Julia Klöckner lässt sich beim Kreisbauerntag in Horb die Kostproben nicht entgehen. Foto: Lück

Bundeslandwirtschaftsministerin reagiert gelassen auf Aktivisten und wehrt sich gegen Lobby-Vorwurf.

Horb - Wann hat man schon mal die entscheidende Ministerin zu Besuch? Viele Themen brannten den Landwirten aus den Kreisen Freudenstadt und Calw beim Besuch von Julia Klöckner unter den Nägeln. Und dann sorgten auch noch Tierschützer für einen Eklat.

Die eigentlich gut gelaunte Ministerin hatte gerade gescherzt: "Es gibt Leute, die sagen, die Weinkönigin weiß das nicht. Dabei hat die Weinkönigin aber auch Abitur und den Führerschein." Selbstironie, denn Klöckner wurde 1995 zur Deutschen Weinkönig gewählt.

Da steht eine Aktivistin auf und ruft ins Megafon. Klöckner: "Man versteht sie nicht. Sie können gleich was sagen." Dann ist erst einmal Ruhe. Kurz nach 15 Uhr dann geht eine andere Frau nach vorne. Sie hat das rote Logo "Menschen für Tierrechte" auf dem schwarzen Sweat-Shirt. Im Saal stehen die anderen Aktivisten auf und heben Transparente mit Parolen wie "Stoppt Lobby Klöckner", "Stopp Ferkelkastrationen" oder "Stopp Tiertransporte". Klöckner bleibt cool uns sagt: "Es ist okay, dass sie hier ihre Meinung sagen. Dies ist allerdings eine Veranstaltung, die als Vortrag geplant ist." Die Landwirte wollen eingreifen, doch die Ministerin sagt: "Lasst sie doch!"

Zuhörer werden unruhig

Die Zuhörer – gut 700 Landwirte und Interessierte – werden unruhig. Rufen "Raus" oder "Buh". Stefan Schäfer aus Betra bittet die Frau, den Saal zu verlassen. Nach und nach verlassen die Aktivisten, die Klöckner Lobbyismus vorwerfen, die Hohenberghalle.

Genau gegen den Vorwurf des Lobbyismus wehrt sich Klöckner in ihrer Rede. Das Manuskript hat sie weggelegt, wie sie sagt: "Ich stehe als Ministerin für Ernährung, Verbraucher und Landwirtschaft in der Mitte. Es bringt aber nichts, wenn man die Diskussion um die Ernährung um alles oder nichts oder auf schwarz und weiß radikalisiert. Wir brauchen eine andere Debattenkultur. Ich halte nichts von Kampfbegriffen. Es kommt auf die Qualität an, wie man mit Tieren und dem Acker umgeht. Wer sagt: Wer viel hat, ist schlecht und wer wenig hat, ist automatisch gut – das ist mir intellektuell unterkomplex!"

Gerhard Fassnacht, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes: "Die Art der Veranstaltung hat es nicht verdient, dass es zu solch einem Eklat gekommen ist. Liegt vielleicht daran, dass die Leute sich keine Gedanken über die Qualität ihrer Lebensmittel machen müssen. 500 Meter weiter im Real gibt es alles. Deshalb kommt man vielleicht auf Gedanken, die meilenweit weg von der Realität sind!"

Der Kreisbauerntag in der Hohenberghalle: Treff von Promis, Landwirten, Bürgern. Calws Landrat Helmut Riegger ist ebenso gekommen wie Freudenstadts Landrat Klaus Michael Rückert.

Seine Aufgabe: Die Zeit bis zur Ankunft von Julia Klöckner zu überbrücken. Rückert: "Ich bin hier, um die Stimmung für die Landwirtschaftsministerin anzuheizen. Ich bin dankbar für den großen Ansturm hier in der Hohenberghalle. Um der Ministerin zu zeigen: Wir sind selbstbewusst hier im Raum und stehen zu unserer Heimat."

Hans-Jochen Burkhardt, Mutterkuhhalter aus Würzbach, spricht dann vor Klöckner Klartext zum Thema Wolf: "In Deutschland muss die Schutzjagd wie in Schweden erlaubt werden. Wolfsrudel zu regulieren, muss zum Normalfall werden. Die Population muss im unteren dreistelligen Bereich festegelegt werden. Manchmal kommt mir die Diskussion so vor wie beim Fußballspiel: Die wahren Profis stehen auf der Tribüne und schreien rum, obwohl sie keine Ahnung vom Spiel haben."

Klöckner: Ansiedlung von Wolf ist Erfolg

Klöckner antwortet später: "Es ist ein Erfolg, dass der Wolf wieder angesiedelt wurde. Wir müssen aber, wenn sich der gute Erhaltungszustand abzeichnet und die Population sich dann um 20 Prozent erhöht, eine Regulierung einführen. Obwohl dann die Landratsämter, die dafür zuständig sind, von solchen Leuten, die hier Transparente hochhalten, mit Anzeigen überzogen werden."

Den Eintrag ins Goldene Buch der Stadt absolviert die Bundeslandwirtschaftsministerin locker. Lobt die Stadt-Mitarbeiterin, die ihre Seite so schön gestaltet hatte: "Ich pass auf, dass ich ihnen das schöne Bild nicht verhunze!"

