Viele kritische Fragen hatten die Ahldorfer Bürger bei der öffentlichen Sitzung des Ortschaftsrates. Foto: Jürgen Lück

Geplantes Gewerbegebiet: Bürger und CDU-Fraktionschef beziehen bei Ratssitzung eindeutig Stellung. Mit Video

Horb-Ahldorf - Ein stellvertretender Ortsvorsteher unter Druck. Ein Oberbürgermeister, der gar nicht so feindlich behandelt wurde wie erwartet. Und jede Menge Fragen. Die Diskussion um das geplante Gewerbegebiet in Ahldorf dauerte knapp zweieinhalb Stunden.

Rund 300 Bürger sind zu der Sitzung in die Ahldorfer Mehrzweckhalle gekommen. Dort präsentiert sich Michael Keßler in einer Doppelrolle: Weil Ortsvorsteher Hartmut Göttler ein Grundstück in der kritischen Fläche besitzt und deshalb befangen ist, führt der Vorsitzende der CDU-Gemeinderatsfraktion als Göttlers Vize die Sitzung. Keßler: "Es gab Angriffe auf mich als Fraktionssprecher. Fakt ist: Es ist noch nicht entschieden, dass es gebaut wird."

Die Sprecherin der Bürgerinitiative (BI), Christina Nuss, fragt: "Der Gemeinderat hat sich für das Gewerbegebiet ausgesprochen, der Ortschaftsrat dagegen. Jetzt sind Sie Fraktionsvorsitzender der CDU– der kann ja lenken und steuern. Werden Sie sich für den Erhalt von Hau und Holzwiese in der Fraktion einsetzen?"

Keßler: "Ja, das will ich. Ich kann Ihnen aber nicht versprechen, wie weit ich da komme. Es ist nicht nur die CDU-Fraktion, die sich für Gewerbe einsetzt. Ich versuche, durch Argumente zu wirken und will mich dafür einsetzen, dass Hau und Holzwiese bleibt. Es ist aber bestimmt kein leichter Weg." Keßler verwies darauf, dass es selten geschlossene Abstimmungen und "uneinheitliche Stimmungsbilder" im Gemeinderat von den Fraktionen gibt.

Keßler, auch Nebenerwerbslandwirt: "Die landwirtschaftliche Fläche in Horb geht seit Jahren zurück. Es ist mein Ziel in der Stadt, dass man produktives Gewerbe schafft mit möglichst wenig Flächenverbrauch."

Dann folgte die Bürgerfragestunde. Die erste Frage: "Kann der Gemeinderat das Projekt noch stoppen?" Keßler: "Ja, mehrfach." Nächste Frage: "Das Gewerbe will sichtbar sein. Horb macht Reklame als Tor zum Schwarzwald und dann sieht man links und rechts Gewerbehallen? Da fühlt sich doch niemand wohl!" Keßler: "Die Gewerbetreibenden wollen wahrgenommen werden. Ich habe das selbst kritisch nachgefragt."

Die Bürger wollen wissen, ob es schon Grobpläne zum Gewerbegebiet gibt oder Erweiterungs-Pläne. Keßler: "Grobpläne gibt es nicht. Für Erweiterungen gibt es keine konkreten Planungen, was in fünf oder zehn Jahr ist, weiß niemand. Jeder weiß: Alle fünf Jahre wird neu gewählt. Da kann niemand etwas garantieren!"

Dann geht Lambert Straub, Vorsitzender des Nabu Horb, ans Mikro: "Mich wundert, dass wir nicht von Anfang an in das Verfahren miteinbezogen worden sind. Die Untersuchungen bei der Stadt sind immer geheim. Wir bekommen nicht mal den Einblick, was bereits gemacht wurde. Das ist nicht transparent!" Das findet auch Gerhard Nuss: "Wer hindert uns daran, die Kriterien zur Standortsuche gleich so aufzustellen, dass die Bürgerinteressen miteinfließen? Da fehlt mir die transparente Vorgehensweise."

Ein junger Mann will wissen, ob das im Masterplan angedachte Bauland für junge Ahldorfer mit dem Gewerbegebiet kollidiert. Keßler: "Der Weg nach Süden für Bauland könnte durch die Holzwiese beeinträchtigt sein."

Die nächste Frage geht um den Wald. Gut 18 Hektar sollen abgeholzt werden, nur ein 50 Mal 200 Meter großer Waldstreifen übrig bleiben: "Sind sich die Planer bewusst, dass der Rest des Waldes dann auch noch kaputt geht, weil der Schutz vor Wind und Sturm nicht mehr da ist?" Keßler: "Ich habe das nicht vor!" Das klare Bekenntnis führt zu donnerndem Applaus und Jubel in der Halle.

