Nach dem tödlichen Schuss aus einem Auto auf einen jungen Mann in Hechingen hat der mutmaßliche Schütze vor Gericht die Tat geleugnet. Foto: Maier

Mutmaßlicher Schütze beschuldigt seinen 20-jährigen Freund. Anklage wegen versuchten Mordes.

Hechingen - Der 22-jährige Umut K. war am 1. Dezember 2016 wohl tatsächlich ein Zufallsopfer. Die tödliche Kugel, die den Bisinger vor der Spielothek »Imperial« in Hechingen traf, galt nicht ihm. Das legt die Aussage des Hauptangeklagten Calogero S. nahe. Er bestritt am Mittwoch aber, den Schuss abgegeben zu haben – vielmehr habe der Mitangeklagte Carmelo B. gefeuert.

Mit der Aussage von Calogero S., die dessen Rechtsanwalt Kaulmann in Form einer Erklärung verlas, haben die Angehörigen und Freunde von Umut K. nun wohl traurige Gewissheit – und die Bestätigung dafür erhalten, was sie direkt nach dem tödlichen Zwischenfall im vergangenen Jahr vermutet hatten: Dass K. aus Versehen getötet wurde.

»Fühle mich für den Tod nicht verantwortlich«

Zu der für das Gericht entscheidenden Frage, wer den tödlichen Schuss abgab, lieferte der 22-jährige Calogero S. eine im zenralen Punkt andere Version als diejenige, die die Staatsanwaltschaft in der Anklage zusammengefasst hat: Nicht er, sondern sein 20-jähriger Freund Carmelo B. habe gefeuert. Er selbst, so S., habe niemals vorgehabt, eine Waffe einzusetzen; er habe sogar noch zu verhindern versucht, dass die Waffe zum Einsatz komme, habe an B.s Arm gefasst, um ihn am Abdrücken zu hindern. Für den Tod von Umut K. fühle er sich »nicht verantwortlich«; der Familie des Getöteten drückte er sein Mitgefühl aus.

Leugnen einerseits, Geständnis andererseits: Umfassende Angaben machte Calogero S. zum Hintergrund der Bluttat. Er bestätigte in dieser Hinsicht die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, wonach Drogengeschäfte zu der Eskalation geführt haben. Zusammen mit Carmelo B. habe er, so S. in seiner Erklärung, Mitte November 2016 ein Kilogramm Marihuana von dem Mitangeklagten Carmine M. gekauft, um es an Giovanni M. zu verkaufen.
Das Gras sei zunächst übergeben worden, auf die Bezahlung mussten S. und B. aber warten: Immer wieder hätten sie Giovanni M. aufgefordert und daran erinnert, dass er ihnen Geld – 5000 Euro – schulde.

Etwa eine Woche vor der Bluttat hätten M. und dessen Freund Alen S. im Beisein weiterer Männer – mindestens einer davon »arabischen Aussehens« – sie bei einem Treffen nahe der B27-Brücke beim Burger King in Hechingen massiv bedroht, ihnen Pistolen an die Köpfe gehalten und ihnen nahegelegt, auf die Bezahlung besser zu verzichten – ansonsten seien sie selbst sowie ihre Familien »dran«: "Fragt mich niemals mehr nach dem Geld«, hätte Giovanni M. ihm und Carmelo B. geraten, sagte S. aus.

Er selbst habe sich mit dem Verlust abgefunden, zudem habe er sich und seine Familie nicht gefährden wollen, sagte Calogero S. aus. Carmelo B. dagegen habe das Geld nicht so leicht »ausbuchen« wollen. Immer wieder habe er darauf gedrängt, Giovanni M. erneut zur Rede zu stellen.


Offenbar hinter seinem Rücken habe sich der zur Tatzeit 20-Jährige B. die Pistole besorgt.Am frühen Abend des 1. Dezember 2016 trafen sie vor dem »Imperial« auf ihren Drogengeld-Gläubiger M. B. wollte diesen zunächst durch das offene Beifahrerfenster zur Rede stellen, im Glauben, zusammen mit S. in Überzahl zu sein.

Als sie M. zusammen mit einem anderen Mann – Umut K. – vor die Türe treten sahen, sei B. dann am Steuer doch losgefahren. Allerdings nicht nach Hause nach Burladingen, wie S. angab geglaubt zu haben, sondern um den Block. Wieder nahe dem »Imperial«, habe B. plötzlich die Waffe in der Hand gehabt, habe vom Fahrersitz aus durch das geöffnete Fenster geschossen – und anschließend aufs Gas gedrückt. Er selbst, so S., habe nicht gesehen, ob überhaupt jemand getroffen worden sei. Auf der Fahrt  habe Carmelo B. gesagt, dass er nur in die Luft habe schießen wollen, um Giovanni M. Angst zu machen.

Mitangeklagte sagen am 10. Juli aus

Ob das stimmt, ob das glaubhaft ist, muss am Ende das Schwurgericht um Richter Breucker entscheiden. Fest steht, dass sich Calogero S. genau so bereits gegenüber den Ermittlern geäußert hatte – dass die Staatsanwaltschaft aufgrund anderer Aussagen und Anhaltspunkte aber dennoch davon ausgeht, dass nicht B., sondern eben S. derjenige gewesen ist, der den tödlichen Schuss abgab.
Gespannt hatten die vielen Zuhörer auf die Aussagen  der beiden weiteren Angeklagten gewartet, insbesondere auf diejenige von Carmelo B., der von S. schwer belastet wird. Allerdings liegen die Ergebnisse von umfangreichen Nachermittlungen der Staatsanwaltschaft  sowie das Gutachten eines Sachverständigen, der das Tatgeschehen rekonstruiert hat, erst seit dieser Woche vor. Carmelo B. und Carmine M. wollen sich deswegen erst am nächsten Verhandlungstag, Montag, 10. Juli, 9 Uhr, äußern.

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