Formaldehyd-Alarm im Schulzentrum auf dem Hohenberg: Eine umfangreiche Sanierung ist nun erforderlich. Foto: Hopp

Schulzentrum vor Sanierung. Nur Lüften hilft nicht. Neues Gutachten empfiehlt bauliche Veränderung.

Horb - Formaldehyd verpestet die Luft im Schulzentrum auf dem Hohenberg. Ein neues Gutachten zeigt: Die massive Belastung lässt sich auch durch Lüften nicht dauerhaft senken. Schuld sind Wand- und Deckenverkleidungen, die nun rausgerissen werden müssen.

"Wir haben ein Problem" – mit diesen Worten eröffnete Peter Rosenberger gestern den Tagesordnungspunkt "Formaldehyd im Schulzentrum" bei der Sitzung des Kultur- und Sozialausschusses. Die neuesten Messergebnisse sind alarmierend: Die Luftbelastung liegt deutlich über dem Richtwert des Bundesgesundheitsamtes. Weiter wurde festgestellt, dass die Wand- und Deckenverkleidungen seit Jahren große Mengen des Gases absondern. Kuriose Ursache der gestiegenen Werte: die energetische Sanierung der Schule (siehe Bericht unten).

"Wir werden das Schulzentrum nicht abreißen", sagt OB Peter Rosenberger. Nein, das wäre eine Übertreibung. Doch er warnt seine Räte vor: "Ich will Sie mental darauf einstellen, dass da mehr auf uns zukommt." Womöglich müssen die Innenräume ausgebeint und von allen Formaldehyd-Quellen befreit werden.

Einer der schlimmsten Formaldehyd-Ausscheider ist laut Gutachten des Umweltbüros Herz (Tübingen) die Echtholzfurnierwand im Bereich des Lehrerzimmers mit 80 Milligramm Formaldehyd pro 100 Gramm Material. Zur Einordnung: Von einem starken Formaldehyd-Ausscheider spricht man bereits ab 30 Milligramm Formaldehyd pro 100 Gramm Material. Beispielhaft für ein Klassenzimmer nennt der Fachmann Raum 111 des Schulzentrums. Dort enthält die Wand 56 Milligramm und die Decke 39 Milligramm pro 100 Gramm Material. Das Klassenzimmer ist gepflastert mit solchen starken Formaldehyd-Ausscheidern. Vor allem verbaute Pressspanplatten gäben große Mengen des Gases ab, sagt Stadtarchitekt Thomas Hellener. Er rät der Stadt: "Man sollte die entsprechenden Materialien ersetzen."

Die gemessene Luftbelastung sollte den Richtwert des Bundesumweltamtes von 0,12 Milligramm pro Kubikmeter Luft nicht überschreiten, tut es aber in vielen Fällen. Im Lehrerzimmer liegt sie bei 0,18 Milligramm pro Kubikmeter Luft, im Computerraum bei 0,2. Nur im Flur, wo sich aber niemand länger aufhält, liegt der Wert im annehmbaren Bereich. Die neueste Messung wurde Ende der Pfingstferien durchgeführt: Tagelang war nicht gelüftet worden, so konnte eine Maximalbelastung ermittelt werden. Es folgte eine Messung unter realistischen Bedingungen, bei der eine Schulstunde simuliert wird: Es wird gelüftet, dann beginnt der Unterricht, und am Ende der Einheit wird gemessen. "Nach dem Lüften haben wir eine deutliche Verbesserung der Werte", sagt Rosenberger. "Aber die Verschlechterung tritt im Lauf der Schulstunde so schnell wieder ein, dass das Problem nicht nur mit Lüften zu lösen ist." Eine Stunde nach dem Lüften ist der Richtwert von 0,12 Milligramm pro Kubikmeter Luft wieder übersprungen, erklärte Stadtarchitekt Hellener.

Um eine genaue Bestandsaufnahme zu haben, wo die Situation am schlimmsten ist, wird nun laut Rosenberger eine Flächenmessung in allen Räumen des Schulzentrums durchgeführt, "auch in den Gebäudeteilen, wo man es nicht vermutet", sagt Hellener, etwa in den Aufstockbereichen, die erst 2010 ausgestattet wurden. Das Ergebnises soll in der letzten Gemeinderatssitzung vor der Sommerpause (22. Juli) vorgestellt und besprochen werden.

Dazu will die Stadt einen Runden Tisch "Formaldehyd" einrichten. Hier soll überlegt werden, welche Sofortmaßnahmen gegen die hohe Belastung getroffen werden können. Als Teilnehmer am runden Tisch schlägt Rosenberger vor: Stadtverwaltung, Schulleiter, Vertreter von Eltern, Lehrern und Schülern sitzen, außerdem Vertreter der Gemeinderatsfraktionen sowie Hellener als Fachmann.

Das Umweltbüro Herz aus Tübingen rät der Stadt im Gutachten folgendes: "Bis zur Umsetzung von baulichen Maßnahmen, die möglichst bald durchgeführt werden sollten, ist auf ein regelmäßiges Lüften vor jeder Unterrichtsstunde zu achten."

Rosenberger ist um größtmögliche Transparenz bemüht: Gestern wurde ein Elternbrief verschickt. "Das neueste Gutachten steht auf der Stadthomepage, damit klar ist: Wir wollen nichts unter den Teppich kehren."

Formaldehyd: Es handelt sich um ein Gas, das auch in der Natur vorkommt. Formaldehyd ist in den verschiedensten Produkten und Materialien enthalten. Verantwortlich für erhöhte Konzentrationen von Formaldehyd in Gebäuden sind allerdings fast immer verleimte Span- oder Faserplatten. Nach Angaben von Stadtarchitekt Thomas Hellener gibt es keine komplett formaldehydfreie Umgebung. Bei erhöhtem Vorkommen kann das Gas jedoch Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Im Gutachten heißt es, dass sensible oder vorgeschädigte Personen (zum Beispiel Allergiker oder Astmathiker) ab einer Belastung von 0,06 Milligramm pro Kubikmeter Luft unter anderem mit der Reizung von Augen und Atemwegen oder Konzentrationsstörungen reagieren können. Der Richtwert des Bundesumweltamtes liegt bei 0,12 Milligramm pro Kubikmeter.