Gemeinsam soll die Gruppe versucht haben, rund 15.000 Euro in 500 Euro-Scheinen in Umlauf zu bringen. Foto: dpa

Neun Polizisten sichern Gerichtssaal. Angeklagte brauchten Geld für Drogen.

Hechingen/Rottenburg/Tübingen - Es geht um Haschisch-Deals in der Rottenburger Innenstadt. Um einen nächtlichen Raubüberfall in Hechingen-Sickingen. Und um gefälschte 500 Euro-Scheine. Fünf Männer aus Hechingen, Rottenburg und Mössingen sitzen auf der Anklagebank.

Es ist ein furchteinflößendes Szenario im kleinen Schwurgerichtssaal 120 des Landgerichts Tübingen. Mehr als zehn Polizisten mit schusssicheren Westen im Auftrag der Justiz positionieren sich an jeder Ecke.

Vor der Tür kommt eine lange Besucherschlange nur langsam durch die Sicherheitsschleuse. Die Gerichtsglocke erklingt. Nach und nach kommen erst einer, dann zwei, dann drei Angeklagte in Handschellen und Fußfesseln mit kleinen Schritten in den Gerichtssaal, eng begleitet von weiteren Polizisten.

Der muskelbepackte Mazlum E., einer der Männer, grinst ins Publikum. Einzelne Besucher grinsen zurück. Zwei weitere Angeklagte können dagegen mit ihren Anwälten ohne jeglichen Fesseln Platz nehmen.

Alle fünf türkischstämmigen Männer zusammen sollen für mehrere Taten verantwortlich sein – der eine mehr, der andere weniger.

Ist Azlan K. der Anführer der Gruppe?

Der Kopf der Gruppe: Azlan K., ein 22-Jähriger, der aus Hechingen kommt, aber wohl auch schon vorher in Rottenburg und Horb lebte. Mitangeklagt: der 23-jährige Mazlum E. aus Mössingen, der 20-jährige Muhammed C. aus Rottenburg, der 21-jährige Burat B. aus Rottenburg und der 19-jährige Firat K. aus Hechingen, Bruder des mutmaßlichen Rädelsführers. Alle ohne Beruf, alle ohne legales Einkommen, wie die Vorsitzende Richterin Sigrid Höchst vor der Großen Jugendkammer erklärt. Und damals alle unter ziemlichen Gelddruck durch teuren Lebenswandel, der sich auch aus eigenem Drogenkonsum ergab.

Der Staatsanwalt verliest minutenlang die Anklageschrift. Für ihn sind folgende Tatvorwürfe gesichert: Azlan K. soll zunächst im März/April 2018 Falschgeld in Höhe von zirka 15 000 Euro angekauft haben, laut Analyse der Bundesbank in guter Qualität. Mit diesem Geld wollten er und seine Kumpels wohl vor allem Marihuana beschaffen – für den eigenen Konsum, aber auch, um den Stoff weiterzuverkaufen. Mit dem Falschgeld sollte zunächst direkt beim Dealer auf dem Marktplatz in Rottenburg eingekauft werden. Als das nicht klappte, versuchte die Gruppe am 6. April 2018, die 500 Euro-Scheine in der Rottenburger Filiale der Kreissparkasse am Eugen-Bolz-Platz klein zu wechseln.

Doch hier stellten sich die Männer wohl alles andere als geschickt an. Azlan K. schickte den Rottenburger Muhammed C. vor, der – von den Kameras der Bank gefilmt – die 500-Euro-Scheine auf den Bank-Schalter legte. Die Bilder dokumentieren, dass er die KSK-Filiale zunächst verlies und dann wieder zurückkehrte: Er hatte seinen Personalausweis geholt und lieferte der Polizei damit gleich die korrekten Personalien.

Geldwechsel lief schnell

Mit dabei in der Filiale: Burat B. mit seiner Freundin. Auffällig unauffällig im Hintergrund, aber immer auch im Blickkontakt mit Muhammed C. Doch Burat B. machte sich früher aus dem Staub, wie die Kameras im nahegelegenen Parkhaus zeigen. Muhammed C. will bisher dazu keine Angaben machen. Laut Ermittlerin hat der "Geldwechsler" bei seiner Aussage drei verschiedene Versionen präsentiert: Erstens: ein unbekannter Asylbewerber habe ihn gebeten, für ihn das Geld zu tauschen. Zweitens: Azlan K. habe ihn gebeten, für 50 Euro den Tausch vorzunehmen. Dritte Version: Man habe sich dort mit Azlan K. und Burat B. getroffen. Der Rädelsführer wollte die Scheine klein gewechselt haben.

Der Geldwechsel lief also schief. So gab es neue Pläne, wie der Staatsanwalt schilderte. Azlan K. plante einen Raubüberfall in Hechingen-Sickingen. Das Opfer: eine ehemalige Schulfreundin. Ein erster Versuch am 14. April scheitert. Es ist niemand zu Hause. Ein zweiter Versuch fünf Tage später läuft erfolgreicher. Mit vorgehaltener Schreckschusspistole holen zwei maskierte Männer eine Geldkassette mit 2000 Euro aus dem Wohnzimmer. Das Opfer beschreibt laut Ermittler, der als Zeuge geladen ist, einen Täter mit den Worten: "Der mit Waffe sprach Kanackendeutsch. Der andere kein Wort."

Am 14. Juni dann die Verhaftung – in einer gemeinsamen Aktion der Kripo Rottweil und Tübingen. Die Beweise unter anderem: abgehörte Telefonate, zuvor gelöschte Whatsapp-Nachrichten und eine Kronzeugin, wie einer der beiden Anwälte von Muhammed C. sie nennt.

Am ersten Prozesstag geht es vor allem um Bilder und Whatsapp-Nachrichten. Zwei Ermittler geben Auskunft über ihre Ergebnisse. Denn bis jetzt machen die Angeklagten kaum Angaben. Nur Firat K. lässt seinen Rechtsanwalt erklären, dass er keine Kenntnisse von den vorgeworfenen Taten habe. Er wisse nur, dass man mit dem angeblichen Überfall-Opfer gemeinsam gekifft habe. "Es war ein gemeinsames Chillen."

Was am ersten Prozesstag deutlich wird: Es wird möglicherweise eine Herausforderung für das Gericht, deutlich zu machen, wer bei welchen Tatvorgängen tatsächlich beteiligt war.

Richterin richtet ernste Worte an Zuhörer

Auf den falschen Geldscheinen wurde zumindest ein einzelner Fingerabdruck von Azlan K. gefunden. Das Überfall-Opfer will Maslum E. – der auch als Bodyguard des Gruppenchefs bezeichnet wurde – aufgrund seiner stechenden Augen und Azlan K. wegen seiner Statur wiedererkannt haben. Bei den Drogengeschäften in Rottenburg werden mal Azlan K. und Maslum E., aber auch Azlan K. und Burat B. von der Kronzeugin genannt.

Direkt nach der Mittagspause bietet die Richterin den Rechtsanwälten zum Abschluss des Prozesstags ein Gespräch für einen Verständigungsvorschlag an. Und sie warnt die Zuhörer, darunter viele Familienangehörige und Freunde der Angeklagten. "Bitte unterlassen sie unangenehme Kommentare und Zurufe. Wenn hier Druck ausgeübt und gedroht wird, dann sind das ebenfalls Straftaten."

Am 30. Januar geht der Prozess weiter, sieben weitere Termine bis in den März sind bisher vorgesehen.