Ursula und Rainer Nagel feiern heute ihre Goldene Hochzeit Foto: Hopp Foto: Schwarzwälder-Bote

Jubiläum: Ursula und Rainer Nagel feiern heute ihre Goldene Hochzeit / Festliche Messe in der Stiftskirche beginnt um 16 Uhr

Der legendäre "Summer of Love" 1967: Für zwei Studenten in Tübingen und Münster war er sogar der Sommer der großen Liebe. Denn Ursula und Rainer Nagel heirateten in jenem Jahr. Am Samstag feiern sie in der Stiftskirche Goldene Hochzeit.

Horb. Er war in seinen Zeiten als Horber SPD-Gemeinderat für einige der "rote Professor" (so titelte damals unsere Zeitung). Und sie ist zweifelsohne die Grande Dame der Sozialdemokraten im Kreis Freudenstadt – und das nicht erst seit 2013, als sie das Bundesverdienstkreuz bekam.

Allzu viel Wirbel um Persönliches ist Ursula und Rainer Nagel zwar fremd, doch wenn es um die Sache geht, zeigen sie Flagge. Ursula Nagel war 26 Jahre für die SPD im Kreisrat. 2003 war sie Mitgründerin des Donum-Vitae-Kreisverbands in Freudenstadt und füllte damit einen weißen Fleck auf der Landkarte, denn Freudenstadt war damals der vorletzte Verband, der sich in Baden-Württemberg gegründet hat.

Vielen Horbern ist Ursula Nagel aber auch als engagierte Katholikin bekannt. Sie ist bis heute als Kirchengemeinderätin im Einsatz, ist im Fair-Trade-Laden und im Zentrum des Zuhörens engagiert und war bei Vorbereitungen der Firmung und der Kommunion hilfreich tätig.

Als vital, temperamentvoll und meistens froh gelaunt ist Ursula Nagel auch vielen ihrer Patienten in Erinnerung. Viele von ihnen waren traurig, als sie 2008 ihre Allgemeinarzt- und Psychotherapie-Praxis aufgab. Sie hatte die Altersgrenze zwar erreicht, fühlte sich aber noch zu fit für den Ruhestand. "Heute wäre es möglich, bis Hundert zu arbeiten", sagt sie schmunzelnd.

Rainer Nagel stammt aus der Horber Ärztefamilie Nagel (sein Vater war Chefarzt des Spitals) und zählte zu den SPD-Pionieren der Kommunalpolitik in Horb. Er wurde Anfang der 1970-Jahre in den Gemeinderat gewählt. Damals standen drei SPD-Räte gegen 23 CDU-Räte, andere Fraktionen gab es im Rat nicht. Er erinnert sich: "Wir haben damals sehr viele Aktionen organisiert und haben im politischen Klima viel verändert. Das war wirklich ein frischer Wind."

Als Mathematik-Professor in Tübingen hatte Rainer Nagel auch eine beeindruckende Berufslaufbahn. Er nahm Gastprofessuren im Ausland an: 1969/70 in Washington D.C., 1978 in Pisa, 1982 in Santa Barbara (Kalifornien), 1987 in New Orleans und 1990 in Rom. Nagel erzählt: "Es war schön, den Wissenschaftsbetrieb an diesen Orten zu erleben. Die Arbeit war oft unkonventioneller und freier als in Deutschland." Es hätte durchaus die Möglichkeit gegeben, im Ausland zu bleiben. Doch das kam für die Nagels nie in Frage. "Es hat uns immer wieder nach Horb zurückgezogen, aus Verbundenheit zur Heimat und zur Familie."

Doch zurück in die 1960er-Jahre, als beide noch studierten, sie in Münster, er in Tübingen. Als Ursula für zwei Semester in die Neckarstadt kam, lernten sie sich im Christophorus-Verein kennen. Diese katholische Studentengruppe war eine Alternative zu den üblichen "Verbindungen". Man traf sich zu akademischen Runden und Freizeitaktivitäten.

"Wir kamen beide aus bürgerlichen Familien und galten zu dieser Zeit als eher konservativ", erinnert sich Nagel. Die politische Aufbruchsstimmung bei den Studenten verfolgten die Nagels zwar mit großer Neugier, doch für sie selbst war die Studienzeit 1967 zu Ende. Im Jahr ihrer Hochzeit legten beide auch ihr Staatsexamen ab, und 1969 promovierten beide. "Die Demos fingen an, als wir geheiratet haben", so Ursula Nagel. Kein Wunder also, dass 1968 noch eine andere Aufbruchstimmung dazukam: die Geburt von Sohn Michael (heute Kinderarzt). Es folgten 1970 Klaus (heute Mathematiker) und 1973 Susanne (heute Managerin).

Trotz des Familienlebens ließen die politischen Veränderungen in Deutschland die Nagels nicht kalt. Als sie 1972 in die SPD eintraten, war es vor allem die Politik Willi Brandts, die beide beeindruckte. In den 1980er-Jahren waren sie bei den Demos der Friedensbewegung dabei. "Wir haben sogar Busse von Horb aus zu den Kundgebungen organisiert", erinnert sich Rainer Nagel. Den "Basta-Kanzler" Schröder sahen die Nagels eher kritisch – doch ihre sozialdemokratische Überzeugung litt darunter nicht. Und heute, unmittelbar vor der Bundestagswahl, ist für beide klar: "Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass die SPD die beste Politik macht!"

Was für die Hochs und Tiefs der Politik gilt, ist für die zwei Horber, beide 77 Jahre alt, zugleich gängige Methode fürs Eheleben. Ursula Nagel: "Natürlich hat es auch Krisen gegeben, aber wir haben immer einen Weg gefunden, uns mit Worten zu einigen und Kompromisse zu finden." Über Probleme zu sprechen sei das Wichtigste. Ursula Nagel: "Es gibt nichts Schlimmeres als ein Ehepaar, das sich im Restaurant zwei Stunden lang schweigend gegenübersitzt." Rainer Nagel fügt noch an: "Wir haben aber auch Glück oder Gottes Segen gehabt. Wunderbare Berufe, gesunde Kinder und gute gesellschaftliche Umstände."

Übrigens: Auch musikalisch sind die wilden Sechziger an den Nagels vorbeigegangen. Stones und Beatles hörten sie nicht. Aber zu den Festen des Christophorus-Vereins engagierte Rainer Nagel gerne einen Horber Musiker, der damals auch Dixieland spielte: Norbert Geßler. Er feierte vor Kurzem seinen 70. Geburtstag ebenfalls in der Stiftskirche – und er wird auch zur Goldenen Hochzeit der Nagels die Musik beisteuern.

Weitere Informationen: Die feierliche Messe zur Goldenen Hochzeit findet am heutigen Samstag, 23. September, ab 16 Uhr in der Stiftskirche statt. Sie wird musikalisch gestaltet von Agnes Kovacs (Sopran), Norbert Geßler (Horn), Jürgen Keppeler (Posaune) und Reinhard Kluth (Orgel). Anschließend ist ein Stehempfang im Kirchgarten.