Der Vorsitzende der Hausenstein-Gesellschaft, Wolfgang Boeckh, sinnierte in seinem Vortrag über das Wer, Wie, Warum und Wohin des Reisens. Foto: Jehle Foto: Schwarzwälder Bote

Symposium: Gesellschaft nimmt die Lust am Reisen in den Blick / Längst kein Privileg der Wohlhabenden mehr

Die Wilhelm-Hausenstein-Gesellschaft richtet seit ihrer Gründung alle zwei Jahre ein Symposium in Hornberg aus. Die Gesellschaft will das literarische Schaffen ihres kosmopolitischen Namensgebers lebendig halten und in seinem Sinne wirken.

Hornberg. Das elfte Symposium vergangenes Wochenende im Ratssaal des Hornberger Rathauses war dem Thema "Reisen" gewidmet.

Für Heiterkeit sorgte die Ankündigung des Vorsitzenden Wolfgang Boeckh, dass sich der Beginn der Veranstaltung verzögern würde, weil die anreisende Bigband des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums aus Durmersheim in diversen Staus auf der Autobahn stand. "Die Staus auf der A 7 gehören zum Programm", scherzte Boeckh in Anspielung auf das diesjährige Thema.

Big-Band bleibt zunächst im Stau auf der A 7 stecken

Den Widrigkeiten der Anreise ungeachtet eröffnete das junge Musikerensemble unter der Leitung von Thomas Urban den Abend mit dem beschwingten "Theme from New York, New York". Das Orchester begeisterte durchgehend mit spritziger Spielfreude und erstklassigen Soli.

In seinem Willkommensgruß bescheinigte Bürgermeister Siegfried Scheffold den Veranstaltern, dass sie mit der Wahl des Themas feines Gespür an den Tag gelegt haben. "Hornberger sind es gewohnt, mit Reisenden umzugehen", erinnerte Scheffold an die historische Postkutschenroute von Paris nach Wien, die durch Hornberg führte.

Das Schloss habe viele freiwillige und auch gestrandete Reisende beherbergt. So bot es dem Reformator Johannes Brenz, der ins Exil flüchten musste, Zuflucht. Gefängnis war das Schloss für die Fürstin Augusta von Thurn und Taxis. "Heute wohnen um die 50 Nationen friedlich in Hornberg zusammen. Hausenstein hätte wohl seine wahre Freude daran", so der Bürgermeister.

Bevor Johannes Werner mit seinem Beitrag "Die Heimreise. Eine Einführung" den Auftakt der Vortragsreihe übernahm, bedankte sich der Vorsitzende im Namen der Gesellschaft für die erwiesene Gastfreundschaft der Stadt. Mit allen Sinnen sei Hausenstein gereist, habe wahrgenommen, erfasst und geschildert, beschrieb Werner die Art des Reisens des gebürtigen Hornbergers. Teilweise waren Länder von Künstlern, die er verstehen wollte – wie Rembrandts Holland und van Goghs Südfrankreich – das Ziel, doch auch die pure "Lust, über Land zu fahren" und Neues zu entdecken, waren Beweggrund für Hausensteins Reisen. Zweimal ist er nach Hornberg zurückgekommen, führte der Referent aus, doch das erste Mal hielt der Heimkehrer die "fremde Heimat" nicht lange aus.

Erst ein Jahrzehnt später gelang es ihm bei einem erneuten Versuch, die "zwar durchsichtige, aber undurchstoßbare Scheibe" der vergangenen Zeiten zu durchdringen. Eine innere Reise zurück in die Träume seiner Kindheit ermöglichte Hausenstein, "Altvertrautes wiederzuerkennen".

Gefunden wird auf dem Weg immer das eigene Ich

Unter dem Titel "Inspiration-Obsession-Konvention" sinnierte Boeckh in seinem Vortrag über das Wer, Wie, Warum und Wohin des Reisens. "Längst sind wir alle Lord Byron und James Bond auf den Fersen", war der Referent überzeugt, denn Reisen sei nicht mehr das Privileg der Wohlhabenden. Im Zeitalter billiger Flugreisen sind Bahnhöfe, einige davon architektonische Schönheiten vergangener Tage, fast in Vergessenheit geraten. Suche mancher die Einöde, andere die Metropolen, sucht doch jeder sein "Wohin", wie es ererbt und gelernt wurde. Reisen erlaube Manches zu sehen, aber gesucht und gefunden werde immer wieder das eigene Ich. "Wenn reisen Leben ist, und Leben Reisen, sollte wir das Unterwegs neu denken", empfahl Boeckh.

Mit scharfsinnigen Betrachtungen über das Reisen setzte sich die Vortragsreihe am Samstag fort, bevor am Sonntag eine Matinee und musikalische Reiseberichte aus dem 18. und 19. Jahrhundert, vorgetragen von Silke Leopold, einen glanzvollen Schlusspunkt setzten.

Wilhelm Hausenstein wurde 1882 in Hornberg geboren. Er war einer der bedeutendsten Kunsthistoriker und -kritiker, Schriftsteller und Übersetzer seiner Zeit. Hausenstein war nach dem zweiten Weltkrieg der erste Generalkonsul in Paris. Er starb 1957 in München.