Das letzte Stündlein der beiden Blutbuchen am Obertorplatz hat geschlagen: Der Bürgermeister hat die Entscheidung für die Fällung bereits getroffen. Foto: Stopper

Bürgermeister Hahn hat Fällung auf Grundlage des Polizeirechts bereits entschieden.

Hechingen - Müssen die Obertorplatz-Blutbuchen wirklich gefällt werden? Am Mittwoch von 19 Uhr an wird dies im Gemeinderat diskutiert, aber die Entscheidung dafür hat Bürgermeister Philipp Hahn eigentlich schon getroffen.

Dabei handelt er nach Polizeirecht, das ihn ausdrücklich zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib und Leben der Einwohner verpflichtet. Und wie in unserer Zeitung berichtet, hat Peter Klug als Diplom-Forstwirt und Baumsachverständiger bei einer Untersuchung festgestellt, dass die Blutbuchen am Obertorplatz von innen her verfault sind und jederzeit umstürzen könnten. Mit fatalen Folgen.

Deshalb sollen die Gemeinderäte am Mittwoch auch nicht darüber abstimmen, ob die Bäume gefällt werden, sondern sie werden lediglich gebeten, diese Entscheidung "zur Kenntnis" zu nehmen. Angesichts der Tragweite der Entscheidung – die Blutbuchen prägen das Bild der Oberstadt – wird im Gemeinderat sicher noch diskutiert.

Dass dabei wohl auch kritische Fragen gestellt werden, dazu trägt auch Gert Rominger etwas bei. "Ich wurde von Gemeinderäten angesprochen und habe gern Hinweise gegeben, wo man das Gutachten kritisch hinterfragen könnte", berichtet der Vorsitzende des Hechinger Naturschutzbunds (Nabu).

Protestaktionen aber plant der Nabu nicht, obwohl sich die Mitglieder seit vielen Jahren für die Bäume in der Stadt und insbesondere auch für die Blutbuchen auf dem Obertorplatz einsetzen. Dass diese vor Jahren nicht einfach abgesägt wurden, wie unter Bürgermeisterin Bachmann geplant, ist auch dem Protest des Nabu zu verdanken.

Das vorliegende Gutachten aber hat Gerd Rominger beeindruckt. Es sei ihm von Philipp Hahn direkt zugeschickt worden, sagt Rominger anerkennend, und man habe es seither intensiv geprüft. "Da wurden anerkannte Verfahren verwendet, und die Ergebnisse sind nachvollziehbar", räumt er ein. Das müsse man sehr ernst nehmen. Allerdings gebe es in dem Gutachten auch Stellen, wo er die Aussagen für etwas ungenau halte. "Mal sehen, ob es da am Mittwoch in der Gemeinderatssitzung gute Antworten gibt."

Aber was steht in dem Gutachten genau drin? Zunächst einmal, dass die Untersuchung am 23. August stattfand, und welche "Hilfsmittel und Geräte" eingesetzt wurden. Dies waren ein Sondierstab, Gummihämmer, ein Schalltomograf, der ähnlich einem ärztlichen Diagnosegerät die innere Struktur eines Gegenstands abbilden kann, und ein Bohrer, der den Widerstand beim Bohren messen kann. Wird der Widerstand beim Reinbohren geringer, kann im Inneren des Baums Fäule vermutet werden.

Dabei wird zunächst der Baum intensiv angeschaut, dann mit Schallwellen untersucht, die den Baum nicht verletzen, und nur dort, wo Fäule vermutet wird, kommt der Bohrer zum Einsatz.

Erläutert wird auch der Brandkrustenpilz, der vor allem "Wurzelanläufe und die Stammbasis" befällt und dort "Moderfäule" verursacht. Da die Rinde nicht betroffen ist, ist Bäumen ein Befall kaum anzusehen.

Beide Bäume wirken "sehr geschwächt"

Zu der Auswertung der Schalltomografen-Bilder stellt Peter Klug fest, dass ein standsicherer Baum zumindest eine gesunde Wandstärke von 30 Prozent des Querschnitts haben muss. Bei der Beurteilung durch Augenschein kommt er zum Ergebnis, dass beide Bäume "sehr geschwächt" wirken.

Dann wurden die Bäume einzeln untersucht. Zunächst der zum alten Feuerwehrhaus hin stehende: Hier zeigte der Tomograf knapp über dem Erdboden, dass im Innern große Bereiche starke Veränderungen aufweisen. Die anschließenden Bohrungen ergaben: "Hier sind nur noch wenige Zentimeter stabiles Holz vorhanden". Deshalb das Urteil: "Die Ausgangsfrage war und ist, ob Stand- und Bruchsicherheit gegeben sind. Die Antwort ist ein klares Nein", "eine Fällung des Baumes innerhalb von zwei Monaten ist notwendig".

Für die andere Buche sieht das Ergebnis geringfügig besser aus. Die Bohrungen hätten ergeben, dass die Standfestigkeit hier noch "für eine gewisse Zeit gewährleistet" sei, allerdings gebe es auch viele Hinweise, dass sich der Pilz im Bauminnern ebenfalls sehr ausbreite.

Theoretisch möglich wäre es also, diesen Baum noch etwas stehen zu lassen, aber Peter Klug rät davon ab, denn der Fäulnisprozess sei hier nicht aufzuhalten, alleine stehend wäre dieser Baum zudem stärkeren Windkräften ausgesetzt, und die beiden Bäume seien "in einer Einheit herangewachsen". Die Wegnahme eines Baumes würde den anderen schnellem Verfall aussetzen. Und so "wird vom Unterzeichner die eindeutige Empfehlung ausgesprochen, beide Bäume zu fällen."

In der Zusammenfassung betont Peter Klug: "Die Bemühungen und der Einsatz von privaten Initiativen und Naturschutzverbänden zum Erhalt der Bäume werden vom Unterzeichner ausdrücklich für gut befunden und gelobt. In diesem Fall gibt die Natur aber selbst die Antwort."

Info: Baumgutachter Peter Klug

"Bäume sind Lebewesen und verdienen daher einen respektvollen Umgang. Bäume können ohne Menschen, aber Menschen nicht ohne Bäume leben", so steht es in den Leitgedanken, die sich das Sachverständigenbüro von Baumgutachter Peter Klug gegeben hat. Im Internet präsentiert sich die Firma unter der Adresse: www.arbus.de. Dort sind auch zahlreiche Fachbücher über Baumpflege und -bewertung aufgeführt, die Peter Klug geschrieben hat. Er hat an der Universität in Freiburg studiert und ist seit 1991 freiberuflich tätig. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind Baumsachverständiger, Baumkontrollen und Baumgutachten. Seit 1997 ist er vom Regierungspräsidium Freiburg als Sachverständiger für Baumpflege, Verkehrssicherheit von Bäumen und Gehölzwertermittlung bestellt und vereidigt. Seit 1999 gibt er Seminare zu den Themen Baumkontrolle, Baumkataster und Baumpflege. Seit 2007 bietet er auch Weiterbildungen und die Prüfung zum "FLL-Zertifizierten Baumkontrolleur" an.