Moritz Walter (von links) und Janna Beck informieren sich in ihrer Pause über den Jakobusweg. Neben ihnen Klemens Thamm, der die Pilgerherberge betreut. Fotos: Frank Foto: Schwarzwälder-Bote

Pilgern: Klemens Thamm betreut seit 23 Jahren die Ihlinger Herberge auf dem Jakobusweg / Zuletzt zwei Gäste aus Weil der Stadt

Immer mehr Menschen zieht es auf die Pilgerwege. Wer auf dem berühmten Jakobusweg unterwegs ist, findet einen Platz zum Ausruhen in Ihlingen.

Horb-Ihlingen. Gott näher kommen, über sich und sein Leben nachdenken, eine körperliche Herausforderung suchen – vielfältige Motive ziehen Menschen auf die Pilgerwege. Insbesondere der Jakobusweg zieht Pilger aus aller Welt an. Und wer im deutschsprachigen Raum diesen bekannten Weg noch nicht kannte, dem sollte er spätestens seit Hape Kerkelings Roman "Ich bin dann mal weg" ein Begriff sein.

Auch durch den Kreis Freudenstadt führt der Jakobusweg. Von Rottenburg aus kommt man über Eutingen nach Horb und weiter Richtung Loßburg. "Auf dem Hauptweg von Rottenburg kommend sind regelmäßig Pilger unterwegs. Die Nebenwege dagegen werden wenig begangen", erzählt Achim Wicker, Dekanatsreferent des katholischen Dekanats Freudenstadt. Übernachtet wird oft in Gaststätten und Hotels – oder in speziellen Pilgerunterkünften. Eine davon befindet sich in Ihlingen. Klemens Thamm kümmert sich dort seit 23 Jahren um die Pilger.

Spannende Geschichte

Doppelstockbetten, Tisch und Stühle, Bad, zwei Herdplatten, Wasserkocher, Kaffee und – für ganz Hungrige – Essen in Dosen – so der erste, schlichte Eindruck der Unterkunft. Hinter der Herberge stehen aber eine bekannte Persönlichkeit und eine spannende Geschichte, wie Thamm zu berichten weiß. "Sieger Köder Pilgerherberge" steht über der Eingangstür. Wer war dieser Mann? Ursprünglich Gymnasiallehrer aus der Aalener Ortschaft Wasseralfingen. Mit 40 Jahren gab er den Beruf auf, wurde Pfarrer und Künstler. Thamm spricht bezogen auf die Pilgerunterkunft vom "Ihlinger Wunder": Thamm kam 1993 nach Ihlingen und erfuhr durch das "Katholische Sonntagsblatt" von Köder und dessen Kunst. Da in Ihlingen die Jakobuskirche steht und Köder großer Jakobusanhänger ist, hoffte Thamm, Köder davon überzeugen zu können, etwas für die Kirche zu malen. Über einen Vikar wurde der Kontakt zu Köder hergestellt. Und nun das Wunder: Köder erklärte sich tatsächlich dazu bereit, für die kleine Ortschaft etwas zu gestalten. Einzige Bedingung: Es wird eine Pilgerherberge eingerichtet, und ein Bewohner des Ortsteils pilgert nach Santiago de Compostela – also machte Thamm sich auf den Weg nach Spanien und richtete nach und nach die Herberge ein.

An einem Montagnachmittag kommen wieder einmal zwei Pilger an. Thamm empfängt sie mit Kaffee, Keksen und Apfelsaft aus Äpfeln von der Kirchenwiese in der kühlen Unterkunft – an diesem heißen Tag der perfekte Ort, um sich auszuruhen. Die Pilger, Janna Beck und Moritz Walter, kommen aus Merklingen, einem Ortsteil von Weil der Stadt. Losmarschiert sind sie in Rottenburg, ihre Etappe des Tages führte sie von der Ergenzinger Liebfrauenhöhe nach Ihlingen. Anschließend wollen sie noch 150 Kilometer bis Breisach gehen. Zuvor waren die beiden Pilger bereits auf Abschnitten des Jakobusweges in Spanien unterwegs.

Beim gemeinsamen Kaffee plaudert Thamm noch ein wenig aus dem Nähkästchen. Um das Herrichten der Unterkunft zu finanzieren, habe man Zeichnungen der Jakobuskirche verkauft. Zudem sei die Unterkunft früher noch ohne Dusche betrieben worden und die Pilger hätten im Brunnen gebadet. Einige Gruppen würden das an heißen Sommertagen aber immer noch tun. Bevor noch eine kleine Führung durch Ihlingen startet, hebt Thamm spaßeshalber den Rucksack von Walter an – und staunt: "Das ist der schwerste Rucksack, der bisher mitgebracht wurde."

Gegenüber der Herberge steht die Jakobuslinde. 1970 machten sich die ersten Ihlinger auf nach Santiago de Compostela, erzählt Thamm, und brachten den Setzling für die Linde mit. Dann führt er die beiden Pilger in die Kirche. Mit ihren 900 Jahren ist sie die älteste in Horb. Ein seltener Anblick für die Pilger: Die bunte "Sieger-Köder-Säulen-Krippe". Wann sieht man eine Krippe schon in vertikaler Form? Thamm geht im Detail auf die einzelnen Figuren ein. Hinter der letzten Bankreihe gibt es Informationsmaterial, Postkarten – "darüber freut sich die Mutter zu Hause", meint Thamm – und man kann sich in das Gästebuch eintragen. Auch den "Pilgerstempel" kann man sich hier holen. Walter lacht: "Das macht man eigentlich nur in Spanien!"

Suche nach Lebensziel

Wochenlang unterwegs sein, in einfachen Unterkünften schlafen – warum macht man das nun eigentlich? Hinsichtlich der Motivation kann sich Beck noch sehr gut an ihre erste Pilgertour erinnern: "Ich bin direkt nach dem Abitur losgegangen. Damals wusste ich nicht so richtig, was ich mit meinem Leben anfangen soll." Warum sie dieses Mal losgegangen ist, verrät sie nicht. Aber was auch immer die vielen Pilger auf dem Jakobusweg antreiben mag – in Ihlingen können sie für eine Nacht neue Kraft schöpfen.