Kultur: Ausstellung des Kunstvereins eröffnet / Umgang mit neuen Medien im Fokus

Der Mensch, ein öffentliches Wesen? Ein gläserner Körper im Zeitalter medialer Maskerade, in der Privatsphäre kein Privatvergnügen, sondern ein rares Gut ist? Im Weißen Häusle thematisiert diesen Aspekt die Kunstklasse von Birgit Brenner.

Hechingen. "Do not disturb", bitte nicht stören – eigentlich, so könnte man meinen, sind diese Worte so etwas wie ein Stoppzeichen. Eine imaginäre Schwelle, die signalisiert: Bis hierher und nicht weiter. Da es sich um einen Ausstellungstitel handelt, betreten die Besucher ungeachtet dieser Aufforderung aber trotzdem den Galerieraum. Und das ist gewollt und gut so.

Denn in diesem seltenen Fall darf man ihn ausnahmsweise einmal ignorieren: den Wunsch nach ein bisschen Privatsphäre. Die Neugier der Gäste ist jedenfalls geweckt, denn schließlich umgibt diesen Satz unwillkürlich die Aura des Geheimnisvollen; schwingt in ihm etwas mit, was im Grunde sonst einem einzigen Augenpaar vorbehalten sein sollte. Warum soll oder darf man nicht stören? Weil man sonst Gefahr läuft, die letzten privaten Refugien, die in dieser öffentlichen Welt als Rückzugsorte geblieben sind, zu zerstören?

Was einem abseits kollektiver Blicke, abseits der öffentlichen Wahrnehmung auf der Pirsch nach ein bisschen Für-sich-Sein begegnet, das beleuchten in der Galerie des Kunstvereins seit Sonntag die 14 jungen Künstler Katharina Becker, Josephine Boger, Daniel Frey, Juliane Gebhardt, Suah Im, Hendrik Jaich, Niko Kaloyanov, Clarissa Kassai, Leonie Klöpfer, Christina Koch, Lloyd Marquardt, Rebecca Ogle, Seonha Park und Valde Gredo.

Was eigentlich privat sein sollte, es heute aber nicht mehr ist

Sie alle sind Studenten der Staatlichen Akademie der Künste in Stuttgart und gehören der Klasse von Professorin Birgit Brenner an. Was sie im Weißen Häusle präsentieren sind Installationen; Exponate, die sich, bezugnehmend auf die neuen Medien, dem widmen, was eigentlich privat sein sollte, es heutzutage aber meist nicht mehr ist.

Das ist etwa das Bett, das mitten im Kunstraum steht. Auf dem Leintuch offenbaren sich, durch schwarze Ölfarbe gekennzeichnet, die Abdrücke des Körpers in seiner Gesamtheit.

Noch viel privater als die eigene Schlafstätte ist die Toilette. Oder zumindest sollte sie das sein. In der Galerie jedenfalls wird das "stille Örtchen" zum öffentlichen Raum. Unter dem Hashtag #toiletselfielife veröffentlichen junge Frauen und Mädchen dort Fotos, die sie selbst beim Toilettengang zeigen. Alle Bilder sind öffentlich, das heißt ohne jegliche Art von Anmeldung und Schutz für jeden jederzeit und weltweit auf der Onlineplattform Instagram einsehbar.

Apropos Schutz: Ein Multimediaprojekt, das auf einer Kombination audiovisueller Arbeiten besteht, befasst sich mit der Erschaffung einer Identität und Persönlichkeit einer Person, die an einer Zwangsstörung bezüglich Ordnung und Hygiene leidet. Ist sie ein Opfer des öffentlichen Drucks? "Sieh mich an", scheint eines der Exponate dem Betrachter geradezu zuzurufen. Und letzterer blickt dabei auf eine Serie von Selbstporträts, als deren Abbildungsfläche alte Fernseher dienen.

Die Reizüberflutung, das immer begehrlichere Streben nach neuen Informationen und Statussymbolen sowie das kompromisslose Festhalten an ideologischen Grundsätzen. Sind sie ein Ausdruck dieser Zeit? Vielleicht wäre es besser, erst einmal vor seiner eigenen Türe zu kehren, bevor man sich eine Meinung bildet, könnte die Botschaft der ausgestellten Staubporträt-Arbeiten lauten.

Am besten, man nimmt auf den miteinander verbundenen Stühlen im Kunstraum Platz und lässt sich all das Gesehene erst einmal in Ruhe durch den Kopf gehen. Und vielleicht gelangt man dann ja dann zur Erkenntnis, dass Privatsphäre immer mehr zum exotischen Gefilde und der Mensch zunehmend das Schicksal der Wildtiere teilen wird, deren Schutzraum immer begrenzter wird.

Weitere Informationen: Die Ausstellung im Weißen Häusle ist bis Sonntag, 11. November, samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.