Generationenwechsel im Bayerischen Wald: Während vorne junge Fichten wachsen, ragen im Hintergrund die abgestorbenen Stämme älterer Bäume empor. Foto: Pöhlemann

Erkenntnisse aus dem Bayerischen Wald. Tourismusbranche verspricht Arbeitsplätze.

Zwiesel - Gotteszell liegt schon hinter uns, auch Zwiesel hat die Reisegruppe passiert. Schön ist es hier: malerische Hügel, buntes Herbstlaub, idyllisches Bayern eben. Genauer gesagt befinden wir uns auf dem Weg in den Nationalpark Bayerischer Wald.

Die Besucher kommen aus dem Nachbarbundesland. Und sie wollen nicht eben mal ein paar erholsame Tage einlegen. Vielmehr haben sie hitzige Debatten, erregte Auseinandersetzungen, ausgiebige Leserbrief-Kontroversen im Hinterkopf. Ihr Thema: die Einrichtung eines Nationalparks im Nordschwarzwald. Darüber zerbricht man sich vor Ort in Bad Wildbad, Baiersbronn oder rund um den Ochsenkopf die Köpfe. Aber auch anderswo im Land und nicht zuletzt im Ministerium von Agrarminister Alexander Bonde (Grüne) sowie bei den Parteien im Landtag von Baden-Württemberg. Immer wieder bemühen sowohl Befürworter als auch Gegner des Projekts dabei den Vergleich zum Nationalpark Bayerischer Wald. Deshalb also die Fahrt nach Zwiesel, Ludwigsthal und Neuschönau.

Unsere Zeitung nutzt diese Gelegenheit, sich direkt ein Bild vor Ort zu machen, um so etwaige Rückschlüsse für die Pläne im Schwarzwald ziehen zu können. Eingeladen hat das Naturschutzzentrum Ruhestein in Seebach (Ortenaukreis). Es soll die Möglichkeit eröffnet werden, Streitpunkte der Debatte im Bayerischen Wald direkt zu hinterfragen.

Schädling wird mit schwerer Technik bekämpft

Zunächst die Fakten: Der Nationalpark Bayerischer Wald besteht seit 1970. Er erstreckt sich seit der Erweiterung 1997 über ein Gesamtgebiet von mehr als 24 000 Hektar. Mit dem Leitspruch "Natur Natur sein lassen" beschreibt der stellvertretende Verwaltungsleiter Karl Barthmann die wichtigste Zielsetzung des Nationalparks. "Wir wollen natürliche Entwicklungen stattfinden lassen, dazu gehört auch der Borkenkäfer", kommt Barthmann schnell auf ein Thema zu sprechen, das in der Nationalpark-Debatte phasenweise zum Kampfbegriff geworden ist: der Borkenkäfer.

Und in der Tat: Auch im Bayerischen Wald ist der Borkenkäfer noch immer Gegenstand heftiger Meinungsverschiedenheiten. "Alle Käfer in der Region werden uns zugeschrieben, selbst wenn sie in 20 Kilometern Entfernung entdeckt werden", erläutert Hans Kiener, der im Nationalpark für Naturschutz und Besucherlenkung verantwortlich ist. Dabei tue der Park viel, um die Ausbreitung des ungeliebten Käfers zu unterbinden. "Wir verstehen die Befürchtungen der angrenzenden Waldbesitzer" macht Karl Barthmann klar. Deshalb gibt es rund um den Nationalpark eine Pufferzone von mindestens 500 Metern, in denen der Käfer unter Zuhilfenahme teils schwerer Technik bekämpft wird.

Christoph Graf, leitender Forstdirektor am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Regen, bescheinigt dem Nationalpark eine "vorbildliche Käferbekämpfung in der Pufferzone". Dennoch habe direkt an der Grenze zunächst ein höherer Befall festgestellt werden können. Dieses Phänomen müsse jedoch akzeptiert werden. "Laut einem Urteil des obersten bayerischen Verfassungsgerichts vom März 2009 ist ein erhöhter Aufwand für die angrenzenden Privatwaldbesitzer zumutbar", sagt Hans Kiener.

"In unserem Suchgebiet wird wohl kein Privatwaldbesitzer direkt an den Nationalpark angrenzen", erläutert Wolfgang Schlund, Geschäftsführer des Naturschutzzentrums Ruhestein, die derzeitigen Planungen für den Nationalpark im Schwarzwald.

Ein flächenweites Absterben der Fichtenbestände, wie es im Bayerischen Wald der Fall war, sei im Schwarzwald ohnehin nicht zu erwarten. "Bei uns sind die Wälder gemischter, und es gibt im Suchgebiet weniger Fichten, die über 60 Jahre alt sind, was sie für den Borkenkäfer weniger attraktiv macht", sagt Thomas Waldenspuhl, Mitarbeiter der Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg.

Freilich: Der Nationalpark Bayerischer Wald hat mehr zu bieten als den Blick auf abgestorbene, graue Fichtenstämme, die in den Himmel ragen. Zwei Informationszentren und über 300 Kilometer Wanderwege geben dem Besucher die Chance, sich mit den Geschehnissen auseinanderzusetzen. "Den Nationalpark als Touristenschreck zu bezeichnen, ist kein Argument", sagt Josef Wanninger, Leiter für Umweltbildung und Regionalentwicklung. Dennoch sei es enorm wichtig, Besucher über den Zustand des Waldes zu informieren.

Viele Gäste kommen immer wieder

"So schlägt das Erschrecken in Interesse um", meint er. Viele Gäste kämen wieder, um die Entwicklung des Waldes mitzuerleben. Sie sehen, wie sich zwischen den abgestorbenen Fichten nun auch Vogelbeeren, Buchen und Tannen den Weg nach oben bahnen. "Ohne den Nationalpark wäre der Tourismus in der Region massiv zurückgegangen", misst der Bürgermeister der Gemeinde Bayerisch Eisenstein, Thomas Müller, dem Park große Bedeutung zu.

Der Park habe über eine Million Besucher im Jahr. "13,5 Millionen Euro werden jährlich allein durch den Tourismus umgesetzt", fasst Wanninger das Ganze in Zahlen. 500 zusätzliche Arbeitsplätze seien geschaffen worden. Wichtig sei die gemeinsame Vermarktung der Gegend als Nationalpark-Region. Max Gibis, Bürgermeister der Gemeinde Mauth, betont aber vor allem eins: "Der Nationalpark kann nur kommen, wenn die Region ihn will."

So sieht man es auch im Nordschwarzwald. Die Fahrt also kann zurückgehen Richtung Ruhestein. Dort wird die Debatte nicht nachlassen über Borkenkäfer, Tourismus und die Verhältnisse im Bayerischen Wald.