Eine mögliche Gewerbefläche im Industriegebiet Heiligenfeld. 13 Hektar wären hier frei. Foto: Lück

Gewerbegebiet Heiligenfeld hat noch so viel freie Fläche wie geplantes Gewerbegebiet Ahldorf. Eigentümer gefragt.

Horb - Bürgermeister Ralph Zimmermann (FDP) wechselte aus dem Wirtschaftsministerium ins Horber Rathaus. Eins seiner Ziele beim Antritt: Das Potenzial an Gewerbeflächen zu heben. Jetzt wird deutlich, was er damit meint.

Bei der Sitzung des Gemeinderats sind die Stühle voll mit den Anhängern der Bürgerinitiative "Hau und Holzwiese". Sie kämpft gegen ein geplantes Gewerbegebiet in Ahldorf, für das Wald abgeholzt werden soll.

Gleichzeitig geht es in der Sitzung um einen Punkt, der neue Wege aufzeigen soll, um bis zu 24 Hektar Gewerbefläche im Industriegebiet Heiligenfeld nutzbar zu machen. Die Frage hinter dieser Drucksache: Welche Chancen haben die Grundstückseigentümer in Zukunft – also auch in Ahldorf – sich gegen einen Zwangsverwertung ihrer Grundstücke zu wehren?

Doch zunächst hatten Mitglieder des "Ahldorfer Aufstands" das Wort in der Bürgerfragestunde. Erste Frage von BI-Sprecherin Christina Nuss: "Gibt es schon Ergebnisse von Gutachten? Falls ja, wie lange dauert die Kommunikation, bis das Ergebnis an die Öffentlichkeit kommt?"

Wie viele Eigentümer wollen verkaufen?

Oberbürgermeister Peter Rosenberger: "Wir haben zwei Gutachten in Auftrag gegeben: Über den Artenschutz beim Büro Gförer, bei der Geologie an das Büro Reichel. Das sind anerkannte Gutachter, die neutral sind. Das geologische Gutachten ist noch nicht fertig. Dazu müssen noch Schürfungen gemacht werden. Dasselbe gilt für den Artenschutz, wo noch Beobachtungsperioden abgewartet werden müssen. Wir haben demnächst einen gemeinsamen Termin mit der Bürgerinitiative. Falls es dort ein Zwischenergebnis gibt, werde ich es Ihnen mitteilen."

Christoph Müller: "Die Frist für die Einwerfer, die ihre Grundstück verkaufen wollen, endete am 31. Januar. Wie viel in Prozent haben geantwortet?" Rosenberger: "Wir im Gremium haben vereinbart, dass wir das im Moment nicht öffentlich machen wollen. Ich denke, wenn wir nach der Sommerpause Gewissheit haben über alle Themen, können wir alle offenen Fragen zum geplanten Gewerbegebiet beantworten. Die Grundstücksverkehre sind eine nicht öffentlichen Angelegenheit. Selbst nach dem 31. Januar gab es Gespräche und Personen, die auf uns zugekommen sind."

Andreas Kaupp von der BI will wissen, wie viele Firmen verbindliche Anfragen nach Gewerbeflächen in Horb gestellt haben. Rosenberger sagte zu, dass er eine Liste, in der die Namen der Firmen anonym bleiben, vorlegen will. Auf Nachfrage von Kaupp sagt Rosenberger: "Es gibt viele Anfragen. Wir können den Firmen auch nicht immer die Fläche zur Verfügung stellen, die sie anfragen."

Melanie Korherr von der BI hakt noch mal nach: "Auf der Tagesordnung steht auch die Erweiterung des Industriegebiets Heiligenfeld. Können diese Flächen ein Ersatz für Ahldorf sein?

Rosenberger: "In diesem Tagesordnungspunkt geht es nicht um die Erschließung, sondern um ein Modell mit einem Erschließungsträger. Das hat im ersten Schritt nichts mit Ahldorf zu tun."

Acht Tagesordnungspunkte später geht es dann um das Industriegebiet Heiligenfeld. Die krassen Fakten, so die Drucksache: Laut Flächennutzungsplan wären hier 120 Hektar Gewerbefläche möglich. 96 Hektar sind Gewerbefläche. Drucksachen-Verantwortlicher Peter Klein, Chef der Stadtentwicklung, schreibt: "Weitere 24 Hektar sind bislang noch nicht zu Bauland entwickelt worden und nur teilweise im Eigentum der Stadt. In westlicher Richtung sind zusätzliche Erweiterungen möglich – im Bereich ›Brand‹ und ›Bildstöckle‹." Hier wären gut zehn Hektar drin.

