Für eine Marktplatzbelebung sorgten die Nachtwächter vom Kultur- und Museumsverein am vergangenen Freitagabend. Auch nach 13 Jahren finden die Horber Nachtwächterführungen immer noch regen Zuspruch. Alle Teilnehmer waren begeistert. Foto: Kultur- und Museumsverein Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Interesse an Horber Nachtwächterführung ist auch nach 13 Jahren ungebrochen

H orb. Als die Nachtwächter vom Kultur- und Museumsverein im Sommer des Jahres 2006 ihren ersten Umgang unter dem Motto "Horb bei Nacht – Stadtgeschichte und Stadtgeschichtchen" veranstalteten, hatten sich rund 200 Personen auf dem sonst so toten Horber Marktplatz eingefunden. Nach 13 Jahren zählte Vereinskassierer Stefan Reichel am vergangenen Freitagabend etwa halb so viele Teilnehmer wie beim allerersten Mal. An jeder Station des Umgangs wurde mit Beifall nicht gespart.

Dank den Nachforschungen der mit Hellebarde, Rufhorn und Laterne ausgerüsteten drei Herren hat die Horber Geschichte in Sachen Nachtwache Gegebenheiten aufzuweisen, wie sie andere Städte kaum zu bieten haben. So findet sich die erste Erwähnung der Horber Nachtwache bereits in einem Privileg aus dem Jahr 1282, in dem Pfalzgraf Otto von Tübingen das Horber Dominikanerinnenkloster unter anderem von der "vigilia" (lat. Nachtwache) befreite. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde die beschwerliche Nachtwache dann von der Bürgerschaft auf besoldete Wächter übertragen, die vom Schultheißen ernannt wurden. Das Horber Stadtrecht verpflichtete deshalb alle Bürger mit Ausnahme der Mitglieder des Stadtgerichts zur Zahlung eines Wachtgelds. Zur Mitte des 16. Jahrhunderts zählte die Nachtwache schließlich zu den 25 besoldeten Diensten der Stadt, deren Amtsträger immer nach Weihnachten auf dem Horber Rathaus beim Jahrgericht gewählt und vereidigt wurden.

Die vorderösterreichische Stadt Horb war in vier Wachtbezirke eingeteilt, in denen jeweils ein Nachtwächter seine Runden drehte, das Signalhorn blies und jede volle Stunde mit frommen Versen ankündigte. Das Ansingen der Stunden und das Blasen der Rufhörner diente zur Überwachung der Nachtwächter, denn ein Nachtwächter, von dem man nichts hörte, war wohl eingeschlafen.

Nachdem Obernachtwächter Joachim Lipp den Horber Nachtwächtereid aus dem Jahr 1550 verlesen hatte, berichteten er und seine beiden Kollegen über die Beschwerlichkeit ihres Amtes und das Ausmaß der Verachtung, das die Bürgerschaft einst gegenüber den Nachtwächtern hegte. Diese berufliche Ehrlosigkeit wurde in Horb noch durch die Tatsache verstärkt, dass der Nachtwächterdienst stets mit dem Amt des Totengräbers verbunden war.

Die Nachtwächter erzählten vom althergebrachten Horber Zehnuhrläuten, das einst die letzten Zecher der Stadt ins Bett schickte. Mit der humoristischen Version der Erklärung für die Ankündigung der nächtlichen Sperrstunde hatten die Nachtwächter alle Lacher auf ihrer Seite. Den Trinkern des Horber Weines soll die Glocke nämlich angedeutet haben, sich im Bett auf die andere Seite zu legen, damit der saure Wein über Nacht kein Loch in ihre Magenwand frisst.

Das Trio erinnerte beim Umgang auch an Johannes Bürk, den Erfinder der tragbaren Nachtwächterkontrolluhr, der 1846 seine erste patentierte Erfindung in Horb gemacht hat. Mit einer Uhr, die zunächst nur die Nachtwächter zu kontrollierten Kontrolleuren machte, schuf ein Schwabe den mechanischen Aufseher und Urtyp aller nachfolgenden Kontrolluhren. Die Stechuhr und nicht die Dampfmaschine wurde zum wichtigsten Gegenstand des Industriezeitalters. Die Entdeckung der Pünktlichkeit machte die Zeit zur neuen Leitwährung des modernen Industriekapitalismus.

Der mit Informationen, Anekdoten und Sprüchen gespickte Umgang kam wieder einmal bei allen Teilnehmern sehr gut an. Nachdem man nach zwei Stunden auf den Marktplatz zurückgekehrt war, erhielten Joachim Lipp, Heinrich Raible und Bruno Springmann zum Abschied viel Applaus.