Prozess: Vorbestrafte Bestellbetrügerin vor Gericht / Wollte Ehefrau die 54-Jährige anschwärzen?

Horb. "Des einen Leid – der Tod von Herrn Meier (Name geändert) – ist des anderen Freud. Sie haben Glück gehabt." Mit diesen Worten begründet Richter Albrecht Trick den Freispruch für die vorbestrafte Bestell-Betrügerin Sabine K. (54, Name geändert).

Da sitzt sie auf der Anklagebank: Sabine K. Zuletzt am 10. Mai 2017 verurteilt, weil sie 29 Mal Waren unter falschem Namen und Adresse bestellt hatte und nicht bezahlte. Die Frisur: Bei Männern würde man "Vokuhila" sagen. Die Kleidergröße: geschätzt mindestens 42.

Dabei geht es in der Anklage um ein Dirndl in Kleidergröße 33/34. Das passt wohl eher ihrer Tochter Cindy. Die steht auch vor dem Eingang des Amtsgerichts, ist gertenschlank.

Hat die Bestell-Betrügerin nur fünf Monate nach dem Urteil schon wieder was unter falschem Namen bestellt? Fakt ist: Es gibt zwei Rechnungen – über das dunkle Dirndl und dazugehörigem Spitzentop in Höhe von 160 Euro vom Versandhandel im September und knapp 90 Euro vom Oktober. Ausgestellt von einem Spielzeug-Versandhändler für ein interaktives Puzzle und eine Spielwelt-Feuerwehr. Adressiert an Carolin Meier, wohnhaft in einem Horber Ortsteil.

Doch diese Carolin gibt’s dort gar nicht – nur Klaus Meier und seine Ehefrau Maja (Name geändert). Die vorbestrafte Bestell-Betrügerin wohnte damals in Horb, Tochter Cindy in der Nähe der Meiers.

Die Pakete nehmen die netten Nachbar an

Die Pakete – angenommen von netten Nachbarn. Die eine erzählt: "Das Dirndl kam in Zellophan. Ich habe es Herrn Meier gegeben. Er hat mir erzählt, dass das eine Überraschung sei." Die andere Nachbarin erzählt: "Ich habe Herrn Meier mit Sabine K. und ihrer Tochter gesehen. Sabine hatte das Dirndl über dem Arm. Sie sind ins Auto eingestiegen und weggefahren."

Anfang Januar stirbt Klaus Meier. Seine Ehefrau Maja findet die Rechnungen und geht zur Polizei. Der ermittelnde Polizist: "Ich habe vorher gegen Sabine K. ermittelt. Das ist das bekannte Muster von ihr. Die Zeugen, die die Pakete angenommen haben, haben mir erzählt, dass es für die Vorbestrafte sei oder ihre Tochter.

K.s Verteidiger Guiseppe Olivo: "Haben Sie auch gegen andere Tatverdächtige, beispielsweise die Tochter, ermittelt?" Der Beamte verneint das. Weil auch andere Aussagen auf die Vorbestrafte hinweisen.

Doch warum hat Klaus Meier nicht einfach selbst bestellt? Immerhin dazu kann sein Bruder Stefan was sagen: "Er hat kein Geld gehabt. Wenn ich ihm nicht ausgeholfen hätte, hätte er nichts zu essen gehabt."

Klar habe er mitbekommen, dass sein Bruder trotzdem Pakete bekommen hat. Stefan: "Er hat mir erzählt, dass er das für Cindy bestellt. Als Geschenk. Sie hat das auch bezahlt." Stefan hat auch einen Brief an Richter Trick geschrieben. Zitat: "Wenn hier jemand schuldig ist, dann mein verstorbener Bruder und Cindy."

Richter Trick wird energisch. Verweist den Zeugen auf die möglichen Strafen für Falschaussagen oder Meineid. Stefan gibt immerhin zu, dass er vor dem Brief mit Cindy gesprochen hat.