Das zweite große Loch im Industriegebiet: Zwischen Infinex, Deger-Energie bis zur Querstraße, wo das Horber Postzentrum liegt. Hier sind 13 Hektar frei (siehe Foto). Klein dazu: "In diesem Bereich erscheint es aufgrund der bislang mit den 25 Eigentümern geführten Gespräche wenig aussichtsreich, sich auf einen Aufkauf der Rohbaulandflächen zu einigen. Tatsächlich gehört aber rund die Hälfte der Fläche der Stadt."

Klartext: Im Heiligenfeld könnte man noch mal 24 Hektar Gewerbefläche klar machen. In Ahldorf soll das Gewerbegebiet – so die bisherigen Planungen der Stadt – mindestens 20 Hektar groß werden. Hier gibt es eine Anfrage von Norma für ein neues Logistikzentrum. Das würde allerdings auf sechs Hektar passen (wir berichteten).

Deshalb soll jetzt die LBBW Kommunale Entwicklungsgesellschaft prüfen, ob man hier mit neuen Modellen diese Lücken im Gewerbegebiet Heiligenfeld schließen kann. Dieses Gutachten soll 18 500 Euro kosten. 

Klein nennt im Gemeinderat neue Varianten (siehe Info-Kasten). Vom Trend her läuft es auf die gesetzliche Umlegung hinaus.

Hier erstellen Rathaus und Gemeinderat einen Bebauungsplan. Die öffentliche Verkehrsfläche wird der Stadt zugewiesen. Das entstandene Bauland wird anteilig der bisherigen Grundstückseigentümern zugeordnet. Erschließungsmaßnahmen wie Straßen werden anteilig auf die Eigentümer umgelegt. Die müssen zwar die Erschließung mit bezahlen. Sind aber nicht verpflichtet, so die Drucksache, ihre Baulandflächen direkt zu veräußern. Allerdings: Die privaten Flächen können aber in Teileigentum aufgeteilt werden und mit einer anschließenden Teilungsversteigerung – so die Drucksache – können jedoch letztlich diese Flächen "dem Markt zugeführt werden".

Kommt etwa Abgabezwang für Flächen?

Pikantes Detail auch für das geplante Gewerbegebiet in Ahldorf. Können die nicht verkaufswilligen Grundstückseigentümer so quasi über die Hintertür gezwungen werden, ihren Wald für das Gewerbegebiet herzugeben?

Michael Keßler, gleichzeitig Vize-Ortsvorsteher von Ahldorf, gegen das Gewerbegebiet und gleichzeitig CDU-Fraktionschef im Gemeinderat: "Die Drucksache präferiert die gesetzliche Umlegung. Das bedeutet einen starken Eingriff in die Verfügungsgewalt der Grundstückseigentümer. Ich habe deshalb Bedenken."

FD/FW-Fraktionschef Alfred Seifriz: "Wir hoffen uns, durch die Machbarkeitsstudie einen Weg zu finden. Vielleicht ist es möglich, über eine gesetzliche Umlegung an die Grundstücke heranzukommen." Er betonte aber, dass die FD/FW-Fraktion erst nach der Machbarkeitsstudie entscheiden wird, wie man damit umgeht.

SPD-Fraktionschef Thomas Mattes: "Es ist sinnvoll, vorhandene Industriegebiete zu erweitern. Die hier angedachten Möglichkeiten sind nicht so einschneidende Eingriffe wie in Ahldorf, wo ein Wald gefällt werden soll."

Bei sechs Enthaltungen – unter anderem der Landwirte Gerhard Fassnacht, Michael Kessler (beide CDU) und Markus Pagel (OGL) – wurde der Machbarkeitsstudie zugestimmt. 

Bisher wurde nach dem Horber Modell vorgegangen. Heißt: Die Stadt kauft die Grundstücken, erschließt die Flächen und verkauft sie dann. Alternativen wären – neben der gesetzlichen Umlegung – noch folgende Verfahren:

Die freiwillige/vereinbarte Umlegung. Mit den Grundstückseigentümern wird ein städtebaulicher Vertrag geschlossen. Dabei wird geregelt, wer welche Kosten von der Erschließung zu tragen hat. Der Eigentümer kann wählen, ob er mit baureifem Land oder finanziell am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt wird.

Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme. Hier kann die Kommune wohl bei besonderen "Notsituationen" wie Wohnungsmangel Grundstücke "beschlagnahmen". Klein schreibt dazu: Wegen der zum Teil sehr hohen Hürden wie eignungsrechtliche Vorwirkung, Nachweis des erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten findet es nur selten Anwendung und ist im Heiligenfeld wohl nicht einsetzbar. Klein: "Das ist aggressivste Vorgehensweise. So etwas gibt es selbst in Stuttgart nur vereinzelt. Wir müssten nachweisen, dass die Flächen alternativlos sind."