Dieter Kohlmann (links) und Jürgen Reichert (rechts) bei dem historischen Markungsstein der ehemaligen Gemeinden Sulgau und Sulgen beim Narrenbrunnen in „Sulgen-Mitte“. Foto: Stadtarchiv

Im Garten des Hauses von Hans Paul Reichert (1920 bis 2008) in der Schumannstraße befand sich von 1975 bis 2022 eines der wertvollsten Kleindenkmale des Stadtteils Sulgen.

Der langjährige Vermessungstechniker hatte beim Ausbau der Rottweiler Straße im Jahr 1975 einen Markungsstein aus dem 19. Jahrhundert gerettet, der heute eine herausragende Erinnerung an die Entstehung des Stadtteils Sulgen aus den zwei selbstständigen Gemeinden Sulgau und Sulgen darstellt. Das teilt Stadtarchivar Carsten Kohlmann mit.

Im Stadtteil Tennenbronn ist die Erinnerung an die beiden ehemaligen Gemeinden Evangelisch Tennenbronn und Katholisch Tennenbronn bis heute sehr lebendig. Im Jahr 2022 wurde das 100-Jahres-Jubiläum des Zusammenschlusses mit einem Festakt, einem Dorffest und einer neuen Ortschronik begangen. Im Stadtteil Sulgen erinnert dagegen nur wenig an eine fast gleiche Geschichte. In Sulgen dauerte der Zusammenschluss der beiden Vorgängergemeinden sogar noch zwölf Jahre länger als in Tennenbronn und kam erst im Jahr 1934 auf politischen Druck in der Zeit des Nationalsozialismus zusammen. 1939 wurde die Gemeinde Sulgen schließlich in die Stadt Schramberg eingegliedert.

Zersplittertes Gebiet

Zuvor war Sulgen wie Tennenbronn ein so genanntes „Kondominat“ gewesen – ein alter Rechtsbegriff für Gebiete, die sich im Besitz mehrerer Herrschaften befanden, die deshalb auch sehr konfliktträchtig waren: Sulgen hatte seit dem 15. Jahrhundert wie Katholisch Tennenbronn zur Herrschaft Schramberg gehört und war seit 1583 vorderösterreichisch, Sulgau seit dem 15. Jahrhundert zur Grafschaft (ab 1495) Herzogtum Württemberg, in dem seit 1534 die Reformation eingeführt wurde. Zur territorialen Spaltung kam in einem ohnehin bereits sehr zersplitterten Gebiet noch die konfessionelle Spaltung mit den damit verbundenen Sonderentwicklungen wie eigenen Kirchen, Friedhöfen und Schulen.

Die Informationstafel des Stadtarchivs bei dem historischen Markungsstein der ehemaligen Gemeinden Sulgau und Sulgen beim Narrenbrunnen in „Sulgen-Mitte“. Foto: Gunnar Link

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Sulgen zum größten Stadtteil der heutigen Großen Kreisstadt Schramberg. Die jahrhundertelange Zersplitterung der ehemaligen Gemeinden Sulgau und Sulgen ist im Ortsbild kaum mehr erkennbar. Bisher wurde nur beim „Etterbrunnen“ in der früheren „Mautgasse“ („Zollgasse“) daran erinnert. Umso erfreuter war der Heimatforscher Dieter Kohlmann, als er bei der Dokumentation der Kleindenkmale im Landkreis Rottweil von 2012 bis 2013 im Stadtteil Sulgen noch zwei historische Markungssteine entdeckte. Das Exemplar im Besitz der Familie Reichert wurde deshalb als Besonderheit in dem 2018 erschienenen Buch „Kleindenkmale im Landkreis Rottweil“ beschrieben und abgebildet.

Neuer Ort gefunden

Beim Verkauf seines Elterhauses entschloss sich Jürgen Reichert im vergangenen Jahr, den Markungsstein der Stadtverwaltung anzubieten. In Dieter Kohlmann fand er einen engagierten Unterstützer. Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr griff die Idee auf, die dann mit Hilfe des Bauhofs kurz vor Weihnachten realisiert werden konnte. Auf Wunsch von Jürgen Reichert erhielt der historische Markungsstein beim Narrenbrunnen in „Sulgen-Mitte“ eine neue Heimat. Vor kurzem kam nun auch eine Tafel des Stadtarchivs Schramberg zur Geschichte des Kleindenkmals hinzu. Bei einem Treffen in den letzten Tagen freuten sich Jürgen Reichert und Dieter Kohlmann, dass mit vereinter Kraft diese Erinnerung an die Geschichte des Stadtteils Sulgen möglich war.