele Menschen fühlen sich durch ein Tattoo körperlich aufgewertet und viel attraktiver. Auf verschiedenen Tattoo-Messen erlebe ich immer wieder, wie stolz die Leute auf ihr neues Tattoo sind, trotz aller Schmerzen.

Gibt es noch eine gesellschaftliche Gruppe, die nicht tätowiert ist?
Vor zehn Jahren waren noch deutlich mehr Männer tätowiert. Heute sind gerade in den jüngeren Altersgruppen mehr Frauen tätowiert. Das hängt zu einem mit der Emanzipation zusammen, aber auch mit einem Anpassungsdruck. Viele Frauen versuchen, mit Tattoos ihr Aussehen aufzuwerten, da sie in den meisten Bereichen noch nach ihrem Äußeren bewertet werden. Weniger tätowiert sind eher noch ältere Menschen über 60.

Haben Sie schon erlebt, dass sich Menschen nach ein paar Jahren für ihr Tattoo schämen?
Viele Menschen erzählen mir, dass sie sich das Tattoo nicht mehr stechen lassen würden, es aber trotzdem nicht entfernen lassen, weil es einen bestimmten Lebensabschnitt und ein Gefühl repräsentiert.

Gibt es in der Gesellschaft noch Vorurteile gegenüber tätowierten Menschen?
Leider kommen Stigmatisierungen noch vor, so dass zum Beispiel Frauen, die große, auffällige Tattoos an den Armen oder Beinen haben, blöd angeschaut werden oder sich Sprüche anhören müssen. Manche Menschen verbinden mit Tattoos noch immer Unsauberkeit oder Kriminalität. Das kommt zum Teil daher, dass Tattoos früher vor allem in Gefängnissen, bei Rockern oder in der Punkszene verbreitet waren.