Der Angeklagte Iyad B. (vorne, Mitte) versteckt sein Gesicht, während Mohammed O. (hinten) mit einem Lächeln den Gerichtssaal betritt. Er soll den Horber Unternehmer Michael Riecher getötet haben. Foto: Ganswind

Verdächtiger Mohammed O. bestreitet Mord an Michael Riecher. Opfer hatte keine Überlebenschance. Mit Video

Rottweil/Horb - Neue Details, überraschende Wendungen und eine knallharte Verteidiger-Strategie: Der erste Prozesstag zum Mord an Michael Riecher ging Verwandten und Bekannten des Opfers an die Nieren.

Iyad B. und Mohammed O. werden in Fußfesseln ins Gericht gebracht. Iyad B. hält sich einen braunen Umschlag vors Gesicht. Mohammed O. schaut dagegen ungeschützt in die Kameras mit einem Lächeln und zwinkert jemandem im Publikum zu. Seine Haare sind akkurat geschnitten, sein Erscheinungsbild sehr gepflegt. Iyad B. trägt eine olivgrüne Jacke mit Kapuze. Er wendet seinen Blick meistens nach unten.

Viele Zuhörer warten gespannt auf mehr Details aus der Anklage. Nach einem längeren Antrag der Verteidiger von O. wegen möglicher Dolmetscher-Probleme in der Anklageschrift kann es dann doch losgehen.

Riecher hatte stets viel Bargeld im Haus

Oberstaatsanwalt Christoph Kalkschmid schildert den Ablauf der Tat so: Anfang Oktober soll Mohammed O. beschlossen haben, seinen "väterlichen Freund" Michael Riecher zu überfallen und auszurauben. Motiv: große Schulden. Er geht auf die Suche nach Komplizen. Er spricht den ihm bekannten "Friseur" H., der auf dem Hohenberg vielen Flüchtlingen die Haare schneidet, an und fragt ihn, ob er jemanden kenne, der Lust auf "viele Süßigkeiten" habe und ein "scharfes Herz" habe. Übersetzt sollte wohl heißen: der Interesse an viel Geld und den Mut für einen Raubüberfall hat. Denn O. wusste, dass Riecher sehr vermögend war und stets größere Bargeldbeträge im Hause hatte.

Der "Friseur" macht O. mit B. am 31. Oktober 2018 in der Kreuzerstraße bekannt. Und soll wohl selbst zuerst beim Raub-Plan an Bord gewesen sein. Doch dann seien ihm Bedenken gekommen. Denn auch er wusste von Riechers schwerer Lungenkrankheit COPD. Kalkschmid: "H. befürchtete, dass durch Riechers schlechtem Gesundheitsstand damit zu rechnen sei, dass dieser bei einem Überfall zu Tode kommen könnte."

Eigentlich sollte der Überfall gleich am nächsten Tag stattfinden – wurde aber verschoben. Am 2. November holte Mohammed O., so die Anklage, den Ludwigsburger Iyad vom Horber Bahnhof ab. Fuhr ihn mit seinem Auto zu Riechers Haus. Um 19.15 Uhr soll B. – der eine Wollmütze trug aber nicht weiter maskiert war, durch die offene Terassentür ins Haus. Er schlich sich in die Küche.

Das Opfer soll etwas gehört haben und in die Küche gegangen sein. Da soll ihn B. von hinten gepackt haben und gesagt haben: "Ich will Geld, dann bin ich weg." Er soll dabei Riechers Mund zugehalten haben – das löst bei COPD-Kranken eine schwere Krise aus, weil sie die Luft nicht aus der Lunge bekommen.

3000 Euro war Tätern zu wenig

Riecher biss dem Täter in die Hand, um sich zu wehren. Bei Iyad B. wurde eine Wunde am Ringfinger festgestellt. Riecher ging dann zu Boden und – so der Staatsanwalt – "gab ihm zu verstehen, dass er keinen Widerstand mehr leisten würde." B. ließ von dem Opfer ab, brachte ihn ins Schlafzimmer und holte ihm ein Glas Wasser aus der Küche.

Während sie im Schlafzimmer waren, betrat Mohammed O. die Wohnung und wartete in der Küche. Riecher habe gehört, dass jemand gekommen sei und wollte nachschauen. Iyad B. hielt ihn zurück. Er bat O. in der Küche zu bleiben. Danach ging er mit Riecher ins Büro. Der holte 3000 Euro aus einer Schatulle. Iyad B. steckte das Geld in seine Brusttasche, forderte Riecher aber auf, mehr Geld herauszurücken.

Plötzlich kam Mohammed O. dazu und habe laut Oberstaatsanwalt beschlossen, seinen Freund zu töten. "Er trat von hinten an Riecher heran, hielt ihm dem Mund zu und würgte ihn mehrere Minuten am Hals." Die Verletzungen des Opfers waren so schwer, dass er keine Chance hatte zu überleben. Er starb an Sauerstoffmangel.

Sein Komplize habe daneben gestanden, aber sei nicht eingeschritten. Ihm sei es möglich gewesen einzuschreiten, da O. nicht bewaffnet gewesen sei.

Von erbeutetem Geld Smartphone gekauft

O. zog im Anschluss Riechers Hemd aus, weil er befürchtete, dass sich darauf Spuren der beiden Angeklagten befinden könnten. Nach der Tat fuhr er seinem Komplizen wieder zurück zum Horber Bahnhof. Der kaufte sich davon ein neues, 600 Euro teures Smartphone und schenkte es einer Frau. Bei ihm wurden noch 285 Euro sichergestellt.

Doch spielte sich die Tat tatsächlich so ab? Die Verteidiger deuten an, dass O. die Tat weiterhin bestreitet. Denn er habe zusammen mit Riecher ein Immobilienprojekt in Syrien auf den Grundstücken von O. Familie.  Dort sollten zwei Mehrfamilienhäuser entstehen. Verteidiger Alexander Hamburg: "Deshalb hatte O. keine Veranlassung, seinen Freund auszurauben und zu töten. Aus dem Tod konnte er keine Vorteile ziehen."

Deshalb beantragten seine Verteidiger, einen Whatsapp-Verlauf zwischen O. und seinem Bruder auszuwerten. Doch wie soll der Prozess überhaupt vorangehen und so Bestand haben? Seine Verteidiger fuhren die Strategie, Vernehmungen, Ergebnisse der Spurensicherung und DNA-Proben für nicht verwertbar zu erklären, da O. von der Polizei als Zeuge vernommen wurde, obwohl es zu diesem Zeitpunkt bereits einen Anfangsverdacht gegeben hätte. Darüber muss nun das Gericht am nächsten Verhandlungstag, Donnerstag, 9. Mai, entscheiden.

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