In diesem Haus wohnte unter anderem der "Friseur" und zwischenzeitlich auch der Komplize von Mohammed O. Foto: Lück

Mord in Nordstetten: Mohammed O. und sein mutmaßlicher Komplize lernten sich beim Haareschneiden kennen.

Horb - Woher kannten sich die Täter und wo schmiedeten sie ihre perfiden Pläne? Unsere Recherchen bringen mehr Licht in den Kriminalfall um den getöteten Michael Riecher.

Der Todesfall von Michael Riecher hat bisher viele Rätsel aufgeworfen: Woher kannten sich der wegen Mordes angeklagte syrische Flüchtling Mohammed O. (27), sein mutmaßlicher Komplize, ein 32-jähriger staatenloser Palästinenser? Und was hatte der 43-Jährige, der wegen "Nichtanzeige einer Straftat" angeklagt ist, mit den beiden zu tun? Die Recherchen unserer Zeitung zeigen, dass der Raubplan in Horb ausgeheckt wurde.

Der Friseur

Ein 43-Jähriger hat eine wichtige Bedeutung, dass sich Mohammed O. und sein Komplize kennenlernten. Hesham A. (Name von der Redaktion geändert) hat einige Jahre in Horb gewohnt, nachdem ihn die Flüchtlingswelle nach Horb führte. Seine Wohnung in der Kreuzerstraße: Balkon mit herrlicher Aussicht auf das Offizierskasino, das Riecher (57) vor acht Jahren gekauft hatte. Später vermietete Riecher das Offizierskasino auch an Flüchtlinge. Mohammed O. machte hier auch Hausmeisterdienste im Auftrag des Immobilienunternehmers. Hier soll der syrische Flüchtling auch auch mit dem schwarzen Jaguar von Riecher mit den beigen Ledersitzen vorgefahren sein.

2015 – die Flucht

Befragungen des Umfelds und Internetrecherchen ergeben folgendes Bild: Hesham A. hatte in Jerusalem die Schule besucht, an der Al Quds Uni studiert. Das ist eine Fernuni für Palästinenser. Dann die Flucht nach Europa – sie führte nach Spanien. Mit dabei: Imram K. (Name von der Redaktion geändert). Das ist der jetzt 32-jährige Ludwigsburger. Dazu noch: Imrams Frau und eine weiße Katze.

In Spanien, so erzählt das Umfeld von Hesham, habe es Streit zwischen dem Friseur und Imram gegeben. Man habe sich auch geprügelt. Der Grund dafür: Der Friseur wollte die vielem Schulden, die Imram bei ihm hatte, zurück. Hat der Friseur dem Palästinenser die Flucht vorfinanziert?

Ankunft des Friseurs

Heshem A. landet in Horb. Der Friseur schneidet den Flüchtlingen die Haare, stutzt ihnen die Bärte. Auch Mohammed O., der damals auch in Horb landet, war sein Kunde.

Der Komplize in Horb

Im Frühjahr 2018 taucht in Horb plötzlich der Fluchtgefährte des Friseurs wieder auf – Irgendwann in dieser Zeit müssen sich auch Mohammed O. und Michael Riecher in Nordstetten, wo beide in einer Straße wohnten, angefreundet haben. Imran erzählt in Horb, dass er aus Stuttgart kommt. Mindestens dreimal wurde er beim Friseur gesehen – auch gemeinsam mit Mohammed O..

Beim Friseur, so erinnern sich Flüchtlinge, haben sich der jetzt wegen Mordes angeklagte Syrer und Imram auch darüber unterhalten, dass Riecher vermögend ist. Einmal habe es ein Gespräch zwischen Imram und Mohammed O. gegeben. Dabei ging es um die Freundschaft des syrischen Flüchtlings mit Michael Riecher. Die Männer lästerten darüber, ob der Syrer vielleicht auch eine sexuelle Beziehung mit seinem Freund hätte. Daraufhin soll Omran gesagt haben: "Michael ist cool. Er ist mein Freund und er hat Geld."

Imram K. fällt negativ auf

Imram fällt in Horb laut Erzählungen negativ auf. Er hat immer Parfum dabei, will es verkaufen. Das Geld dafür – 30 bis 35 Euro – will er sofort. Einmal wird Imram erwischt, wie er versucht, aus dem Auto eines Flüchtlingshelfers etwas zu stehlen. Die Flüchtlinge alarmieren den Helfer – bekommt die Lage in den Griff.

Einen Monat vor dem Mord

Irgendwann im Oktober soll Imram dann zu Hesham nach Horb gezogen sein. Der Grund laut Umfeld: Er hatte sich von seiner Frau getrennt. Während dieser Zeit soll es zum erneuten Streit zwischen dem Friseur und dem Ludwigsburger. Dabei ging es um Geld, so wird erzählt. Nach sieben bis zehn Tagen war Imram dann wieder ausgezogen. Hinterher habe der Friseur erzählt, dass er die 2000 Euro von Imram inzwischen bekommen habe. War das etwa Geld aus der Beute? Laut Staatsanwaltschaft wurde bei dem Raub Bargeld in einer Summe im vierstelligen Bereich entwendet.

