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Horber Experte Ralf Dreiling erklärt, was beim Kontakt mit Wespen zu beachten ist

Wespen können wahre Plagegeister sein – gerade im August und September, wenn die Völker ihre maximale Population erreichen und der Hunger der Insekten am größten ist. Der Horber Wespen-Experte Ralf Dreiling rät dennoch: einfach Ruhe bewahren.

Horb. Angst vor Wespen kennt Ralf Dreiling, der seit 2012 als Fachberater für Wespen und Hornissen für das Landratsamt Freudenstadt tätig ist, nun wirklich nicht. Mehrere Völker leben auf seinem Grundstück in Mühlen, hinter dem Haus befindet sich sogar ein Hornissennest. Gestochen wurde Dreiling aber erst zweimal – obwohl er häufig auch ohne Schutzanzug unterwegs ist.

Die aktuelle Diskussion über den angeblichen Jahrhundert-Wespensommer hält der Mühlener daher für übertrieben. "Es gibt zwar dieses Jahr mehr Wespen als im vergangenen Jahr. Das liegt aber daran, dass 2017 nur sehr wenige Wespen unterwegs waren", betont Dreiling, der auch im Vorstand des Horber Naturschutzbundes sitzt. In diesem Jahr herrschen hingegen optimale Bedingungen für Wespen, was insbesondere am warmen Frühjahr liegt. So konnten viele Jungköniginnen, die als einzige Mitglieder des Wespen-Staates den Winter überleben, Nester bauen, ihre Eier legen und die erste Generation ihres Volkes aufziehen. Die schwärmt anschließend aus und sammelt Nahrung für das Nest, während die Königin dann nur noch mit dem Ablegen der Eier beschäftigt ist. Höhepunkt im Wespenjahr ist die Phase zwischen Mitte August und September, wenn die Population ihre Maximalstärke erreicht. Laut Dreiling tummeln sich dann bis zu 10 000 Einzeltiere im Nest. "So eine Masse an Tieren muss ernährt werden", erklärt der Wespen-Experte, warum die Insekten in dieser Zeit dem Menschen ganz besonders auf die Pelle rücken.

Proteine und Kohlenhydrate

Interessant sind für Wespen Fleisch, Obst und Süßigkeiten. Das Fleisch ist wichtig aufgrund seiner Proteine, das für die Aufzucht der Brut benötigt wird. Die Kohlenhydrate in Obst und Süßigkeiten benötigen die Arbeiterinnen hingegen für sich selbst. "Das ist ihr Flugbenzin", vergleicht Dreiling.

In Horb finden Wespen recht gute Bedingungen vor. Ihre Nester bauen die Königinnen vorzugsweise in kleinen Höhlen, in Todholz, aber auch unter regenfreie Dachvorsprünge, was im Stadtgebiet in Hülle und Fülle vorhanden ist. Zudem profitieren die Tiere von Blumen, die ganzjährig in der Blüte stehen, was in Horb ebenfalls der Fall ist. Und auch der Neckar bietet gute Voraussetzungen für Wespen, denn dort leben viele andere Insekten, auf die die Arbeiterinnen Jagd machen. "Wespen kommen in Horb sehr gut zurande", weiß Dreiling. Er schätzt, dass es im Stadtgebiet mehrere Tausend Wespennester gibt.

Andererseits sind die Siedlungen in Horb so klein, dass hier – anders als in Großstädten – nicht nur die beiden aggressiven Wespenarten vorkommen: die Deutsche Wespe und die Allgemeine Wespe. So gebe es in Horb auch viele Nester der Sächsischen Wespe, zwei davon auch auf Dreilings Grundstück in Mühlen. Der Experte unterstreicht: "Die Sächsische Wespe ist friedlich und geht auch nicht an den Kaffeetisch. Sie leidet leider sehr unter dem schlechten Ruf ihrer Schwestern." Allerdings: Aktuell sind in Horb fast nur noch Allgemeine und Deutsche Wespen unterwegs, denn die Sächsische überlebe den August in der Regel nicht.

Atemluft macht aggressiv

Nähert sich eine Wespe der beiden aggressiven Arten, müsse man deswegen aber nicht gleich in Panik verfallen. Vor allem rät Dreiling, die Tiere nicht anzupusten. "Das CO2 in der Atemluft wird sofort als Angriffssignal gewertet", warnt der Wespen-Experte. Ebenso sollte man Wedeln, hektische Bewegungen oder das Schlagen nach den Tieren unterlassen, denn auch hier gelte: "Das macht sie verrückt und bringt sie in den Angriffsmodus." Stattdessen solle man die Wespen vorsichtig zur Seite schieben, dann passiere auch nichts. Denn: "Wespen wollen nicht stechen, sondern Nahrung finden. Stechen bedeutet für sie einen Aufwand. Das wollen sie aber nicht. Die Tiere sind faul", verdeutlicht Dreiling.

Sticht eine Wespe dennoch zu, habe das – abgesehen vom Schmerz – keine wirklich negativen Folgen. Das gilt jedoch nicht für Allergiker. Dreiling: "Wenn die Stelle, an der die Wespe zugestochen hat, anschwillt, sagt das noch gar nichts aus. Das ist eine normale Körperreaktion aus." Tritt jedoch Herzrasen ein oder schwellen auch andere Stellen am Körper auf, muss sofort der Notarzt kontaktiert werden. Dreiling weiß: "Dann kann ein Stich innerhalb von zwei Minuten tödlich sein."

Wespen töten oder nicht?

Ist es da nicht ratsamer, Wespen ohne Risiko sofort zu töten? Schon allein aufgrund seiner Nabu-Mitgliedschaft will Dreiling dem nicht zustimmen, im Falle eines Kontakts mit den beiden aggressiven Arten relativiert der Mühlener jedoch: "Eine einzelne Wespe macht dem Volk nichts aus. Und je mehr man den Tieren durchgehen lässt desto lästiger werden sie. Die aggressive Arten schicken Kundschafterinnen aus, die Verstärkung holen. Wenn Nahrung da ist, dann holen sie sich die auch."

Wenn es aber um ganze Nester geht, dann ist Dreiling in keinem Fall für die Holzhammer-Methode. Alarmiert ein Bürger das Landratsamt, weil sich ein Nest in der Nähe eines Wohngebäudes befindet, setzt sich einer der 16 Fachberater im Kreis Freudenstadt in Bewegung. Dreiling schaut sich in dem Fall die Tiere ganz genau an. Handelt es sich etwa um friedliche Sächsische Wespen, wirbt er bei den Bewohnern dafür, dass die Nester bleiben können. "Wenn das der Fall ist, hat sich meine Arbeit gelohnt", sagt Dreiling.

Echter Fan von Wespen

Auf ähnliche Weise ist auch er einst zum Experten für Wespen und Hornissen geworden. "Mein Kontakt zu den Tieren entstand durch einen abendlichen Besuch einer Hornisse in meinem Wohnzimmer", erinnert der Mühlener, der beobachtete, wie sich die Hornisse friedlich auf die eilig zur Hand genommene Fliegenklatsche setzte. "Sie hat sich darauf gesetzt, als wäre das eine Senfte, und ließ sich von mir vor die Tür tragen. Da habe ich gemerkt, dass das keine blutrünstigen Monster sind, sondern sehr interessante Tiere." Heute bezeichnet sich Dreiling als "echter Fan von Wespen und Hornissen" – und versucht, auch anderen Menschen in Horb die Furcht vor den Insekten zu nehmen.