Siegfried Kipke erzählt unserer Zeitung im Interview, wieso sein Unternehmen nicht mehr Handy Tech, sondern Help Tech heißt. Foto: Kipke Foto: Schwarzwälder-Bote

Interview: Chef von Help Tech spricht über Namensänderung

Horb. Kürzlich erst hat das Unternehmen Handy Tech aus Nordstetten seinen Namen zu Help Tech geändert. Eine Firma, die sich mit der Technologie von Handys beschäftigt, ist das Unternehmen nämlich nicht, sondern es werden Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte hergestellt. Für den Geschäftsführer Siegfried Kipke war dies einer der Gründe für diesen Schritt. Was ihn zudem dazu bewegte, hat er im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt.

Herr Kipke, was war für Sie und Ihr Unternehmen der ausschlaggebende Grund, den Namen zu Help Tech zu ändern?

Der ausschlaggebende Grund war die nachhaltige Änderung unserer Kundenstruktur. Zunehmend bedienen wir ältere Kunden mit Sehbeeinträchtigungen, die häufig über ein Restsehvermögen verfügen. Unsere bisherige Hauptkundengruppe, die jüngeren Blinden, die Punktschriftausgabegeräte, sogenannte Braillezeilen benötigen, ist über die Jahre schleichend rückläufig. Dies hängt mit der besseren medizinischen Versorgung von jüngeren Menschen mit Sehbeeinträchtigungen zusammen und auch mit dem demografischen Wandel unserer Gesellschaft.

Der Markt der Älteren mit Sehbeeinträchtigungen wächst stetig. Dies hängt schon alleine mit der erhöhten Lebenserwartung zusammen. Mit zunehmendem Alter steigt die Sehbeeinträchtigung stark an. Salopp formuliert bringe ich dies in dem Satz zusammen: "Wir werden alle sehbehindert, wir müssen nur lang genug dafür leben." Hier leisten Hilfsmittel einen wichtigen Beitrag zur Teilhabe an der Gesellschaft, zum Zugang zu Informationen und zur Mobilität.

Sie hatten zuvor bereits angedeutet, dass es aufgrund des Namenszusatzes "Handy" immer wieder zu Irritationen kam. Können Sie darauf genauer eingehen?

In dem für uns zunehmend wichtigeren Markt von älteren Sehbeeinträchtigten in Deutschland ist der Begriff "Handy" als Synonym für Mobiltelefone, gebräuchlich nur in Deutschland, oft missverständlich. Immer wieder erklären wir beim Erstkontakt, dass es hier nicht um Mobiltelefone geht, sondern um Hilfsmittel handelt. Daher glauben wir, dass insbesondere für diese wachsende Kundengruppe der Name Help Tech selbsterklärend ist. Die englische Bedeutung von "handy" als handlich und praktisch wird im deutschsprachigen Raum kaum so verstanden.

War Ihnen die Verständlichkeit des Firmennamens für Deutschland wichtiger?

Uns war die Verständlichkeit des Firmennamens in Deutschland sehr wichtig, um eben der nachhaltigen Änderung unserer Kundenstruktur gerecht zu werden. Zunehmend werden wir nicht nur als Hersteller von Braillezeilen, wahrgenommen, sondern mehr und mehr als Lieferant von einem großen Spektrum an Hilfsmitteln. Auf unserer Homepage sind die Punktschriftausgabegeräte nur noch eine von sechs Produktgruppen.

Zunehmend wichtiger ist uns in Deutschland auch die Kooperation mit Krankenkassen. Viele der von uns angebotenen Produkte sind von den Krankenkassen zugelassen. Wir sind als zugelassener Hilfsmittellieferant in der Lage, Verordnungen von Versicherten direkt abzuwickeln. Lässt sich jemand von seinem Arzt zum Beispiel eine elektronische Lupe verordnen, so genügt es heute, uns diese Verordnung zu übergeben. Wir übernehmen die komplette Abwicklung mit der Krankenkasse und liefern dem Kunden das Produkt. Alle abwicklungstechnischen Aufgaben werden direkt von uns übernommen.

Eine Namensänderung ist für eine Firma immer ein großer Schritt. Hatten oder haben Sie dabei keine Befürchtungen, dass es sich auch negativ auswirken könnte?

Natürlich hatten wir Bedenken, dass die Namensänderung eine negative Auswirkung auf unseren bisherigen traditionellen Markt der jüngeren Blinden haben könnte. Dem haben wir vorgebeugt, indem wir zum einen den Namen Help Tech als zentrale Bezugsquelle von Hilfsmitteln bereits schon vor über einem Jahr im Markt zunächst als Vertriebsorganisation etabliert haben und zweitens auch der Name "Handy Tech" als Marke für Braillezeilen erhalten bleiben wird. In unserem kleinen Spezialmarkt mit sehr gut vernetzten Kunden, wie zum Beispiel Elterngruppen von blinden Kindern, sind unsere Braillezeilen durch ihre einzigartige Ergonomie und Bedienbarkeit eine feste Größe.

  

Gehen mit der Namensänderung sonstige Veränderungen einher?

Mit der Namensänderung wollen wir auch neue Vertriebsstrukturen aufbauen. Bereits heute gelingt es uns, neue Vertriebskanäle zum Beispiel über Optiker aufzubauen. Wir sehen zukünftig Vertriebswege unter anderem auch über betreute Wohneinrichtungen.

Welche Pläne hat das Unternehmen für Deutschland und auch für das Ausland auf lange Sicht?

 Wir werden Help Tech als das Synonym für gute Hilfsmittel und gutem Service in Deutschland etablieren. Hier finden Kunden für alle Lebenssituationen und alle Ausprägungen von Sehbeeinträchtigungen, die nicht mit einer Brille zu korrigieren sind, die passenden Lösungen. Ein gutes Beispiel für neue Produktansätze ist die OrCam, eine Minikamera, die an eine Brille angeklickt wird und die Texte und Straßenschilder vorlesen oder sogar Personen erkennen kann. International wollen wir weiterhin als Braillezeilenhersteller  das Premiumsegment mit höchster Ergonomie und höchste Funktionalität bedienen. Langfristig sehen wir die Chance, auch als Help Tech ein EU-weites Vertriebsnetz über Kooperationspartner für Hilfsmittel für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen zu schaffen.

  Die Fragen stellte Lena Straub.

Die Firma Help Tech hat derzeit 32 Mitarbeiter mit Vertriebsstandorten in Stuttgart, Köln, Marburg und Lüneburg und einem stetig wachsenden Netz von Unterhändlern (siehe Händlerfinder auf www.helptech.de).

Die Hauptprodukte werden zunehmend vergrößernde Hilfen sowie Vorleselösungen sowohl im stationären als auch im mobilen Einsatz, wie zum Beispiel elektronische Lupen. Über die Jahre hat sich das Durchschnittsalter der Kunden deutlich erhöht, wie Geschäftsführer Siegfried Kipke mitteilt. Das Unternehmen geht von einem Altersdurchschnitt von deutlich über 60 Jahren aus.