Hat ein Gerichtsurteil im Saarland bald Auswirkungen auf die Blitzersäulen in Horb? Foto: Lück

Anwalt Wally empfiehlt: "Sofort Einspruch gegen Bußgeldbescheide einlegen." Jenoptik kündigt Update an.

Horb - Jetzt droht dem Rathaus jede Menge Blitzer-Ärger. Der Grund: Der Verfassungsgerichtshof Saarbrücken hat jetzt entschieden, dass die Daten aus den Messungen von Blitzersäulen, die auch in Horb verwendet werden, nicht verwertet werden dürfen. Kommen Bußgeldsünder jetzt davon?

Zwar gilt das Gerichtsurteil nur im Saarland, doch für Steffen Wally, Rechtsanwalt und einer der Experten für Verkehrsrecht aus Horb, ist die Konsequenz aus dem Urteil klar. Er empfiehlt allen, die jetzt einen Bußgeldbescheid aus diesen Blitzsäulen bekommen haben, Einspruch einzulegen.

Wally zum Schwarzwälder Boten: "Es ist grundsätzlich zu empfehlen, gegen Bußgeldbescheide der Stadt Horb Einspruch einzulegen. Dies muss form- und fristgerecht geschehen: Schriftlich innerhalb zwei Wochen ab Zustellung des Bußgeldbescheids. Zwar entfaltet das Urteil des Landesverfassungsgerichts des Saarlandes keine unmittelbare Wirkung auf Entscheidungen der Stadt Horb, jedoch ist eine Berufung auf das Urteil im Rahmen der Einspruchsbegründung durchaus zulässig und zu empfehlen."

Worum geht es bei dieser Entscheidung des Verfassungsgerichts Saarbrücken? Es geht um die Messanlagen von Jenoptik mit dem Namen Traffistar S350. Die stecken auch in den Blitzersäulen von Horb. Ein Kläger hatte bemängelt, dass sie nicht alle Messdaten speichert, sodass man die Korrektheit überprüfen kann. Der Verfassungsgerichtshof Saarland gab dem Mann recht. Wally erläutert: "Gegenstand des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht des Saarlandes war die Frage, ob der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt wird, wenn seitens der Verteidigung trotz Einhaltung der Standards (Ordnungsgemäße Eichung, Bedienung durch geschultes Personal) die Messung angezweifelt wird und eine sachverständige Überprüfung des konkreten Messergebnisses durch Auswertung der Rohmessdaten verlangt wird, dies aber vom Gericht verweigert wird oder nicht möglich ist, weil die Daten gelöscht wurden."

Jenoptik kündigt ein Update an

Jenoptik hat jetzt ein Update für alle seine Blitzer angekündigt. Dann werden auch die Rohdaten gespeichert.

Sind jetzt alle Bußgeldbescheide auch aus Horb ungültig? Stadtsprecher Christian Volk antwortet: "Die Stadtverwaltung Horb hat das Urteil des saarländischen Verfassungsgerichts vorgestern sehr wohl zur Kenntnis genommen und befindet sich derzeit in enger Abstimmung mit der Firma Jenoptik. Nach Aussage des Herstellers soll in Kürze ein Software-Update erfolgen, sodass die Messdaten komplett gespeichert werden. Nach unseren Informationen ist auch das Landesverkehrsministerium in Stuttgart in eine entsprechende Prüfung eingestiegen. Obwohl das Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes derzeit nur unmittelbare Geltung für das Saarland hat und die Zulassung für das betroffene Modell durch das Urteil nicht aufgehoben wurde, prüft die Stadtverwaltung aktuell, welche rechtlichen Auswirkungen sich gegebenenfalls auch für Horb ergeben könnten."

Wie hoch sind die Chancen, dass die Temposünder noch mal davonkommen? Wally: "Dass die Instanzgerichte außerhalb des Saarlandes der Entscheidung aus Saarbrücken folgen, und Verfahren reihenweise einstellen, erscheint fraglich. Vor diesem Hintergrund muss die weitere Entwicklung der Rechtsprechung in den anderen Bundesländern und letztlich des Bundesgerichtshofs oder des Bundesverfassungsgerichts abgewartet werden. Eine Prognose ist hier schwierig."

Rückwirkende Einsprüche haben wohl keine Chance

Das heißt im Klartext: Wenn die noch höheren Gerichte dem Urteil aus Saarbrücken zustimmen, könnten dann alle auch in Horb geblitzten Autofahrer profitieren, die jetzt Widerspruch einlegen.

Verkehrsrechtsexperte Wally empfiehlt diesen Widerspruch zumindest allen, die eine Rechtsschutzversicherung haben. Und vor allem für Bußgeldbescheide, die vor dem angekündigten Softwareupdate ausgestellt wurden. "Wer eine Verkehrsrechtsschutzversicherung hat, ist hier im Vorteil. In diesem Falle kann der Instanzenweg zumindest ohne erhebliches Kostenrisiko beschritten werden."

Bekommt man auch das Geld aus alten Bußgeldbescheiden zurück? Wer nicht innerhalb von zwei Wochen Einspruch eingelegt hat, habe mit dem "Rohdatenargument" wenig Chancen, so Wally: "Eine rückwirkende Aufhebung bereits bestandskräftiger Bußgeldbescheide kommt meines Erachtens nach nicht in Betracht, da das Landesverfassungsgericht Saarland in einem konkreten Einzelfall die Rechte des Betroffenen auf ein faires Verfahren verletzt sah. Die generelle Fehlerhaftigkeit der Messergebnisse dieses Geräts wurde hingegen nicht festgestellt."