Viel Fingerspitzengefühl ist gefragt, bis der Heißluftballon in der richtigen Position ist. Foto: Lück

Amtierender Europameister landet bei Wertungsfahrt weit hinten. Schwabo-Reporter vorne mit dabei.

Horb - Damit hätte niemand gerechnet: Bei der ersten Wertungsfahrt des Neckar Ballon-Cup landet der amtierende Europameister weit hinten. Und ich bin bei einem Sieger mit dabei.

Die Mensa im Schulzentrum, gegen 10.30 Uhr. Stefan Zeberli, amtierender Europameister der Ballonfahrer, sitzt allein am Tisch und analysiert noch mal die Route. Er sagt: "Ich habe eine ganz schlechte erste Fahrt gehabt. Der Wind in der Höhe hat – entgegen den Prognosen – doch gedreht. Weil die Ziele auf einer Linie waren, hat man alle verfehlt, wenn man zu weit rechts war. Deshalb habe ich das zweitschlechteste Resultat gefahren. Aber das gehört mit dazu – meistens ist meine erste Fahrt die Schlechteste."

Olaf Maus dagegen lächelt breit. Der Familienvater aus Mannheim war einer der ersten (Ballon)-Fahrschüler des Horbers Fabian Bähr. Er ließ es mit seinem silbernen Ballon ganz locker angehen. Und holte 947 Punkte bei den Aufgaben der ersten Fahrt – Zeberli dagegen steht in den "provisorischen Ergebnissen" auf "Waiting".

Maus – der Überraschungssieger. Der Pilot fährt den dickbauchigen Ballon der Horber Ballonsportgruppe. Die Wettkampfballone sind eher länglich, damit sie schneller sinken und steigen können, um die jeweiligen Höhenwinde optimaler ausnutzen zu können.

Maus sieht das Ballonfahren eher gemütlich. Sein Motto: "Wettkampf ist nicht so mein Ding. Ich fahre lieber und genieße die Landschaft."

Maus, der Mannheimer. So locker er äußerlich wirkt und nebenbei noch auf seinen Sohn Florian aufpasst, umso konzentrierter ist er am Ballon. Macht jedes Seil selbst fest, kontrolliert die Gasleitungen. Sogar das Top-Seil und die Sicherung – alles muss eigenhändig sein.

Schon beim Briefing morgens um 5 Uhr im Schulzentrum war klar: Der erste Wertungslauf wird nicht einfach. Der Ballonwetterbericht: "Drei widersprüchliche Windprognosen". Die Aufgaben lautete unter anderem: Zielabwurf am alten Betraer Friedhof, Fly In beim Aldi-Kreisel in Horb und noch ein Zielkreuz. Wettbewerbsleiter Martin Wegner: "Ihr habt die Qual der Wahl."

Dann geht es los: Wir fahren Richtung Neckarhausen. Berg hoch nach Betra, raus auf den Feldweg richtig Wald. Oliver Grebenstein neben mir sagt: "630 Meter bis zur Ortsmitte." Olaf Maus sitzt am Steuer, sucht im Nebel eine Wiese. Fährt Richtung Wald, dann wieder zurück. Schaut auf sein Smartphone: "Von hier aus sind es 1,2 Kilometer bis zum Friedhof – das passt."

In den Lüften ist der Pilot der Herr

6.32 Uhr. Zwischen den Häusern sehen wir, wie der erste Ballon startet. Das Team rollt die Hülle aus, bläst kalte Luft hinein. Maus selbst verklettet den sogenannten Parachute – den Luftauslass – persönlich mit der Hülle.

Oliver Maus kommt an, zeigt mit den Fingern die "10". Maus: "Keine Hektik." Wir klettern in den Korb. Der Pilot sagt zu mir: "Aus versicherungstechnischen Gründen: Hier bin ich der Herr. Grundsätzlich gilt eine Regel: Gasleitung und die Leine – das ist meine."

Das Team hält den Korb, während Maus wartet, bis die Hülle gerade ist. Dann lassen die Männer los. Wir heben ab.

Es ist immer noch neblig. Der Ballon fährt Richtung Neckartal. Maus: "Es heißt übrigens fahren, weil das funktioniert wie ein Schiff: Die Wärme sorgt für Auftrieb – wie der Hohlkörper des Schiffes im Wasser."

Apropos Auftrieb. Oliver Maus fragt mich, wie schwer wohl der ganze Ballon so sein mag. Ich bin noch müde, kann kaum nachdenken. Maus: "Luft wiegt ungefähr ein Kilo. 3600 Kubikmeter sind da drin, mit Korb und der 140 Kilo schweren Hülle dürften wir auf vier bis fünf Tonnen kommen." Soviel wie ein LKW. Ein Sportflugzeug wie eine Cessna wiegt 1,5 Tonnen.

Drüben sehen wir, wie die Ballone versuchen, den Fly In beim Aldi-Kreisel hinzukriegen. Wir fahren Richtung Talheim. Oliver: "Da gibt es ein Baugebiet mit viel Platz zwischendurch." Olaf: "Stimmt. Da kommen dann alle gelaufen, wenn wir landen."

Plötzlich taucht unten ein gelbes Zielkreuz auf. Maus: "Holt mal den roten Marker. Wer will werfen?" Oliver wickelt das Band nochmal ordentlich um das Rechteck. Er sagt: "Die Spitze, die am nächsten zum Zielkreuz zeigt, von der aus wird gemessen."

Maus nimmt Kurs. Der Ballon nähert sich genau über dem gelben Kreuz. Dann nimmt er sich den Marker und wirft ihn runter. Oliver sagt: "Na, gut 20 Meter dran. Klasse. Ich glaube, wir sind die einzigen, die das hier gefahren sind."

Die anderen Ballone sind viel weiter weg. 8.25 Uhr. Maus zeigt mir zwei Seilschlaufen im Korb: "Hände rein, knien und nicht über den Rand gucken." Wir landen. Alles locker.

Dann tauchen die Verfolger auf. Der Korb wird fixiert, zum Auto gezogen. Dann wird die Hülle langsam runtergezogen. Und mühsam alles eingepackt und eingerollt. Olaf Maus: "Du lernst gerade die vier Phasen des Ballonfahrens kennen. Erste Phase: Erwartung. Zweite Phase: Genuss. Die dritte Phase ist jetzt: Der Sport. Und dann kommt noch die Gefahr – die Taufe."

Die ist dann zwei Stunden später. Ich knie auf den Stufen des Schulzentrums. Olaf tauft mich als "Prinz der schreibenden Zünfte." Kostet mich eine Locke und bringt mir die Erkenntnis, was das Faszinierende am Ballonsport ist.

Die Crew. Sie hat eigentlich nichts davon, nur Arbeit. Steht Dir trotzdem zu unchristlichen Zeiten zur Seite.

Die Fahrt. Ein Genuss.

Die Kunst. Kein Ruder, kein Steuer. Nur Du und der Wind. Und Du versuchst zu bestimmen, wohin die Richtung geht. Eine Aufgabe, die sogar für einen amtierenden Europameister nicht leicht ist.

Weitere Informationen: Neckar Ballon Cup. Die Ballone starten morgens ab 6.30 Uhr, abends ab 19.30 Uhr. Siegerehrung ist am Sonntag um 10 Uhr am Alten Freibad.