2. November: der Mord

Imram K. (32) ist angeklagt, Michael Riecher am 2. November irgendwann zwischen 18 und 19.30 Uhr in seinem Haus in Nordstetten überfallen zu haben. Er wollte Geld haben, bekam es auch. Dann kam auch Mohammed O. (27) dazu und soll Riecher erwürgt haben, um die Tat zu verschleiern. Deshalb ist der syrische Flüchtling wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Mord angeklagt. Seinem Komplizen wird räuberische Erpressung in Tatheim mit Totschlag durch Unterlassen vorgeworfen.

Nach dem Mord war unser Reporter am Tatort:

Mohammed O. am Tatort

Am Samstagmorgen, 3. November, soll dann ein Geschäftspartner von Michael Riecher Mohammed O. angerufen haben. Riecher, der als pünktlich galt, war zum 10 Uhr-Termin nicht erschienen. O. ging nach Erzählungen von Zeugenzum Haus von Riecher – mit einem Familienvater, der auch aus Syrien geflüchtet war. Der klingelte mehrmals bei Riecher.

Der Familienvater wollte schon wieder gehen. Doch der jetzt angeklagte mutmaßliche Mörder klingelte noch einmal, bis die Mieterin von Riecher im Obergeschoss öffnete. Sie ließ die beiden Männer in den Flur, machte die Wohnungstür von Riecher auf. Dahinter lag das Opfer. Mohammed O. ging hinein, die Frau schrie geschockt und rief den Krankenwagen. Der Familienvater sah nur die Beine des Opfers. Der ohnehin schon durch seine Kriegserlebnisse in Syrien traumatisierte Mann erlitt daraufhin einen neuen Schock. Seitdem soll er in psychologischer Behandlung sein

Strafbefehl gegen Friseur

Anfang des Jahres meldet sich der Friseur, der jetzt im Umkreis des Landkreis Ludwigsburg lebt, wieder bei den Flüchtlingen in Horb. Er muss jetzt eine Geldstrafe in Höhe von 3600 Euro zahlen. Der trafbefehl, den die Staatsanwaltschaft Rottweil beim Amtsgericht Horb erwirkt hat. Vorwurf: "Verdacht der Nichtanzeige geplanter Straftaten."

In der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft heißt es dazu: "Der Verdacht der Tatbeteiligung des 43-Jährigen hat sich durch die Ermittlungen nicht bestätigt." Frank Grundke, Presesprecher der Staatsanwaltschaft, hat dem Schwarzwälder Boten dazu gesagt: "Er war vorher in das Geschehen planmäßig mit einbezogen."

Der 43-Jährige hat jetzt Widerspruch gegen den Strafbefehl eingelegt. Deshalb muss er zur Verhandlung zum Amtsgericht Horb.

Kein "Vorzeige-Flüchtling"

Das Bild des "Vorzeige-Flüchtlings" Mohammed O. gerät jetzt ins Wanken. Der Syrer trat auch öffentlich in der Presse auf, weil er sich so vorbildlich in Horb integriert habe. Andere Flüchtlinge erzählen: "Mohammed war nur auf seinen Vorteil aus. Wir, die wir seine Muttersprache sprechen, haben das schnell gemerkt. Die Deutschen vermutlich nicht. Ein Beispiel: Als wir alle noch in der Sammelunterkunft in der Ihlinger Straße gewohnt haben, wurde in Horb ein Sack mit Kleidern für uns Flüchtlinge abgeben. Mohammed O. hat das mitbekommen, hat den Sack mit einem Kumpel geschnappt. Dann sind sie an den Neckar gegangen, haben sich die besten Sachen rausgesucht und haben den Rest in den Fluss geschmissen. Das hat er uns hinterher selbst erzählt."

In der U-Haft gibt sich Mohammed unschuldig, erzählen die Flüchtlinge. Bei einem Besuch eines Gastes in Rottweil soll er gesagt haben: "Ich bin unschuldig. Ich war nicht im Haus von Michael. Wenn ich hier rauskomme, gehe ich wieder nach Syrien zurück."

Verändertes Klima

Der mutmaßliche Mord hat für eine Verschlechterung des sonst sehr offenen gesellschaftlichen Klimas gesorgt. Ein Flüchtling: "Mohammed hat uns alles kaputt gemacht, was wir uns an gutem Ruf in Horb aufgebaut haben."

Alle Artikel zum Mord in Nordstetten finden Sie auf unserer Themenseite.