Dann bekommt Stadtoberhaupt Rosenberger das Wort. Der OB sagt zu, dass der Ortschaftsrat weiter intensiv beteiligt wird. "Alle Pläne liegen dem Gemeinderat und Ortschaftsrat vor. Der Plan, der hier an der Wand war, ist eine Probesuchfläche. Wir haben nicht gesagt, wie viel Wald abgeholzt wird oder wie viele Straßen dort gebaut werden sollen."

Was ist mit der Zwangsvertauschung? Rosenberger: "Es gibt ein gesetzliches Verfahren. Aber das ist keine Enteignung." Zur Kritik des Nabu: "Natürlich wollen wir die Fachleute hören. Es ist kein Naturschutzgebiet, es ist kein Landschaftsschutzgebiet, es ist kein ausgewiesenes Biotop. Der Gemeinderat hat beschlossen, dass sie auch angehört werden. Unser Thema ist im Moment: Wir wissen, dass die Flächen mittelfristig zur Neige gehen, und wir wollen uns organisieren für die Zukunft. Es gibt keine Verträge und keine Verhandlungen im Moment um diesen Standort. Das kann ich Ihnen zusichern. Diesen Standort vermarkten wir im Moment nicht."

Dann ist die Bürgerinitiative dran. Michael Kaupp: "Die bisherige Planung war nicht sehr transparent für mich. Auf Druck wurde jetzt ein Statement im Mitteilungsblatt abgegeben. Das Interesse von Norma wurde inzwischen von vielen Seiten bestätigt. Ein Logistiker zieht weitere Logistiker an. Es ist nicht einzusehen, das man für wenige Arbeitsplätze Wald fällt!" Applaus in der Halle. Kaupp weiter: "Ich finde es schlecht, dass der Ortschaftsrat so wenig Gehör findet."

Andreas Kaupp macht es ganz anschaulich: Auf der Präsentationsfolie hat er das geplante Gebiet blau gefärbt. Er zieht es auf Ahldorf rüber – es bedeckt den kompletten Ortsteil.

Karl-Eugen Hermann: "Mir tut schon die Vorstellung weh. Das ist so, als wenn man mutwillig unsere Häuser und Gärten zerstört! Wir haben hier schon Lärm genug. Fakt ist: Wir hatten schon viele Gutachten und Lärmschutzwälle in der Vergangenheit. Der Lärm ist immer noch da."

Das nächste Gegenargument von Andreas Kaupp: "Der Wind weht hier meist von Süd-Süd-West. Das heißt: Die Emissionen vom zukünftigen Gewerbegebiet werden direkt auf die Ahldorfer geblasen."

Christina Nuss: "Die Reiter vom Hirschhof haben mir erzählt: Wenn wir hier einen Baum fällen wollen, müssen wir bei mehreren Behörden nachfragen und aufforsten. Jetzt will man hier bei Ahldorf 500 Bäume einfach so fällen!" Nuss verweist auch auf die freien Flächen auf dem Industriegebiet Heiligenfeld. Nuss weiter: "Was hat uns Wirtschaftsförderer Blochwitz nicht alles auf dem Hohenberg von Sortimentsbeschränkungen erzählt. Das ist ein Gewerbegebiet – und man findet dort Brautmoden oder Anwälte. Die Stadt wird nicht attraktiver, wenn man etwas bekommt, was zehn Jahre zu spät ist und dann noch in abgespeckter Form!" Klare Anspielung auf das Einkaufszentrum.

Die BI-Sprecherin kritisiert die Pläne eines Gewerbegebiets als altbacken: "Ich wünschte mir, Horb wäre kreativer und würde nicht die alten, altbackenen Klischees verfolgen! Wie viele Menschen siedeln dort, wo sie arbeiten? Meine Arbeitskollegen arbeiten in Sindelfingen und haben ihr Home-Office in Ulm." Dieser Ansage folgt minutenlanger Applaus und Jubel.

Dann ergreift Horbs Stadtoberhaupt Rosenberger noch einmal Wort: "Es gab hier keine neuen Informationen. Wir sind gerade in einem Suchfeld." Rosenberger betonte, dass irgendwann Gewerbeflächen verbraucht sind: "Es muss dem Gemeinderat erlaubt sein, neue Potenziale zu suchen. Das Ihnen das hier in Ahldorf nicht gefällt, ist mir deutlich geworden."