Außenminister Sigmar Gabriel sprach in Hechingen. Foto: Stopper

Außenminister spricht bei Neujahrsempfang der Kreis-SPD über deutsche Herausforderungen. Mit Video

Hechingen - Er ist nicht unumstritten in seiner Partei – aber dass Sigmar Gabriel mit Charisma und Redebegabung in der SPD dennoch eine der vernehmbarsten Stimmen ist, das war am Dienstag in Hechingen beim Neujahrsempfang der Kreis-SPD zu erleben.

Um es vorweg zu sagen: Gabriel zeigte sich in seiner Rede als begeisterter Anhänger eines enger zusammen rückenden Europa, auch wenn das Deutschland Geld kosten sollte, und – unter anderem auch deshalb – als Groko-Befürworter. Denn die Sondierungen würden auf diesem Gebiet tatsächlich grundsätzliche Erfolge bringen, ist er überzeugt.

Der Neujahrsempfang der Kreis-SPD in der Hechinger Stadthalle verlief – für die SPD nach den zurückliegenden Auseinandersetzungen nicht selbstverständlich– sehr harmonisch. Auch der Kreisvorsitzende, Alexander Maute, zeigte sich in seiner Begrüßungsrede als grundsätzlicher Groko-Befürworter nach dem Motto: "Erst das Land, dann die Partei". Und seine Bitte: Angesichts der aktuellen Probleme hoffe er, dass Sigmar Gabriel als "Mutmacher" ans Mikrofon trete.

Größte Herausforderung sieht er in Außenpolitik

Der ehemalige SPD-Vorsitzende blieb hier wenig schuldig. Schon interessant, einen Mann zu erleben, der sonst nur im Fernsehen läuft, einer politischen Rede in voller Länge zu lauschen, wo sonst nur Aussagen-Schnipsel gesendet werden. Gabriel wirkt mit sympathisch-warmer Stimme. Er kann nachvollziehbar und in volksnahen Begriffen reden, und er hat Humor. Mit einer Parallelität von Goslar, seiner Heimatstadt, und Hechingen, brach er das Eis. Beides seien Gebiete, die "sich einst den Preußen ergeben mussten".

Von da war es nicht weit zum Begriff der "Heimatliebe", die zentral sei für den sozialen Zusammenhalt. Und dann war er auch schon beim Mutmachen. "Wir sollten bei allen Problemen nicht vergessen, was alles gut funktioniert in unserem Land". Wirtschaftliche und soziale Stabilität. "Es scheint es uns relativ gut zu gehen", fasst er zusammen, erwähnte aber auch Themen wie Pflege, Bildungschancen und Renten von Geringverdienern, wo Verbesserungsbedarf bestehe. Die größten Herausforderung, vor denen Deutschland steht, sieht Gabriel aber in der Außenpolitik.

Meisten Probleme nicht im Koalitionsvertrag vorhersehbar gewesen

In Anspielungen auf die aktuellen Koalitions-Verhandlungen wies er darauf hin, dass die vorige Regierung ständig mit Problem konfrontiert wurde, die in Koalitionsverhandlungen niemand vorhersah. Ukraine, Griechenland, EU-Finanzen, Flüchtlinge, Terror – alles in weitgehender Stabilität bewältig zu haben, sei ein Riesenerfolg auch der SPD gewesen, auch wenn das die Wähler nicht belohnt hätten. Dennoch solle sich die SPD dieser Regierungs-Verantwortung wieder stellen.

"Die Welt wird für uns noch unbequemer", mahnte der Mann, der seit einem Jahr die Bundesrepublik als Außenminister vertritt. Die USA hätten sich vom verlässlichen Partner zum Konkurrenten gewandelt, China verfolge eine durchdachte Strategie, führende Weltmacht zu werden.

Deutschland und die benachbarten Länder könnten in dieser Situation nur bestehen, wenn sie als Europa auftreten, so seine Analyse ."Wenn unsere Kinder in der Welt gehört werden wollen, muss das eine europäische Stimme sein", ist er überzeugt. Und dann müsse man auch weltpolitisch zum Akteur werden, notfalls auch mit militärischen Mitteln, da sich Sklavenhandel und die Herrschaft von Milizen eben oft nicht mit anderen Mitteln beseitigen lasse.

Gerade in diesem Punkt zeigte sich Sigmar Gabriel auch nachdenklich. Einfache Wahrheiten gebe es hier nicht, und auch er habe "nicht auf alles eine Antwort". Aber sich einfach heraushalten und moralisch edel fühlen, werde nicht mehr funktionieren.

Auch mal aufmerksam zuhören

Dass der Weg zur europäischen Einheit noch weit ist, und beim Blick auf osteuropäische Nachbarn die Frage auftaucht, ob man gleiche Ziele hat, räumte Gabriel ein. Hier müsse man weiter verhandeln und auch mal aufmerksam zuhören. Manches brauche einfach Zeit.

Er betonte aber auch, dass Deutschland ein sehr hohes Interesse am einigen Europa haben muss. Er begründete dies auch wirtschaftlich. Denn nach Europa exportiere Deutschland die meisten Produkte, das Land profitiere von Europa und auch davon, wenn es den Partnern gut gehe. Und dieser Gedanke des europäischen Zusammenschlusses sei in den Sondierungsverhandlungen von der SPD durchgesetzt worden. Für Gabriel ist das schon Grund genug, mit diesem Ergebnis "in die Regierung zu wollen."

Welche Verbesserungen die SPD-Verhandlungserfolge in den Sondierungen bringen könnten, schilderte dann der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rosemann. Danach folgte ein Stehempfang, bei dem die Besucher im Saal, darunter viele SPD-Genossen, noch viel Gelegenheit, die vorgebrachten Standpunkte zu diskutieren.