Aus Verzweiflung und Überforderung verließ eine 18-jährige Fahrerin nach einem Auffahrunfall den Unfallort und benachrichtigte erst am Mittag die Polizei. Foto: ©Dean_stock.adobe Foto: Schwarzwälder Bote

Justiz: Schülerin wird wegen fahrlässiger Körperverletzung und Fahrerflucht angeklagt

Hechingen. Für einen Auffahrunfall stand eine 19-Jährige vor Gericht. Ihr folgenschwerer Fehler: Sie verließ den Unfallort, weil sie zur Schule musste. Nun wird sie wegen fahrlässiger Körperverletzung und unerlaubtem Entfernen vom Unfallort angeklagt. Die Folge: 280 Euro Geldstrafe und ein Fahrverbot.

Der Albtraum eines jeden Fahranfängers: Schon nach wenigen Monaten im Besitz des begehrten Scheins ereignet sich der erste Unfall. Aber was dann? Die Polizei rufen? Es mit der geschädigten Person privat klären? Genau vor dieser Frage stand Ende Dezember eine 18-jährige Fahranfängerin aus Mössingen. Auf dem Schulweg nach Hechingen, staute es sich auf der B27, abrupt bremste das Fahrzeug vor ihr ab. "Ich habe das zu spät bemerkt und hatte dann keine Chance mehr, nicht auf das Fahrzeug aufzufahren", erklärt die mittlerweile 19-Jährige dem Hechinger Amtsgericht.

Bis dahin eigentlich noch kein Fall für ein Gericht, allerdings machte die Schülerin dann einen entscheidenden Fehler: "Ich habe am Fahrzeug keinen Schaden gesehen und die Fahrerin meinte auch es sei okay, wenn ich gehe, weil ich zur Schule musste. Sie würde den Rest mit der Polizei klären. Ich hatte in diesem Moment nur die Schule im Kopf."

Nur SMS an die Mutter

Nach dem kurzen Gespräch fährt die Schülerin weiter. Name, Telefonnummer oder Adresse hatte sie nicht mit der Betroffenen ausgetauscht. Die Polizei alarmiert sie nicht, schreibt stattdessen eine SMS an ihre Mutter. Als sie von der Schule nach Hause kommt, benachrichtigt sie mit ihrem Vater die Polizei. Da gerade ein Schichtwechsel stattfand, weiß die Polizistin am Hörer nichts von der Anzeige der Geschädigten. Kurze Zeit später folgt die Anklage: Fahrlässige Körperverletzung und unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Der Unfall verursachte bei dem Unfallopfer ein Schleudertrauma.

"Warum haben sie nicht die Polizei alarmiert, statt ihrer Mutter eine SMS zu schreiben? Sie nehmen mit ihrem Fahrzeug regelmäßig am Verkehr teil und wer einen Führerschein hat, der soll sich im Straßenverkehr ordentlich verhalten. Wie dachten sie denn, wie die Frau sie finden würde, ohne Name und Adresse?", fragt die Richterin. Zu viel für die junge Frau. Sie kann die Tränen kaum zurückhalten. Ihre Reue ist spürbar, genauso wie die Überforderung, die sie zum Verlassen des Unfallortes trieb.

Nicht nur für die Richterin, auch für den Staatsanwalt scheint der Fall eindeutig. "Normalerweise folgt hier ein kompletter Entzug der Fahrerlaubnis, da sich die Täterin allerdings gestellt hat, wären vier Monate Fahrverbot und eine Geldstrafe angemessen. Was wollen sie also hier?", die Frage an den Anwalt.

Ziel des Einspruchs sei, so erklärt dieser, die Einigung über die Tagessatzhöhe. Vierzig Tagessätze in Höhe von je 20 Euro könne sich die Schülerin, deren einziges Einkommen ihr Taschengeld und das Benzingeld ihrer Eltern ausmache, nicht leisten.

Das sieht auch das Gericht ein. Die Verurteilung: 40 Tagessätze in Höhe von je sieben Euro und vier Monate Fahrverbot. Ein glimpfliches Urteil. Für die Schülerin bricht dennoch eine Welt zusammen. "Das nächste Mal, wenn ihnen so was passiert werden sie hoffentlich wissen, was zu tun ist", mahnt die Richterin. Ein stummes Nicken zeigt, dass die Schülerin verstanden hat.