Der Hechinger Gerhard Hornung vereint als Tätowierer zwei Leidenschaften: Handwerk und Kunst

Von Melanie Pieske

Hechingen. Ist Tätowieren ein abgefahrener Beruf? Der Hechinger Gerhard Hornung sieht das nicht so. Der 40-Jährige ist zwar Körperkünstler – für ihn aber ein völlig normaler Job.

Auffällig ist das Tattoo-Studio in der Hofgartenstraße 25 eigentlich nur durch seine Unauffälligkeit. Das weiße Mehrfamilienhaus reiht sich brav ein neben Versicherungsbüros und einer Wohnungsgenossenschaft. Hinge da nicht ein Schild mit einem Totenkopf an der Hauswand. Ein Versprechen, dass hinter der Tür mehr liegt als eine zahme Dienstleistung.

Drinnen breitet sich ein ei-genes kleines Reich aus. An der grau gemusterten Tapete hängen, in goldenen Rahmen verewigt, einige Körper-Kunstwerke, auf den Holzbänken stehen Masken, kleine Figuren und Grünpflanzen. Die Liebe zum Detail ist offensichtlich.

Sie ist auch die Grundlage für die Arbeit eines jeden Tätowierers. Gerhard Hornung ist seit rund 14 Jahren Inhaber des Tattoo-Studios und damit der einzige niedergelassene Körperkünstler der Stadt. Abgefahren? Für den Ur-Hechinger ist das ein Job wie jeder andere auch. "Ich biete wie ein Friseur oder ein Handwerker eine bestimmte Dienstleistung an. Für mich ist das, was ich mache, nicht wirklich etwas Besonderes."

Ein wenig hat er doch sein Hobby zum Beruf gemacht. Denn Tätowieren lernt man nicht in einer Schule, und auch nicht in einer Ausbildung. "Mit 18 habe ich ein bisschen rumprobiert mit Freunden, mit Nadel, Tusche und Tinte", sagt er. Er habe auch mal erfahrenen Kollegen über die Schulter geschaut, Tattoomessen besucht und sich Inspirationen geholt.

Aber das eigentliche Können komme einfach mit der Zeit und mit der Übung. Zwei Dinge müsse jeder Tätowierer mitbringen: Konzentration und Kreativität. "Ich sitze oft mehrere Stunden am Stück an einem Tattoo. Da darf man sich nicht ablenken lassen. Oft sind es die Kunden, die irgendwann eine Pause brauchen. Wenn ich merke, der Arm hält nicht mehr still, dann breche ich ab. Probier’ mal mit einem Füller sauber zu schreiben, wenn das Blatt sich bewegt", erklärt Hornung.

Ein Hautbemaler braucht Geduld. Schon im Vorgespräch. Vor allem jüngere Kunden wissen oft gar nicht, was sie genau haben wollen: "Die schicke ich dann erst mal wieder – gut gemeint – nach Hause." Bei einem Körperschmuck auf Lebenszeit sollte man wissen, was gewünscht wird.

Wie in der Mode folgen manche auch aktuellen Trends, weiß Gerhard Hornung: "Total angesagt bei Männern ist David Beckham, die Mädels eifern oft Rihanna nach." Hornung findet zwar individuelle Motive besser, aber auch das bringt der Job mit sich.

Wer glaubt, zu Hornungs Kunden würden hauptsächlich junge Leute gehören, der irrt: "Das geht quer durch alle Altersgruppen – und durch alle Berufe." Vom hippen Designer bis zum – äußerlich – biederen Bankangestellten sei alles dabei. Seine bislang älteste Kundin zählte stolze 83 Jahre. "Sie wollte eine Erdbeere auf ihr Ohrläppchen", verrät er. Manchmal ist sein Beruf auch ein wenig kurios.

Etwas, das dem gelerntem Schreiner in seiner alten Arbeit fehlte. Jetzt als Tätowierer trifft sich die Mischung, nach der er suchte: Handwerk und Kunst.