In diesem Brief schreibt er auch, dass die Frau seines Bruders Schuld sei an der Anzeige. Warum, will Richter Trick wissen. Stefan: "Sie hat Cindy ein Verhältnis mit meinem Bruder angedichtet, was nicht stimmt." Dann kommt Ehefrau Maja in den Zeugenstand. Sie erzählt, dass sie die Rechnungen an die "Carolin Meier" gefunden hat. Mit ihrem Mann gesprochen habe: "Klaus hat mir gesagt, dass sind die Rechnungen von Sabine K. Er hat mir versprochen, dass er sie ihr gibt, damit sie die bezahlt."

Und warum dieser seltsame Weg? Ehefrau Maja: "Mein Mann hat gesagt, die Dame hat die Sachen selbst bestellt. Weil sie nicht will, dass ihr Mann das mitbekommt."

In der Zeit, als die Sachen bestellt wurden, war sie im Ausland. Um ihre kranke Mutter zu pflegen.

Dann greift Verteidiger Olivo an. Fragt, ob die Ehefrau, die in Restaurants arbeitet, eine Alexandra kennt. Das bejahrt Maja. Der Verteidiger: "Ich halte ihnen mal vor, was eine Alexandra aus Horb sagt, was sie ihr erzählt haben sollen. Ich zitiere mal: ›Ich werde Frau K. vor Gericht f.....‹". Maja schüttelt den Kopf: "Ich habe nur gesagt, das ist keine gute Person!"

Der Verteidiger hakt weiter nach. Fragt nach den Schulden des Mannes, ob sie selbst Cindy kennt. Zum Schluss sagt Maja: "Mein Mann und ich haben Cindy immer Carolin genannt." Dich Tochterverweigert die Aussage. Nicht nur, weil Sabine K. ihre Mutter ist. Sondern auch, weil sie sich selbst belasten könnte. Immerhin ist sie mit der Verlesung eines Briefes einverstanden, den sie Richter Trick geschrieben hat.

Im Zweifel für die Angeklagte

Der liest Cindys Schreiben dann vor: "Ich bestätige unter Eid, dass meine Mutter nichts mit der Sache zu tun hat. Ich mit Klaus Meier habe Schuld. Seine Ehefrau hat die Rechnungen nicht weitergeleitet, weil sie einen Hass auf meine Mutter hat. Sie hat ständig ihren Ehemann allein gelassen. Maja hat sein Geld verspielt, das kann sein Bruder bestätigen."

Dann ist die Beweisaufnahme zu Ende. Der Staatsanwalt plädiert auf Verurteilung zu neun Monaten ohne Bewährung. Unter anderem wegen der "fortgesetzten Serie der Vorverurteilungen" der Angeklagten.

Verteidiger Olivo: "Was haben die Zeugen über die vorgeworfene Tat meiner Klientin ausgesagt? Nada. Nichts. Beim Polizeibeamten hat es gleich klick gemacht – für ihn stand gleich fest, dass Sabine K. die Täterin war. Das Argument der Serie des Staatsanwalts ist nicht überzeugend. Weil diese Bestell-Betrügereien in neun von zehn Fällen so laufen: Man bestellt unter Fantasienamen an eine existierende Adresse. Andere nehmen es an, so kommt man ans Paket. Cindy wohnte in der Nähe. Und als die Ehefrau zum Schluss sagte, das Cindy Carolin war, ist klar, an wen die Pakete gerichtet waren. Deshalb plädiere ich für Freispruch."

Dem schließt sich Richter Trick an. Er sagt: "›Wir wissen nicht zweifelsfrei, ob Sabine K. das gemacht hat. Mich überzeugt nicht, was Cindy geschrieben hat. Auch nicht, was der Bruder von Klaus Meier gesagt hat. Ich hätte ihn gerne hiergehabt, doch er ist leider verstorben. Deshalb gilt: Im Zweifel für den Angeklagten!"

Fakt ist: In einer Verhandlungspause geht Ehefrau Maja an Cindy vorbei. Die Tochter der Angeklagten beschimpft sie: "Schämst Du Dich nicht? Du hast noch nicht mal ein Grablicht auf das Grab Deines Mannes gestellt." Aber das ist eine andere Geschichte...