Überhaupt: Bei ihrem Auftritt in Horb ist Julia Klöckner – bis auf die Tierschützer-Aktion – bester Laune. Begrüßt Kreisbauernverbands-Chef Gerhard Fassnacht mit den Worten: "Nach ihrem Namen ist das ja jetzt ihre Zeit." Er antwortet, dass er es nicht so mit der Fasnet habe.

Bei der Begrüßung vor der Halle gibts gleich eine Umarmung und ein Wangenküsschen für Hans-Joachim Fuchtel. Der Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär im Entwicklungsministerium, hatte sie hierhergeholt. Klöckner: "Ich bin heute trotz vollem Terminkalender da, weil Fuchtel so stark dafür geworben hat. In seiner unnachahmlichen Art kriegt er das hin."

Nach der Rede macht Klöckner noch einen Hallenrundgang. Holt sich gleich beim Bäcker Saur ein Stück leckeres Brot. Matthias Saur hat extra Butter besorgt. Metzger Uwe Widmaier zeigt ihr 25 Blatt Papier: "Das ist die Dokumentation, die ich für ein einziges geschlachtetes Rind leisten muss. Dabei bin ich Metzger geworden, um am Produkt zu arbeiten und nicht im Büro zu sitzen." Klöckner packt den Stapel ein, sagt: "Darum müssen wir uns kümmern."

Schnell noch ein Foto bei der Kreissparkasse, der Volksbank. Auch Gernot Fröschle, vom Wolf betroffener Schafhalter aus Bad Wildbad, spricht mit Klöckner. Obwohl sie einen Anschlusstermin hat, geht es auch noch bei Brändle-Öl und den anderen Ausstellern vorbei.

Info: Tierschutz und Co. - Klöckners Positionen

Horb - Was waren Highlights der Rede von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner? Wir fassen sie zusammen:

Tierschutz Julia Klöckner sagt hierzu: "Wir werden mehr für das Tierwohl tun müssen. Schwänze kupieren, Ferkel-Kastration – das sind Themen, da müssen wir rangehen. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, zu sagen: Man muss vom Ende her denken."

Es bringe nichts, die heimischen Landwirte mit zu übereilten Vorschriften zu überrumpeln, so dass sie in Existenznot geraten. Klöckner: "Dann habe ich Fleisch auf dem Teller, das da her kommt, wo ich keinen Einfluss mehr habe. Die Verbraucher in Deutschland geben derzeit neun Prozent vom Haushaltseinkommen für Nahrungsmittel auf. Es ist schön, dass die Verbraucher fordern, dass es mehr regionale Produkte gibt. Mit höheren Auflagen, die der Wettbewerber im Ausland nicht hat. Da nützen keine Sonntagsreden der Verbraucher, wenn sie nicht von Montag bis Samstag diese Haltung auch beim Einkauf umsetzen."

Einkaufen Klöckner: " Wenn der Handel Hähnchenschenkel für 15 Cent pro 100 Gramm anbietet, ist das unmoralisch." Ferkel-Kastration Freudenstadts Kreisbauernverbandsvorsitzender Gerhard Fassnacht hatte gefordert, dass man die örtliche Betäubung erlauben sollte. Klöckner antwortet: "Es gibt dafür keine Mehrheit im Bundestag. Die Wissenschaft sagt: Die Lokalanästhesie ist keine Schmerzausschaltung. Es hilft nichts, an dem festzuhalten, wenn die wissenschaftlichen Erkenntnisse anders sind."

Förderung Klöckner will auch das Tierwohl finanziell besonders fördern – mit der Einführung des staatlichen Labels. Die Bundeslandwirtschaftsministerin: "Mehr Tierwohl kann der Halter nicht allein finanzieren. Man kann den Landwirten nicht alles vor die Hütte kippen."

Auch zum Vorwurf, Klöckner wäre Lobbyistin für die großflächige Landwirtschaft, nimmt die Ministerin Stellung: "Heute geht es darum: Wir haben viele kleinere Betriebe und Biohöfe, die sagen: hätten wir die Einkommens-Unterstützung nicht, könnten wir die Höfe nicht an unsere Kinder vererben. Wir reden darüber, ob wir die ersten Hektare stärker fördern, um diese kleineren Betriebe zu unterstützen."

Pflanzenschutzmittel Klöckner nimmt das Beispiel der perfekt aussehenden Äpfel im Supermarkt, die nur so gehen. Ein Bio-Landwirt: "Das geht auch ohne Pflanzenschutzmittel!" Klöckner: "Durch den Klimawandel haben wir ganz neue Schädlinge, die auf uns zukommen. Wir brauchen andere Applikationen, die das Pflanzenschutzmittel dort platzieren, wo es gebraucht wird. Deshalb haben wir einen 900 Millionen Euro starken Forschungshaushalt, um Systeme des Pflanzenschutzes sowohl für konventionelle als auch die Bio-Landwirtschaft weiter zu entwickeln." Sie nennt ein Beispiel aus dem Obstanbau, wo Laserapparate genau das analysieren und Drohnen dann passgenau sprühen.

Ländlicher Raum Klöckner: "Mich nervt es, dass alle Innovationen in die Verdichtungsräume geht, aus Steuermitteln, die zum Großteil aus dem ländlichen Raum kommen. Wir brauchen jetzt ein passgenaues Programm für den ländlichen Raum. Keine Gießkanne!" Donnernder Applaus hierfür in der Hohenberghalle.