Baden-Württembergs Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) will den Industriestandort weiter ausbauen. Foto: Pressefoto Rudel

Die Industrie in Baden-Württemberg beschäftigt mehr als 1,5 Millionen Menschen im Land. Damit dass so bleibt, haben sich Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Landesregierung auf Spielregeln verständigt.

Stuttgart - Verbände, Kammern und Gewerkschaften haben sich mit der Landesregierung auf Leitlinien für die Weiterentwicklung des Industriestandorts Baden-Württemberg geeinigt. Vertreter des Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), des Landesverbands der Industrie (LVI), der IG Metall, des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), der Chemiegewerkschaft IGBCE, des Handwerks und der Arbeitgeberverbände unterzeichneten am Montag in Stuttgart eine entsprechende Erklärung.

Kern des Papiers mit dem Titel „Industrieperspektive Baden-Württemberg 2025“ ist es, die Fachkräfteversorgung hoch zu halten, das Gründungsgeschehen zu fördern sowie durch politische Rahmenbedingungen die Attraktivität des Standorts zu erhalten. Zusätzlich soll in der Bevölkerung für die Bedeutung der Industrie als Garant für Wohlstand geworben werden. Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) bezeichnete die nicht bindende Übereinkunft als „wegweisenden Handlungsrahmen“, um „auf eine weiterhin positive Industrieentwicklung hinzuwirken“.

Mit einer Industriequote von 32,5 Prozent an der Bruttowertschöpfung ist Baden-Württemberg das am stärksten von der Industrie abhängige Bundesland und auch im internationalen Vergleich weit vorne. Frankreich oder Großbritannien bringen es auf Industriequoten zwischen zehn und zwanzig Prozent. Rund jeder vierte Erwerbstätige im Südwesten – rund 1,5 Millionen – verdient sein Geld in der Industrie. Rechnet man industrienahe Dienstleistungen und entsprechende Handwerksaktivitäten hinzu, kommen 700 000 Jobs obendrauf.

Die einstige Schwäche erweist sich jetzt als Stärke

Diese starke Fixierung auf die Industrie wurde jahrelang als Schwäche gedeutet, erweist sich aber seit Ende der Wirtschafts- und Finanzkrise als Standortvorteil, der zur Prosperität Baden-Württembergs beiträgt.

Derzeit befinde man sich „fast schon in der Komfortzone“, sagte BWIHK-Präsident Peter Kulitz. Wirtschaft und Land seien in „exzellenter Verfassung“. Man müsse allerdings darauf achten, dass die „Innovationsdynamik nicht nachlässt“, sagte Wolfgang Wolf, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des LVI. Anzeichen dafür gibt es. Dass insbesondere energieintensive Branchen – etwa im Chemiebereich – „deutlich unter dem Wert ihrer Abschreibungen“ investierten, sei ein Warnsignal. IG-Metall-Landeschef Roman Zitzelsberger verwies auf gigantische Umwälzungen, vor denen aufgrund der digitalen Revolution insbesondere der Fahrzeug- und Maschinenbau stünden.

Um speziell die Fachkräfteversorgung zu sichern, setzt man auch auf Flüchtlinge. „Die Wirtschaft glaubt, 2016 rund 6000 Flüchtlinge integrieren und ausbilden zu können“, sagte Kulitz und brachte auch die Möglichkeit ins Spiel, für eine weiterreichende Beschäftigung von Neuankömmlingen auch den gesetzlichen Mindestlohn „neu zu beleuchten“. Dieser beträgt aktuell 8,50 Euro pro Stunde.

Das Ansinnen wurde von den anwesenden Gewerkschaftsvertretern abgelehnt. Wirtschaftsminister Schmid sagte, „legale Arbeitsmigration zu Billiglöhnen wäre ein großer Sprengsatz unter dem sozialen Zusammenhalt“ und ein Problem für die Akzeptanz der Zuwanderung.