Kam es zur häuslichen Gewalt in einer Horber Siedlung? Das Gericht musste den Angeklagten freisprechen. Foto: Tico / Fotolia.com

Fall von häuslicher Gewalt führt zu keiner Verurteilung. Frau ist mit 34-Jährigem mittlerweile verlobt.

Horb - Häusliche Gewalt – ein Thema, das man überall antrifft. Häusliche Gewalt ist die weltweit am stärksten verbreitete Menschenrechtsverletzung. Man trifft sie im Nobelvorort ebenso wie im Brennpunkt oder hinter der gutbürgerlichen Fassade. Problematisch ist dabei aber oft, den Tathergang später so zu rekonstruieren, dass eine eindeutige Zuordnung, wer wem warum und wie Gewalt angetan hat, gerichtsverwertbar feststellbar ist. Die Taten geschehen meist hinter verschlossenen Türen und oft ist Alkohol mit im Spiel. Ein Streit schaukelt sich hoch, die Fäuste fliegen. Hat man dann aber den ersten Schreck überwunden, dann sind es meist die Opfer, die die Geschehnisse herunterspielen.

Vor dem Horber Amtsgericht mussten die Juristen am Mittwochnachmittag einen 34-Jährigen freisprechen, da sich die Hauptbelastungszeugin weigerte, vor Gericht gegen ihren eventuellen Peiniger auszusagen. Die Frau – Mutter von zwei Kindern – die in einer bekannten Horber Siedlung wohnt, sei inzwischen mit dem Beschuldigten verlobt, teilte sie handschriftlich dem Gericht mit. Sie mache deshalb von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, ein weiterer Hinweis ans Gericht. Damit fiel die einzige direkt an der Tat beteiligte Person als Zeugin aus.

Aussagen musste jedoch die Mutter der Geschädigten, die am 17. September, einem Samstag, von ihren Enkelkindern morgens um 8.30 Uhr am Telefon um Hilfe gerufen wurde. "Blut, Blut und überall Haare" sollen die Kinder ins Telefon geschrien und die Oma so zur höchsten Eile angetrieben haben.

Die Geschädigte, die Mutter und deren andere Tochter wohnen alle in dieser Horber Siedlung, jedoch in unterschiedlichen Häusern. Die Oma also war mit Vollgas die Treppe runter und raus auf die Straße, da kamen ihr schon die Enkel entgegen. Vom Geschrei alarmiert stieß auch Tochter Nummer zwei dazu, die sich der beiden Kleinen annahm und Nachbarn der Geschädigten riefen parallel per Notruf Polizei und Krankenwagen. Währenddessen marschierte die Oma nach eigener Erzählung in die Wohnung der Tochter, die vom Angeklagten aktuell schwanger ist. Sie habe diese blutüberströmt am Boden liegend vorgefunden. "Und überall lagen büschelweise ausgerissene Haar herum", sagte die Dame im Zeugenstand aus.

Was sie auch fand, das waren jede Menge leere und angetrunkene Bier- und Schnapsflaschen, obwohl ihre Tochter wegen der Schwangerschaft nichts trinken durfte. Der Partner, den sie noch nie leiden konnte, sollte eigentlich auch die Finger vom Alkohol lassen. Derzeit gibt er als Wohnsitz eine Entzugsklinik im Renchtal an. Man hätte Besuch gehabt und "die ganze Nacht gesoffen", so die Auskunft der Tochter. Den Angeklagten hätte sie draußen auf dem Balkon angetroffen und nein, sie könne nicht definitiv sagen, ob er betrunken gewesen sei oder nicht. Ein Polizeibeamter des Horber Reviers konnte dies jedoch genauer bestätigen. 2,08 Promille habe man beim Angeklagten noch morgens festgestellt, jedoch habe der Mann keine Ausfallerscheinungen an den Tag gelegt, sein Fazit.

Auch die Informationen des Beamten waren nur soweit verwertbar, wie er sie nicht von der Geschädigten direkt hatte. Alles was die bei ihrer ersten Vernehmung sagte, wurde durch die Verlobung als nicht mehr gerichtsverwertbar gewertet.

Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick hatte vor diesem Hintergrund schon bei der Anwaltschaft nachgefragt, ob überhaupt noch ein weiteres Strafverfolgungsinteresse bestehe, bekam aber von dort die Auflage, den Fall zu verhandeln. Dies schon vor dem Hintergrund einschlägiger Vorstrafen des Mannes, der unter anderem wegen versuchtem Totschlag bereits eine mehrjährige Haftstrafe absitzen musste.

In diesem Fall ging er aber straffrei aus. Wo kein Kläger ist, gibt es auch keinen Täter. Richter Trick folgte dem Antrag der Vertreterin der Staatsanwaltschaft, die mangels Beweisen einen Freispruch forderte. "Wir wissen nur, dass es eine Frau gab, die eine Platzwunde an der Stirn und viele Hämatome hatte und der ein paar Büschel Haare ausgerissen wurden. Wir wissen aber nicht was genau passiert ist. Wer hat den Streit angefangen? Ist die Frau auf ihren Freund los oder umgekehrt? Oder gab’s gar eine Rauferei? Wir wissen es nicht", so die Zusammenfassung des Amtsgerichtsdirektors, der betonte, dass man aufgrund der geltenden Rechtsprechung hier zu keinem anderen Ergebnis kommen konnte.