Stiftskirchenkantor und Organist Reinhart Kluth ist bereits seit Herbst vergangenen Jahres nicht mehr in Horb tätig. Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder Bote

Kirchenmusik: Organist Reinhard Kluth nicht mehr in Horb tätig / Nach Erkrankung den Dienst eingestellt

Für Freunde der Kirchenmusik ist heute ein besonderer Tag. Die neue Organistin Kirsten Sturm stellt sich der katholischen Gemeinde mit einem Antrittskonzert vor. Doch ihr Auftritt wird auch von einem Rätsel begleitet: Was ist aus Stiftskirchenkantor Reinhard Kluth geworden?

Horb. Es war ein Abschied hinter verschlossenen Türen: Reinhard Kluth, der am 1. Januar 2018 die Dienste rund ums Orgelspielen in der katholischen Seelsorgeeinheit Horb übernommen hatte und hauptamtlich als Kantor und Organist für die gesamte Kirchenmusik in der Neckarstadt verantwortlich zeichnete, hat bereits im vergangenen Jahr seinen Dienst quittiert.

Was war geschehen? Auf die Anfrage unserer Zeitung schreibt Diakon Klaus Konrad: "Reinhard Kluth, den ich als kompetenten Kirchenmusiker sehr geschätzt habe, hatte im Frühjahr 2018 aufgrund seiner Erkrankung gekündigt. Wir haben die Kündigung ruhen lassen, damit er nach einer Genesungsphase seinen Dienst eventuell wieder aufnehmen kann. Er nahm dann auch trotz der angeschlagenem Gesundheit im Juli den Organistendienst wieder auf. Ich freute mich sehr darüber. Herr Kluth fühlte sich dann aber nicht mehr in der Lage, das Amt seinen Vorstellungen entsprechend ausüben zu können. Er nahm dann auch im Herbst das Angebot des Chorleiters für den Stiftschor nicht mehr an. Ich habe es sehr bedauert. Ich habe ihn dann für unsere Kirchengemeinde mit einem Dankesschreiben und kleinen Präsent verabschiedet."

Ein Dienstende im Sinne Kluths? "Er wollte keinen offiziellen Abschied und auch keine öffentliche Mitteilung", sagt Alfred Seifriz, zweiter Vorsitzender des Kirchengemeinderats der katholischen Kirchengemeinde Heilig Kreuz. Auch Seifriz bestätigt: Vor allem aus gesundheitlichen Gründen habe Kluth seinen Dienst für die Kirchengemeinde beendet.

Mehrfach preisgekrönter Organist zählt zu den Besten seines Fachs und hat eine lange Laufbahn hinter sich

War das wirklich der einzige Grund? Zwischen Kluth und anderen Verantwortlichen der Kirchengemeinde soll es Meinungsverschiedenheiten gegeben haben, die am Schluss wohl so unüberbrückbar waren, dass Kluth, der in Tübingen-Kilchberg lebt, die Konsequenz zog und ging.

In seinem Wikipedia-Eintrag ist Kluth, der dieses Jahr 69 Jahre alt wird, zwar noch als "Stiftskirchenmusiker und Organist der Stiftskirche in Horb" verzeichnet. Doch in Horb gab er bereits im Juni vergangenen Jahres sein bislang letztes Konzert.

Musikkenner bedauern es, denn der mehrfach preisgekrönte Organist zählt zu den Besten seines Fachs und kann auf eine lange musikalische Laufbahn zurückblicken: Kluth studierte Kirchenmusik an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf. 1976 legte er sein Examen ab, 1978 die künstlerische Reifeprüfung. Er besuchte Meisterkurse in Chor- und Orchesterleitung für historische Aufführungspraxis bei Hermann Max. Seit 1978 war Kluth Kantor an verschiedenen Kirchen. Von 2001 bis 2013 war er Seelsorgebereichskantor der Düsseldorfer Pfarreiengemeinschaft Eller-Lierenfeld. Kluth ist auch Komponist und Musiklehrer. Er war Organist an St. Petrus und Pankratius in Tübingen und seit 2016 stellvertretender Dom-Organist in Rottenburg. In Tübingen-Bühl leitete er von 2015 bis 2016 die Chorgemeinschaft Bühl 1878. 2016 wurde er Leiter der von ihm gegründeten Kleinen Kantorei Tübingen. Am 1. Oktober 2016 wurde er Stiftskirchenmusiker und Organist der Stiftskirche in Horb.

Dann kam der Schnitt – und im September trat Kluth eine Stelle als Kirchenchorleiter in Bisingen, Zollernalbkreis, an.

Worum genau es bei den Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Kirchengemeinde ging? Auf Nachfragen äußern sich einzelne Gemeindemitgliedern eher zögerlich, es ist zu spüren, dass ihnen der "Fall Kluth" unangenehm ist. Kluth habe polarisiert: Die einen mochten in sehr, die anderen eher weniger. Auch bei der Organisation der Orgelspiel-Dienste in den acht zur Seelsorgeeinheit gehörenden Gemeinden habe es Unstimmigkeiten gegeben. Finanzielle Gründe können für Kluth indessen nicht der Anlass gewesen sein, in Horb zu kündigen. Denn der Musiker im Ruhestand bekam, so versichern Insider, selbst als Stiftskirchenkantor allenfalls ein Minijob-Gehalt von 450 Euro.

Von seiner neuen Tätigkeit in Bisingen ist bislang nur bekannt, dass die Zusammenarbeit zwischen Dirigent und Kirchenchor sehr gut sei.

Es ist völlig in Ordnung, wenn es bei einem Arbeitsverhältnis zu Meinungsverschiedenheiten kommt und eine Seite die Konsequenz zieht. So etwas geschieht tagtäglich, allüberall. Im Fall des Stiftskirchenkantors Reinhard Kluth wäre es aber besser gewesen, die Seelsorgeeinheit hätte zumindest eine kleine Mitteilung veröffentlicht. Ein Satz wie "Herr Kluth beendet seinen Dienst auf eigenen Wunsch" hätte gar nicht erst die Frage nach seinem Verbleib aufkommen lassen. Stattdessen präsentiert die Seelsorgeeinheit eine neue Organisitin – wohl im festen Glauben, dass niemand genau wissen will, was aus Kluth geworden ist. Dabei sind kirchliche Einrichtungen unter Rechtfertigungsdruck. Gerade in der katholischen Kirche wird die Frage, wie gut die hierarchischen Etagen mit der Basis der Gläubigen kommunizieren, bestimmt noch einige Male gestellt werden.