Großes Polizeiaufkommen nach der Bluttat im Real-Markt: Zu den Geschehnissen gibt es unterschiedliche Aussagen. Foto: Hopp

Mutmaßlicher Täter soll psychisch krank sein. Bruderhaus-Diakonie weist Vorwürfe zurück.

Horb - Zwei Messerattacken in Supermärkten – mit ähnlicher Vorgeschichte? Auch der mutmaßliche Täter der Bluttat im Real-Markt soll psychisch krank und im Vorfeld auffällig gewesen sein. Wieder gibt es Vorwürfe an die Bruderhausdiakonie, die die Schuld aber erneut von sich weist.

Die Bluttat im Real erinnerte viele schnell an die Geschehnisse im Kaufland am 1. März 2016. Damals stach ein 37-Jähriger im Supermarkt auf seinem Bekannten ein, der nur durch das beherzte Eingreifen eines Kunden gerettet werden konnte. Am Donnerstag starb nun ein dreifachen Familienvater nach der Messerattacke eines 33-Jährigen. Eine Parallelität bei beiden Fällen: Die Täter hatten beide etwas mit der Bruderhaus-Diakonie zu tun. Ein Informant macht der Bruderhaus-Diakonie nun schwere Vorwürfe und spricht von Versagen.

Martin Schwilk, Sprecher der Bruderhaus-Diakonie bestätigt, dass man den Real-Täter kenne, weist aber die Kritik von der Einrichtung: "Er hat bei uns in der Werkstatt gearbeitet. Nach meinem Wissen hat er das Arbeitsverhältnis damals gekündigt. Das heißt: Damit tragen wir keine Verantwortung mehr für diesen Klienten." Auch beim Kauflandtäter sah sich die Einrichtung, die auch Menschen im Bereich der Sozialpsychiatrie betreut nicht in Verantwortung. Eine Pressesprecherin sagte damals zu unserer Zeitung: "Wir sind kein gesetzlicher Betreuer, sondern wir sind als ambulanter Dienst für diesen Mann tätig." Der Kaufland-Täter, der mittlerweile in einer psychiatrischen Unterbringung ist, hatte damals keinen Betreuer, weil er zu diesem Zeitpunkt voll geschäftsfähig war. Der Gutachter bescheinigte vor Gericht, dass der 37-jährige Kaufland-Täter eine "chronifizierte paranoide, halluzinogen Schizophrenie"

Hat der Täter nach der Tat in Ruhe sein Messer abgeputzt?

Doch was sagen die Behörden zum Täter im Real-Markt? Der Staatsanwalt in Rottweil bestätigt, dass der Täter aus dem Landkreis Freudenstadt kommt und unter Betreuung ist. Welche psychiatrische Diagnose hatte der Täter? Landkreissprecherin Sabine Eisele: "Es tut uns leid, aber aus sozialdatenschutzrechtlichen Gründen ist es uns leider nicht möglich, irgendetwas zu diesem Fall zu sagen!"

Unterdessen gibt es zu den Geschehnissen vor dem Döner-Imbiss im Real-Markt unterschiedliche Aussagen. Es schält sich jedoch immer mehr heraus, wenn man die Informationen vergleicht, dass es wohl ein Blitz-Ausbruch des Täters gewesen ist. Plötzlich sei er hinter der Theke vorgekommen und habe auf das Opfer von schräg hinten in die Herzgegend eingestochen. So werden Zeugen wiedergegeben, die direkt dabei waren.

Einige Zeugen berichten, dass der Täter nach der Tat regungslos am Boden gesessen habe und mit dem Smartphone gespielt habe. Ein anderer Informant erzählt: Der Täter habe nach der Tat in Ruhe das Messer abgeputzt. Nach der Tat soll er noch gerufen haben: "Das war nicht der erste." Angeblich soll der Täter vorher zwar als ein "bisschen schräg" aufgefallen sein. Aggressionen habe er bei seinem Verhalten allerdings nicht gezeigt – bis zu der Tat im Real. Immer mehr Informanten erklären, dass der 30-jährige Täter Kokain genommen haben soll. Und das kann Gereiztheit und Aggressivität auslösen.

Und was sagt die Staatsanwaltschaft zum Tathergang? Grundke: "Inzwischen konnten die Bänder der Überwachungsvideos in Augenschein genommen werden. Das es verschiedene Aussagen zum Tathergang gibt, das ist völlig normal. Es ist die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, aus den vielen verschiedenen Aussagen und den objektiven Beweisen ein möglichst genaues Gesamtbild zu erstellen."

Die nächste große Frage zur Bluttat im Real-Markt: Welche Rolle spielen die "Türken-Rocker" der Osmanen Germania Nagold? Nach Informationen des Schwarzwälder Boten waren Mitglieder dieser Gruppierung, die sich offiziell als BoxClub bezeichnet, nach der Messerstecherei vor dem Real.

Tumulte durch Mitglieder der "Osmanen Germania"

Der Vater des Getöteten versuchte die Tumulte durch Mitglieder der "Osmanen Germania" zu verhindern, so berichten mehrere Informanten. Der Vater habe immer wieder gesagt und gerufen: "Mein Sohn wurde getötet. Lasst mich hier in Ruhe trauern und stört mich nicht."

Doch offenbar haben die Osmanen Germania-Mitglieder versucht, an den Leichnam des Opfers zu kommen. Der Grund: Das Opfer sei ein Supporter der Gruppe gewesen. Bei den Tumulten hatte ein Mann geschrien: "Ihr Schweine. Ihr werdet uns kennenlernen. Ihr werdet hier nicht mehr sicher sein."

Die Osmanen Germania. Sie gehören zu der am "schnellsten wachsenden rockerähnlichen Vereinigung" Deutschlands, so die Polizei. Erst Ende Juni hatte es eine Großrazzia der Polizei gegeben. Zeitgleich wurden 20 Wohnungen und Gewerberäume auch in Baden-Württemberg durchsucht. Dabei wurden fünf Männer festgenommen. In Baden-Württemberg wurden dabei unter anderem sechs Objekte im Landkreis Böblingen durchsucht, ein Objekt im Landkreis Calw.

Die Polizeimeldung damals: "Hintergrund sind die anhaltenden, meist auch gewalttätigen, Auseinandersetzungen in diesem Milieu. In den Fokus der Ermittlungen gerieten dabei auch führende Mitglieder der nationaltürkisch geprägten Gruppierung Osmanen Germania BC. Im Zuge der Ermittlungen wurden schwere Straftaten wie ein versuchter Mord, räuberische Erpressungen und zahlreiche Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bekannt."

War die Messerstecherei ein Kampf um die Vormacht im Drogenhandel? Frank Grundke, Sprecher der ermittelnden Staatsanwaltschaft Rottweil: "Wir gehen nach wie vor von einer Streittat aus. Ob Drogen im Spiel waren, das wird noch ermittelt. Doch das geht nicht von heute auf morgen. Die Berichte der Gerichtsmedizin liegen uns derzeit noch nicht vor." Kenner der Osmanen Germania in Nagold sagen: "Die sind zwar hart drauf, aber bisher sind die drogenfrei. Und tun bisher alles, damit Nagold drogenfrei ist und bleibt."

Und was sagt die Staatsanwaltschaft zu den Osmanen-Germania? Grundke: „Die Geschehnisse auf dem Real-Parkplatz sind derzeit kein Gegenstand der strafrechtlichen Ermittlungen."