In einem Hotel kam es zu einem Streit. Symbolbild. Foto: dpa

49-Jähriger versetzt Hotelbesitzer einen Kopfstoß ins Gesicht. Urteil: Vier Monate auf Bewährung.

Kreis Freudenstadt - Was ist am 16. Februar im Büro eines Gastronomen, der ein Hotel in einer Kreisgemeinde betreibt, passiert? Hat ihm der Angeklagte, der sich am Dienstag vor dem Amtsgericht Horb verantworten musste, einen so heftigen Kopfstoß verpasst?

War der Aufprall so heftig, dass der Gastronom aus Mund und Nase blutete und hinterher zwei Zähne locker waren? Oder handelte es sich um einen leichten Stupser, wie der Beschuldigte selbst seinen Angriff auf den Geschädigten wertete?

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft handelte es sich bei der Tat um eine vorsätzliche Körperverletzung, da der heute 49-jährige Angeklagte billigend in Kauf nahm, dass sein Gegenüber durch seine Aktion körperlich misshandelt wurde.

Für Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick galt es nun Licht in die Geschichte zu bringen. Der Beschuldigte selbst zeigte sich dabei sehr kooperativ. "I sag, wie’s war", so sein Angebot.

Am Tattag sei er von seiner Lebenspartnerin, die in dem Hotel seit zwei Jahren als Spülkraft beschäftigt war, angerufen worden. Sie bat ihn, ins Hotel zu kommen, da ihr der Chef heute einen Aufhebungsvertrag des Arbeitsverhältnisses vorgelegt habe, mit der dringenden Forderung, diese Vereinbarung sofort zu unterschreiben. Der Beschuldigte erklärte, dass er seiner Freundin gesagt habe, sie solle gar nichts tun, bis er da sei. Er sei dann gegen 14 Uhr im Büro des Geschäftsführers eingetroffen und habe mit ihm die ersten zehn Minuten noch ganz normal über die Sache gesprochen. Er habe dem Gastronomen gesagt, dass er, und nicht seine Partnerin, dafür verantwortlich sei, dass der Wirtschaftskontrolldienst (WKD) die Zustände in der Spülküche geprüft und festgestellt habe: "Das sieht echt übel aus – da muss man dringend was machen."

"Das Übel, dass die Prüfer vorfanden, war giftiger Schimmel, der meine Bekannte so krank gemacht hat, dass sie zweimal ins Krankenhaus musste", so der Angeklagte weiter. Als er seiner Bekannten dann auch im Büro riet, nichts zu unterschreiben, sei es dann im Raum etwas lauter geworden, und der Firmeninhaber habe ihn aufgefordert zu gehen. "Beim Rausgehen hat er mich dreimal an der Schulter geschubst. Ich habe ihn gebeten, dies zu unterlassen und beim vierten Schubser habe ich mich zu ihm umgedreht und ihm einen ganz leichten Kopfstoß verpasst", schilderte der Tatverdächtige die Vorgänge. "Es war aber nur ein leichter Stoß, denn der Mann ist Brillenträger – und geblutet hat er auf keinen Fall."

Die Frau, um die es letztendlich ging, tat sich wenig später im Zeugenstand sehr schwer. Der Vorsitzende führte sie durch ihre Aussage, indem er ihr immer wieder aus dem Protokoll, das sie bei der Polizei unterschrieben hatte, vorlas. Seinerzeit konnte sie sich nicht mit Sicherheit erinnern, ob der Geschädigte geblutet hat oder nicht. Im Zeugenstand behauptete sie nun mit Nachdruck, dass ihr Ex-Chef definitiv nicht aus Nase und Mund geblutet habe. "Das ist sehr ungewöhnlich, dass man sich drei Monate nach der Tat wieder genau an das erinnert, was man drei Tage nach der Tat nicht mehr wusste", merkte der Vorsitzende zu dieser Aussage an und betonte, dass die Erinnerung eigentlich mit der Zeit eher verblasst, als klarer wird.

Der Geschädigte selbst konnte sich an diesen Nachmittag noch ganz genau erinnern. Er bezeichnete den Angeklagten als einen Mann, der schon mehrfach bei ihm im Hotel unangenehm aufgefallen sei. Er hätte wegen dem angeblichen Schimmel am Arbeitsplatz seiner Freundin mit WKD und Bild-Zeitung gedroht, und schon aus diesem Grund sei klar gewesen, dass er der Frau leider das Arbeitsverhältnis kündigen musste. Er wollte an diesem Nachmittag lediglich eine Unterschrift unter die Empfangsbestätigung, mit der er später nachweisen konnte, dass die Frau ihre Kündigung fristgerecht erhalten habe. Dass die Geschichte dann solche Ausmaße annimmt und so schmerzlich für ihn ausgeht, hätte er nie und nimmer gedacht.

Zum Thema Arbeitsgerichtsprozess, dessen Ausgang sowohl der Beklagte als auch seine Freundin als Sieg für sich werteten, sagte der Gastronom, dass er ein Hotel zu führen habe, schauen müsse, dass der Laden läuft, und keine Zeit habe, wegen Personalfragen im Gericht rumzuhängen. Deshalb habe er aus eigenen Stücken auf eine Fortsetzung des Prozesses verzichtet, die außerordentliche Kündigung in eine fristgemäße Kündigung umgewandelt und seiner früheren Spülerin das monatliche Gehalt regulär weitergezahlt.

Da er vom Zahnarzt ein Attest vorlegen konnte, das bestätigte, dass zwei Zähne nach einer Gewalteinwirkung lose waren und der Angeklagte kein unbeschriebenes Blatt ist – allein 20 Einträge, davon einige einschlägig wegen Körperverletzung und etliche Gefängnisaufenthalte warfen hier kein gutes Licht auf den Beschuldigten – forderte der Staatsanwalt vier Monate Haft, die man auf zwei Jahre Bewährung aussetzen könne.

Eine Geldstrafe kam bei den 35 000 Euro Schulden, die der Täter allein beim Jugendamt hat, sowie seinen diversen Vorstrafen nicht in Frage. In seinem letzten Wort sagte der Beschuldigte zur Höhe der geforderten Strafe: "Isch okay! I hab’s gmacht ond fertig!"

Ganz fertig war’s dann doch noch nicht. Richter Trick zog die Stellschraube noch etwas an. Er erhöhte die Bewährungsfrist auf volle drei Jahre, legte dem Verurteilten auf, mindestens ein Gespräch mit einer anerkannten Schuldnerberatungsstelle zu führen und sich während der dreijährigen Bewährungszeit einem Bewährungshelfer zu unterstellen. Außerdem muss er die Gerichtskosten tragen und jeden Wohnsitzwechsel melden. "Auch wenn Sie der andere etwas geschubst haben mag, das rechtfertigt keine Notwehrlage", begründete Trick sein Urteil.

"Ich hätte Ihnen gerne ein Schmerzensgeld zugesprochen", wandte sich Richter Trick am Schluss der Sitzung noch an den Geschädigten. "Aber bei der finanziellen Lage (des Angeklagten) ist dies beim besten Willen nicht darstellbar." Aber vielleicht lasse sich der Hotelier diesen Vorgang titulieren. "Dann haben Sie die nächsten 30 Jahre eine Schmerzensgeldforderung zu erwarten", gab’s einen Hinweis an den Täter, der gleichzeitig ein nicht wirklich gut versteckter Tipp an den Geschädigten war.